Wirtschaftsrat: Europäische Zentralbank muss klares Signal für grundsätzlichen Paradigmenwechsel aussenden
Wolfgang Steiger: Der angestrebte Nullzins bis September kann bei acht Prozent Inflation nicht das angestrebte Ziel sein
Berlin, 09.06.2022. Der Wirtschaftsrat der CDU e.V. erhofft sich von der Europäische Zentralbank (EZB) auf ihrer heutigen Sitzung ein klares Signal für einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel. „Ähnlich wie die fehlende Versorgungssicherheit in der Energiepolitik, ist auch die Inflation die Folge einer bewussten Politik und von politischen Fehlern. Mehrere Währungshüter haben in den letzten Tagen zwar endlich einen Kurswechsel signalisiert. Doch ein in Aussicht gestellter Zinsschritt reicht bei Weitem nicht aus. Vielmehr muss die EZB einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel einleiten, um einem fatalen Vertrauensverlust entgegenzuwirken“, ist Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates überzeugt.
„Vertrauen ist die kostbarste Währung der Notenbank. Doch das Vertrauen in die EZB ist massiv angeschlagen. Nachdem sie die Inflation erst nicht hat kommen sehen, dann irrtümlich als vorrübergehendes Phänomen unterschätzt hat, darf sie nun keinesfalls Zweifel an ihrer Entschlossenheit aufkommen lassen, die hartnäckige Teuerung zu bekämpfen. Das wäre Wasser auf den Mühlen der Kritiker, die befürchten, dass die EZB viel stärker die Schuldentragfähigkeit der Euro-Schuldenländer im Blick hat, deren Staatsschulden sie monetarisiert, als den dramatischen Kaufkraftverlust der Normalbürger“, sagt Wolfgang Steiger.
„Die EZB muss deshalb einen klaren Zinserhöhungspfad aufzeigen und aus den Erfahrungen der letzten Jahre eine Präzisierung ihres Instrumentenkastens ableiten. Dazu gehört auch ein Verbot von Negativzinsen“, fordert Wolfgang Steiger. „Negativzinsen sind ein planwirtschaftliches Konzept und haben rein gar nichts mit Marktwirtschaft zu tun. Zudem sind klare Vorgaben für den Ankauf von Wertpapieren hinsichtlich Art der Papiere, Umfang und Haltedauer erforderlich. Die niedrigen Zinsen haben eine wahnwitzige Rekordverschuldung ermöglicht. Umso wichtiger ist deshalb auch das deutliche Signal - die Beeinflussung oder gar Steuerung der Zinsdifferenzen zwischen Staatsanleihen der Euro-Länder gehört nicht zum Auftrag der Notenbank“, betont der Generalsekretär des Wirtschaftsrates.
EZB-Direktoriumsmitglied Philipp Lane hat Zinsschritte von jeweils 25 Basispunkten für Juli und September als „Benchmark-Geschwindigkeit“ bezeichnet. Damit wäre die EZB jedoch erst wieder bei der Nulllinie. „Ein Nullzins bei acht Prozent Inflation als angestrebtes Ziel zu bezeichnen, passt einfach nicht zur Realität von Verbraucher und Wirtschaft, die durch die hohe Inflation belastet und verunsichert werden“, kritisiert Wolfgang Steiger. Die von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufene "konzertierte Aktion" verschiebt die Verantwortung zur Inflationsbekämpfung hin zu Unternehmen und Gewerkschaften. Doch Unternehmen und Gewerkschaften können nicht lösen, was Geld- und Fiskalpolitik angestoßen haben. „Noch immer drückt die Geldpolitik Liquidität in die Märkte und eine Fiskalpolitik suggeriert alle Härten abfedern zu können. Dabei wirken auch defizitfinanzierte Entlastungspakete, die grüne Transformation oder höhere Mindestlöhne inflationär“, sagt Wolfgang Steiger.