Standpunkt-Steiger: "Und täglich ein Sondervermögen"
Laut Internationalem
Währungsfonds ist Deutschland weltweites Wachstumsschlusslicht. Zudem erleben wir die höchsten Nettoabflüsse von Unternehmenskapital, die es in
Deutschland je gab. Ausländische Direktinvestitionen – ein unbestechlicher
Gradmesser für die Anziehungskraft eines Landes – sind auf
dramatische Tiefstände gesunken und auch immer mehr heimische Unternehmen
sprechen dem Standort die Wettbewerbsfähigkeit ab und tätigen Ersatz- und
Erweiterungsinvestitionen lieber im Ausland. Es gibt dafür eine Reihe
offensichtlicher Gründe, die eben nicht kurzfristig konjunkturell, sondern tief
strukturell sind. Durch die im internationalen Vergleich hohen Energiepreise
verlieren viele einheimische Unternehmen augenscheinlich ihre preisliche
Wettbewerbsfähigkeit. Dazu kommen hohe Steuersätze, ein demographisches
Problem, Digitalisierungsrückstand, zerfallende Infrastruktur, quälend lange
Genehmigungsverfahren und vor allem auch eine völlig aus dem Ruder laufende
Bürokratie und Regelungswut.
„Resignation vermag das Schicksal nicht zu wenden; es gibt grundsätzlich keine wirtschaftliche Situation, aus der nicht Wille und Vernunft Auswege und Wege zu neuem Aufstieg finden lassen.“ Dieses Zitat bringt die Herausforderung auf den Punkt. Es ist eine Aussage von Ludwig Erhard aus dem Jahr 1945. Von seinem unerschütterlichen Optimismus und seinem tiefen Zutrauen in Eigenverantwortung, Freiheit und Marktkräfte – den Ingredienzien, die später zum Wirtschaftswunder führten - ist bislang bei der Ampel allerdings wenig zu spüren. Im Gegenteil: Weder Wille noch Vernunft scheinen Orientierungspunkte. Anstatt die schallende Ohrfeige des Bundesverfassungsgerichts als Chance zu ergreifen, ihren augenscheinlich gescheiterten Irrweg von selbstüberschätzender politischer Steuerung, prall gefüllten Fördertöpfen, neuen Schulden, lähmender Regulierung und gelenkten Investitionen aufzugeben und eine echte Reformkoalition zu werden, werden im Wochentakt neue schuldenfinanzierte Sondervermögen ins Spiel gebracht. Alle Probleme wären gelöst, wenn wir nur die Schuldenbremse endlich abschaffen oder zumindest verwässern würden, so der beständige Grundton des rot-grünen-Ampelteils.
Diese Erzählung ist gleichermaßen falsch wie gefährlich. Statt die Probleme entschlossen anzupacken und die Standort- und Rahmenbedingungen zu verbessern, geht es anscheinend immer darum, problematische Strukturen und die Folgen einer ineffizienten interventionistischen Wirtschaftspolitik über Verschuldung in die Zukunft zu schieben. Die letzte Ausprägung dieser Erzählung ist der Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister Habeck die Unternehmensbesteuerung innovationsfreundlicher zu gestalten. Ohne Frage ist es der richtige Ansatz, im Hochsteuerland Deutschland über eine Senkung der Unternehmenssteuern nachzudenken. Doch eine solche Reform muss auch über strukturelle Anpassungen im Budget abgebildet und gegenfinanziert werden. Ansonsten werden die Standortbedingungen eben nicht verbessert, sondern Probleme mit Blick auf die Demografie langfristig sogar verschärft.
Es entsteht zunehmend der Eindruck, dass mit immer neuem Anstrich, die gleichen wirtschaftspolitischen Konzepte eingebracht werden, die zuvor entweder zurecht als Ladenhüter abgewiesen wurden oder deren völlige Untauglichkeit sich bereits erwiesen hat. Der Blick nach Europa etwa zeigt doch eindrucksvoll, dass politische Wachstumsprogramme eben keine Wundermittel sind. Denn genau der Weg einer schuldenfinanzierten Investitionsoffensive, den Habeck nun so offensiv für Deutschland fordert, ist hier in den letzten Jahren gleich mehrfach krachend gescheitert. Als „Hamilton-Moment“, „historische Chance für Europa“ und „kopernikanische Wende“ wurde der EU-Wiederaufbaufonds noch vor kurzem bezeichnet. Erstmalig erhielt die EU eine eigene Verschuldungskompetenz und hunderte Milliarden sollten den EU-Staaten bei der Transformation und zum wirtschaftlichen Aufschwung helfen. Wie bei den Vorgängerprogrammen wurde die Wachstumswirkung massiv überschätzt. Nach der Finanzkrise startete Europa im Juli 2009 bereits den sogenannten „European Economic Recovery Plan.” Ein Konjunkturprogramm und Stimulus von 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, um „Millionen von Arbeitsplätzen“ zu schaffen und dafür zu sorgen, dass Europa gestärkt aus der Krise kommt. Der Juncker Plan wurde kurz danach als „Investment Plan für Europa“ gefeiert und hat 360 Milliarden Euro mobilisiert. Das Ergebnis all dieser Programme war niederschmetternd. Die Wachstumsraten schwach, Produktivitätssteigerungen kaum vorhanden, Investitionstätigkeiten nahmen keine Fahrt auf.
Die von Robert Habeck vorgeschlagenen Maßnahmen basieren auf einem weiteren eklatanten Denkfehler. Sie zielen nicht auf die Verbesserungen der Rahmenbedingungen ab, sondern sollen Klimainvestitionen ermöglichen, die dann - so wird unterstellt - positiv auf das Wirtschaftswachstum wirken. Doch was ist, wenn Klimaschutzinvestitionen wachstumspolitisch gar nicht Teil der Lösung sind, sondern ein Verstärker des Problems? Verstehen Sie mich nicht falsch. Es gibt elementare Gründe für die Dekarbonisierung und ohne Frage bietet dieser Prozess vielen Unternehmen sogar tolle Möglichkeiten und neue Geschäftsfelder. Das macht die Geschichte jedoch volkswirtschaftlich noch lange nicht zu einer Wachstumsstory. Und es ist erst recht kein Grund, den notwendigen Ordnungsrahmen für einen starken Wirtschaftsstandort erodieren zu lassen. Damit die gewaltigen Investitionen einen massiven Wachstumsschub auslösen, müssten sie produktivitätssteigernd wirken. Anders als bei anderen Investitionen wird bei der Dekarbonisierung der Kapitalstock jedoch nicht auf- sondern umgebaut. Klimainvestitionen sind eben primär auf den Klimaschutz und nicht auf Produktivitätseffekte ausgelegt. Wir brauchen in dieser Debatte mehr Ehrlichkeit, mehr Differenzierung und mehr Fokus auf Markt, Innovationen und Technologieoffenheit statt auf Verbote, Regulierung und Vorgaben. Wir müssen zudem dahin kommen, die Kosten der Klimapolitik wie bei alle anderen Politikbereichen anhand von Kosten-Nutzen-Analysen zu evaluieren. Ebenso real wie die drohenden Schäden durch den Klimawandel, sind die Kosten ineffizienter und schlechter Maßnahmen verminderter Emissionen und sie treffen vor allem die Schwächsten.