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Standpunkt 05.06.2024
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Standpunkt Steiger: Zerschellt die deutsche Klimapolitik an der Realitätsklippe?

Wirtschaftspolitische Kolumne des Generalsekretärs des Wirtschaftsrates Wolfgang Steiger

Wirtschaftsflaute, Stagflation, Haushaltskrise – vor diesem tristen Hintergrund wirkte Bundeswirtschaftsminister Habeck vor wenigen Wochen besonders erfreut, einmal positive Nachrichten verkünden zu können.  "Deutschland ist auf Kurs - erstmals", hatte der Wirtschaftsminister stolz mit Blick auf die prognostizierte Erreichung der Klimaziele für 2030 ausgerufen. Selbst die unmittelbaren Einwürfe, dass der präsentierte Erfolg doch teuer durch den Einbruch und die Abwanderung der Industrie erkauft sei, konnten die Freude nicht trüben. Ebenso wenig der Hinweis auf beschönigende Effekte und statistischen Rückenwind. Durch die Abschaltung der letzten Kernkraftwerke ist Deutschland zum ersten Mal seit vielen Jahren Netto-Stromimporteur geworden. Da im Ausland erzeugter Strom auf die deutschen Emissionszahlen jedoch nicht angerechnet wird, verbessert sich unsere Treibhausgasbilanz, obgleich konventionell erzeugter Strom etwa aus Kohle- oder Erdgaskraftwerken einen substanziellen Anteil der Importe ausmacht.

Doch nun widerspricht der unabhängige Expertenrat für Klimafragen dem Bundeswirtschaftsminister sogar im Grundsatz. Der Expertenrat geht - ganz im Gegensatz zum Minister – von einer Zielverfehlung aus. Nahezu zeitgleich meldet sich die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi zu Wort und warnt vor einer gesellschaftlichen Überforderung durch die grüne Transformation. Arbeitsplätze seien in Gefahr. Es gelte jetzt den europäischen Green Deal anzupassen, Produktionskapazitäten in Europa aufrechtzuerhalten und das Transformationstempo hin zur Klimaneutralität zu hinterfragen. Volltreffer und volle Zustimmung! Leider folgt dieser treffgenauen Analyse die einfallslose und mittlerweile fast obligatorische Attacke auf die Schuldenbremse. Es zeugt von erschreckender Ambitionslosigkeit, wie ein Teil der Politik die Schuldenbremse für jedes Problem verantwortlich macht. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis der erste Politiker behauptet, die Dinosaurier seien nur deshalb ausgestorben, weil sie ihren Nachkommen keine Schulden hinterlassen wollten und deshalb auf den Milliardenkredit zum Bau eines Asteroiden-Abwehr-Lasers verzichtet haben.

Doch zurück zur Klimapolitik. Es ist offensichtlich, dass Klimapolitik nur dann Nachahmer finden wird, wenn sie Hand in Hand mit zunehmendem Wohlstand geht und eben nicht auf Kosten von Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit.  Während wir uns jedoch selbst weiterhin einreden, dass unsere Energiepolitik weltweit Vorbildcharakter besitzt, ist die deutsche Energiewende längst dabei, durch Kostenexplosionen und Versorgungsunsicherheiten im Ausland zum Abschreckungsbeispiel dafür zu werden, wie sich ein einst blühender Industriestaat durch eine verfehlte Energiepolitik selbst ruiniert.

Anstatt die notwendige Kurskorrektur endlich einzuleiten, macht Wirtschaftsminister Robert Habeck einfach Friedrich Merz und die Union verantwortlich für die derzeitigen wirtschaftlichen Probleme Deutschlands. Bezeichnend auch die Reaktion des Stellv. Fraktionsvorsitzenden der GRÜNEN Audretsch: „Wir wollen Spitzentechnologie der Zukunft, CDU und CSU treten eine Kampagne nach der anderen dagegen los – gegen die Wärmepumpe, gegen E-Autos, gegen Wind- und Solarenergie. Genau so gefährdet man die Zukunftsfähigkeit Deutschlands, Wohlstand und Job-Sicherheit… Sie wollen den europäischen „Green Deal“ zerstören und Deutschland mit überholten fossilen Technologien aufs Abstellgleis schieben.“

An solchen Aussagen offenbart sich das Dilemma, im dem die deutsche Klimapolitik festzustecken scheint. Es geht in der Diskussion zu häufig nicht mehr um komplizierte Abwägungen Differenzierungen und die Frage nach Effizienz, sondern um Codes und Glaubensbekenntnisse.  Man ist für E-Autos, Wärmepumpen und Erneuerbare oder gegen Klimaschutz. Die Welt wird in ein Gut-Böse-Schema eingeteilt und die Komplexität der energie- und klimapolitischen Zusammenhänge auf gefährliche Weise reduziert. Gutes Handeln wird dann in erster Linie durch die richtige Gesinnung zum Ausdruck gebracht und nicht durch positive Handlungsfolgen. Das mündet zwangsläufig in plakative Forderungen nach Verboten und Beschränkungen. Diese Bevormundung kontrastiert allerdings fundamental mit dem individualistischen Menschenbild des eigenverantwortlich handelnden Menschen, das der Wirtschaftsordnung der Sozialen Marktwirtschaft zugrunde liegt, wie sie in den konstituierenden Prinzipien von Walter Eucken zum Ausdruck kommt.

Wir brauchen ein grundlegendes Umsteuern. Die Klimapolitik muss wie jedes andere Politikfeld von den Bürgern getragen werden und auf ihre freiwillige Zustimmung bauen – ordnungspolitische Grundprinzipien dürfen deshalb nicht länger unbeachtet bleiben. Deshalb müssen wir künftig dahin kommen, die Kosten der Klimapolitik anhand von Kosten-Nutzen-Analysen zu evaluieren. Ebenso real wie die drohenden Schäden durch den Klimawandel, sind die Kosten ineffizienter und schlechter Maßnahmen verminderter Emissionen und sie treffen vor allem die Schwächsten. Es muss gelingen, Marktwirtschaft und Klimaschutz zu verbinden. Wettbewerb und Technologieoffenheit sind dafür die notwendigen Leitlinien.