Grundlegende Sozialstaatsreform jetzt angehen, Beweislast beim Bürgergeld umkehren
Für uns als Wirtschaftsrat ist klar: Ohne ernsthafte und grundlegende Strukturreformen wird dieses Land die Kurve nicht bekommen. Ob die SPD diesen Weg bereit ist, wirklich mitzugehen, daran sind zuletzt ernsthafte Zweifel aufgekommen. In der Rheinischen Post haben wir vor diesem Hintergrund daran erinnert, dass die Menschen – das haben die Ergebnisse der Bundestagswahl eindeutig gezeigt – einen „grundlegenden Kurswechsel“ wollen. Sollte die SPD, so zitiert uns die Zeitung, „mit ihrer Blockadepolitik einen solchen Kurswechsel weiterhin verhindern, dann sollte sie sich sehr bewusst sein, wem sie damit letztlich dient“. Und die Union müsse sich „dann genau überlegen, ob sie sich weiter zum Steigbügelhalter einer solchen Politik macht.“
Wenn der Bundeskanzler darauf verweist, dass wir uns unseren derzeitigen Wohlfahrtsstaat nicht länger leisten können, dann reicht auch ein Blick auf die Kostenentwicklung bei der Grundsicherung, um diese Aussage mit Leben zu füllen. Einerseits zahlte die öffentliche Hand im vergangenen Jahr den Rekordbetrag von 47 Milliarden Euro an die rund 5,5 Millionen Bürgergeldempfänger, nochmals vier Milliarden Euro mehr als im Jahr 2023. Für 2025 wird ein weiterer Anstieg auf 52 Milliarden Euro erwartet. Fast vier Millionen der Bürgergeldempfänger gelten jedoch als erwerbsfähig, die offizielle Arbeitslosenzahl liegt bei drei Millionen. Andererseits litten die Unternehmen auch im ersten Quartal 2025 unter rund 1,2 Millionen nicht besetzten Stellen, davon 28 Prozent für Unqualifizierte.
Da passt, das zeigen diese Zahlen, etwas nicht zusammen. Ein Problem ist, dass ernstzunehmende Sanktionen häufig daran scheitern, dass der Staat arbeitsunwilligen Bürgergeldempfängern ihre Unwilligkeit kompliziert und langwierig nachweisen muss. In einem Gastbeitrag für WELT plädiert Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates, für einen Paradigmenwechsel mit einer Umkehr der Beweislast.
Termin-Ausfallquoten von 30 bis 50 Prozent, wie sie etwa der Geschäftsführer des Jobcenters Berlin-Spandau jüngst schilderte, dürften damit der Vergangenheit angehören. Es wäre nicht nur ein Gebot der Fairness und gesamtstaatlichen Verantwortung, sondern würde auch dem Ruf der Jobcenter und der übergeordneten Stellen Bundesagentur und Arbeitsministerium guttun, die zuletzt etwa durch das Bewerben des Bürgergeldes in arabischer Sprache für Schlagzeilen gesorgt hatten.
Den kompletten Artikel der Rheinischen Post können Sie hier lesen, der Meinungsbeitrag von Wolfgang Steiger für WELT findet sich hier.