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Pressemitteilung 29.01.2025
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Wirtschaftsrat: Brüssel hat den Schuss nicht gehört

Astrid Hamker: „Wettbewerbsfähigkeit erreicht man nicht durch industriepolitischen Dirigismus und Koordinierung“

Mittwoch, 29. Januar. Die Europäische Kommission stellt heute ihren „Kompass für Wettbe­werbsfähigkeit“ vor, der an den Analysen des Draghi-Reports zur Wettbewerbsfähigkeit der EU ansetzt. Aus den Herausforderungen der EU leitet der Kompass politische Handlungsfelder ab, wie die Verkleinerung der Produktivitäts- und Innovationslücke zu den USA und China, die Verringerung strategischer Abhängigkeiten sowie die Vereinbarkeit von Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit. „Diese Themen sind bereits bekannt. Entscheidend wird sein, ob der Kompass tatsächlich neue Impulse für wirksame Maßnahmen setzen kann“, sagt Astrid Hamker, Präsidentin des Wirtschaftsrates. Dabei hinterlassen die Vorschläge der EU-Kommission beim Wirtschaftsrat einen gemischten Eindruck.

Erkennbar ist der Handlungsdruck zur Deregulierung und Vereinfachung von EU-Regulierung bei der EU-Kommission angekommen. „Der eigens hierfür eingesetzte Kommissar für Umsetzung und Vereinfachung des EU-Rechtsrahmens muss jetzt allerdings auch liefern. Es geht vor allem darum, das Regulierungsdickicht aus Widersprüchlichkeiten, kumulativen Auswirkungen und Redundanzen der EU-Gesetze aufzulösen“, so Hamker. Hierbei gehörte allerdings auch die nationale Umsetzung mit in den Fokus, ergänzt die Präsidentin des Wirtschaftsrats: „Deutschland ist leider bekannt dafür, EU-Recht überzuerfüllen und damit erst zur eigentlichen Bürokratie beizutragen. Das ‚German Goldplating‘ ist ein Bärendienst für den Ansatz der Harmonisierung in der EU“, kritisiert Hamker auch die deutschen Gesetzgeber.

So ehrenwert das Motiv der EU-Kommission ist, mit dem Wettbewerbskompass zu einem besseren regulatorischen Umfeld für die Wirtschaft beizutragen, so enttäuschend ist der zweite Teil des Kompasses. „Die Europäische Kommission glaubt leider noch immer, die Integration des EU-Binnenmarktes über eine interventionistische vertikale Industriepolitik zu koordinieren“, kritisiert die Wirtschaftsrats-Präsidentin. „Offenbar haben die Brüsseler Beamten noch immer nicht den Schuss gehört.“ Es sind nicht Brüssel und die EU, die entscheiden, welche Industrien und Technologien förderungs- oder schutzwürdig seien, betont Astrid Hamker. „Eine tragfähige Politik für die Industrien Europas schafft wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen nicht nur durch weniger Regulierung, sondern auch durch bessere Finanzierungsbedingungen in einem europäischen Finanzbinnenmarkt.“ Gerade im Hochtechnologiebereich könnten weder Politik noch Institutionen mit der Dynamik von technologischen Entwicklungen schritthalten. „Nur ein Europäischer Binnenmarkt im Wettbewerbsrahmen der Sozialen Marktwirtschaft kann mit dieser Dynamik umgehen, die Subventionsmaschine versagt hier“, ist Hamker überzeugt.

Der Kompass für Wettbewerbsfähigkeit greife daher auch zurecht die Vertiefung des EU-Binnenmarktes auf. „Die Notwendigkeit, eines tieferen und integrierten europäischen Finanzmarktes ist hinlänglich bekannt. Nach über zehn Jahren Diskussion zu einer Kapitalmarktunion müssen hier die EU und führende Volkswirtschaften, wie Frankreich und Deutschland, vorangehen.“ Es werde sich spätestens nach der Bundestagswahl in Deutschland zeigen, ob Brüssel mit Paris und Berlin gemeinsam Impulse für eine auf Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtet EU-Politik setzen können. Sonst verliere der Kompass seine Orientierung.