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Bericht
27.02.2024
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Podiumsdiskussion der Landesfachkommission Gesundheitswirtschaft

"Joint Ventures: Gesellschaftliche Auswirkungen der Cannabislegalisierung"
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Im Rahmen der Landesfachkommission Gesundheitswirtschaft hat der Wirtschaftsrat Niedersachsen zu einer Podiumsdiskussion zum Thema "Joint Ventures: Gesellschaftliche Auswirkungen der Cannabislegalisierung" eingeladen. In den Räumen des Deutschen Roten Kreuzes in Hannover kamen unsere Mitglieder sowie Fachkräfte aus Medizin und Politik zusammen, um die verschiedenen Positionen darzulegen und zu diskutieren. Als Referenten waren Cathrin Burs, Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen; Kerstin Hawraneck, Fachkraft für Arbeitssicherheit, Diplom-Sozialpädagogin und Heilpraktikerin für Psychotherapie; Prof. Dr. Jörn Heine, Chefarzt der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin, Asklepios Harzkliniken Goslar, Bad Harzburg; Prof. Dr. med. Torsten Passie, M.A., Chefarzt der Abteilung Psychosomatik, Berolina Klinik, Löhne/Bad Oeyenhausen; Christian Calderone MdL, Rechtspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag und Mitglied im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen sowie Unterausschuss für Justizvollzug und Straffälligenhilfe; und Evrim Camuz MdL, Sprecherin für Rechtspolitik und Verfassungsfragen, Verfassungsschutz und Informationsfreiheit der Fraktion Bündnis90/Die Grünen im Niedersächsischen Landtag, vertreten. Die Moderation übernahm Adelheid May, Geschäftsführerin der Asklepios Harzkliniken GmbH sowie Vorsitzende der Landesfachkommission Gesundheitswirtschaft. Sie stellte zunächst die Referenten vor und bat sie anschließend, ihre jeweilige Position darzulegen.

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Frau Camuz MdL begann und teilte ihre Auffassung, dass die Prohibition von Cannabis gescheitert sei, da Jugendliche und Erwachsene trotzdem konsumieren würden, wenn sie es wollten. Daher sei es sinnvoller, am Verbraucherschutz anzusetzen und die Stigmatisierung aufzuheben, sowie den Konsum in einem sicheren Rahmen stattfinden zu lassen. Es sei hierbei jedoch wichtig, durch Kampagnen aufzuklären und zu informieren, da es sich nach wie vor um eine Droge und nicht um ein Genussmittel handele.


Im Anschluss erläuterte Herr Prof. Dr. med. Torsten Passie seinen beruflichen Hintergrund und stellte klar, dass er dem Thema gegenüber neutral eingestellt sei, er jedoch aufgrund seiner Expertise zahlreiche Fakten vorlegen könne, die die Auswirkung von Cannabis betreffen.


Kerstin Hawraneck vertritt als Fachkraft für Arbeitssicherheit die Auffassung, dass es wichtig sei, Cannabis nicht als Genussmittel zu sehen, sondern weiterhin als Droge. Besonders beim Bedienen von komplexen Maschinen oder Fahrzeugen könne es gefährlich werden, da die Konsumenten unaufmerksamer seien und sich ihre Reaktionszeit verlängere. Daher sei die Legalisierung von Cannabis nicht mit der verantwortungsvollen Ausübung vieler Berufe vereinbar, besonders wenn Dritte involviert seien. Unternehmen müssten für das Thema sensibilisiert werden und genau hinschauen, da der Cannabiskonsum bei den Mitarbeitern möglicherweise nicht sofort auffalle. Auch die langfristigen Folgen, die durch das Passivrauchen von Cannabis für Kinder entstehen könnten, dürfe man nicht unterschätzen. Neben Leistungsverschlechterung komme es auch zu Intelligenzminderung und Entwicklungsverzögerungen.

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Cathrin Burs, Präsidentin der Apothekenkammer, möchte zunächst anmerken, dass man zwischen medizinischem Cannabis und Droge als Genussmittel differenzieren müsse. Die Apothekenkammer erziele mit dem medizinischen Cannabis wertvolle Erfolge in der Schmerztherapie. Zudem habe der medizinische Cannabis Qualitätsvorteile, da die Inhaltsstoffe sowie der THC-Gehalt kontrolliert würden. Ein Problem, das sowohl den medizinischen als auch den Cannabis als Droge betrifft, sei die Tatsache, dass man den THC-Gehalt bei der Zucht kaum bestimmen könne. Die Pflanzen enthalten komplexe Vielstoffgemische, die man bisher nur schwer beeinflussen könne. Der THC- und CBD-Gehalt sei häufig deutlich zu hoch, weshalb es nur schwer umsetzbar sei, dass unter 25-Jährige nur niedrig dosiertes Cannabis bekämen. Frau Burs fordert, dass an dieser Stelle mehr geforscht wird, um herauszufinden, wie man den THC-Gehalt reduziert und wie die verschiedenen Dosierungen auf den menschlichen Körper wirken.


Prof. Dr. Jörn Heine stimmt Frau Burs zu, dass Cannabis bei chronischen Schmerzen gute Wirkung erziele. Er sieht den zunehmenden Konsum bei Jugendlichen allerdings kritisch, da die Hirnreife erst mit 25 Jahren vollständig abgeschlossen sei. Hierdurch komme es zu einer Zunahme von psychischen Krankheiten bei Jugendlichen. Das Gesetz zur Legalisierung würde den Jugendschutz zu sehr vernachlässigen und diesen Punkt außer Acht lassen. Trotzdem müsse man hier zwischen den Jugendlichen differenzieren, die nur einmal im Monat mit ihren Freunden einen Joint rauchen, und denen, die täglich mehrere Joints rauchen, wie es die zukünftige Gesetzgebung voraussichtlich erlauben werde.


Aus Sicht der Polizei und der Justiz sei die Legalisierung kaum umzusetzen, so Herr Calderone MdL. Die Richtlinien und Leitplanken, wie beispielsweise der Abstand zu Schulen oder der THC-Gehalt, seien für die Polizei nur sehr schwer zu kontrollieren und würden erheblichen Mehraufwand mit sich bringen. Außerdem würde man mit der Legalisierung ein falsches Signal an die Gesellschaft senden. Das Ziel, den Schwarzmarkt einzudämmen, würde verfehlt, da mit der Legalisierung die moralische Hemmschwelle sinke, bei einem Dealer zu kaufen. Er vergleicht die Legalisierung von Cannabis mit der Legalisierung von Prostitution: Hier habe die Eindämmung des Menschenhandels auch nicht funktioniert. Noch immer stehe hinter den meisten Prostituierten ein Zuhälter. Einen ähnlichen Prozess erwartet Herr Calderone MdL bei der Cannabis-Legalisierung. Es werde also nicht sicherer auf unseren Straßen. Warum also sollte man dann legalisieren?


Anschließend präsentiert Prof. Dr. Passie einige Fakten, die in Studien dargelegt werden. In Bezug auf die Zunahme von psychischen Krankheiten durch Cannabis erklärt er, dass es sich hierbei um ein Kausalitätsproblem handele. Man wisse nicht, ob die psychische Störung nicht bereits vor dem Cannabiskonsum vorhanden war. Es sei also nicht klar, was Auslöser und was Wirkung ist. Hinzu komme, dass es nicht mehr psychische Störungen, sondern lediglich mehr Diagnosen dieser gebe. Dies sei zurückzuführen auf die besseren Möglichkeiten zur Diagnostik, aber auch auf die zunehmende Sensibilisierung und Enttabuisierung psychischer Krankheiten. In Bezug auf die durch Cannabis entstehende Hirnschädigung gebe es keinerlei gesicherte Beweise. Bei Jugendlichen komme es jedoch häufig zu einer Entwicklungsverzögerung durch die Passivität, die durch den Konsum ausgelöst werde. Auch auf Psychosepatienten könne der Konsum negative Auswirkungen haben und die Symptome verschlechtern. Dies sei jedoch nicht generalisierbar, da es in manchen Fällen auch zu einer Verbesserung führe. Darüber hinaus sei Cannabis weniger toxisch als Alkohol, da es noch nie einen ausschließlich durch Cannabis ausgelösten Todesfall gegeben habe.


Abschließend beendete Adelheid May die Sitzung mit der Forderung, mehr in die Forschung und Aufklärung zu investieren. Sie hofft, dass sich die positiven Erwartungen durchsetzen und die negativen Befürchtungen nicht eintreten. Im Anschluss gab es bei einem kleinen Imbiss Zeit, mit den Referenten und Mitgliedern in den Austausch zu treten und das Schulungszentrum des Deutschen Roten Kreuzes in Hannover (SiTZ) zu besichtigen. Vielen Dank für die Gastfreundschaft!
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