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WR-Info 29.03.2023
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Wirtschaftsrat bezeichnet Ergebnisse des Koalitionsausschusses als „Durchwachsen“

Wolfgang Steiger: „Weitere Konflikte werden bei Haushaltsberatungen aufkommen.“

Der Wirtschaftsrat gibt zu den Ergebnissen nach den mehrtägigen Verhandlungen der Regierungskoalition ein durchwachsenes Urteil ab. "Es fällt nach dem Beratungsmarathon zunächst einmal auf, was nicht Einzug in das vorliegende Ergebnispapier gefunden hat: Die angekündigten Maßnahmen führen mitunter zu deutlichen Ausgaben des Bundeshaushaltes, aber keine Aussagen zu einer möglichen Budgetbeschränkung bzw. zu einem Finanzierungsvorbehalt stehen im Papier. Interessant ist zudem, dass weitere Grundsatzthemen der Koalition, etwa die Kindergrundsicherung, nicht einmal auf der Agenda standen. Insgesamt lassen sich die Ergebnisse so deuten, dass sich die FDP mit ihrem haushaltspolitischen Kurs durchgesetzt hat und man den grünen Koalitionspartner nicht „vorführen“ wollte. Weitere Konflikte zum Bundeshaushalt werden und spätestens in den weiteren Haushaltsberatungen wieder aufkommen. Da müssen wir beim Heizungsverbot und der Kindergrundsicherung sehr gespannt bleiben", befürchtet Generalsekretär Wolfgang Steiger. Aber immerhin habe die Ampelkoalition noch Handlungsfähigkeit bei Planungsverfahren und Sektorzielen gezeigt.

Die Ergebnisse im Einzelnen

Klimapolitik: Beim Thema Klimaschutz sieht der Wirtschaftsrat die gestrige Einigung der Ampelkoalition insgesamt skeptisch. Die Aufgabe starrer Sektorziele ist jedoch eindeutig positiv zu werten. Bei einer fortschreitenden Sektorintegration ist der gesamte CO2-Ausstoß die relevante Zielgröße, nicht irgendwelche Einzelwerte, die ohnehin zunehmend einen willkürlichen Charakter erhalten. Zu begrüßen ist ausdrücklich die Ankündigung der Ampel, die Kohlenstoffabscheidung (CCS) zuzulassen, die derzeit gesetzlich noch verboten ist, sowie die Rücknahme nationaler Lösungen zugunsten des europäischen Emissionshandels. Wir müssen ideologiefrei alle Optionen für den Klimaschutz nutzen. Und dort, wo es mit dem Emissionshandel bereits eine gute europäische Lösung gibt, können wir rein nationale Maßnahmen wieder zurücknehmen.

Planungsverfahren: Der Wirtschaftsrat begrüßt des Weiteren die Absicht der Ampel, Genehmigungsverfahren für den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu beschleunigen und zusätzliche Flächen bereitzustellen. Eine gewisse Skepsis indes bleibt, ob diese Absichtserklärungen schnelle Erfolge bringen werden, denn auch frühere Bundesregierungen haben solche Absichtserklärungen abgegeben. Letztlich sind es aber Landesbehörden, Landratsämter und Kommunen, die die Verfahren durchführen und über deren Dauer entscheiden. Die selbst ernannte Fortschrittskoalition darf sich – vor allem beim Thema Planung- und Genehmigungsverfahren – wohl nur aufgrund der Hartnäckigkeit und Nehmerqualitäten der FDP so bezeichnen. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass eine Planungsbeschleunigung, so wie es die Grünen gefordert hatten, eben nicht auf nur einige wenige Teilbereiche der Infrastrukturpolitik begrenzt bleibt. Auch im Netz des Hauptverkehrsträgers Straße gibt es marode Brücken, Stauschwerpunkte und Engpässe, die den Verkehrsfluss stark beeinträchtigten. Besonders die CDU wird es hierbei freuen, dass die Koalition mit der Errichtung von Solarparks am Rande von Autobahnen auf eine Vorlage der Berliner CDU zurückgegriffen hat, die mit der Idee der „Klimaautobahn“ in den Wahlkampf gezogen und die von den Berliner Grünen noch belustigt abgelehnt worden war.

Verkehr: Mit der Verständigung auf die verstärkte Nutzung des Potenzials von E-Fuels und damit synthetischer Kraftstoffe dürfte die von den Grünen lange torpedierte Technologieoffenheit garantiert und diese vollkommen unnötige Debatte endlich beendet sein.

Die Absenkung der Mautgrenze auf Nutzfahrzeuge ab 3,5 Tonnen schließt eine Regelungslücke im bestehenden Mautregime und wird sicher dazu beitragen, die zunehmenden Versprinterung des Straßengüterverkehrs einzubremsen. Vor allem osteuropäische Anbieter nutzen bislang die Mautlücke, in dem Güter in mehreren kleinen statt einem großen Fahrzeug auf die Strecke gebracht werden, und sorgen auch damit für mehr Fahrzeuge auf den Straßen. Zu begrüßen dabei ist, dass der Handwerkerverkehr von der Mautpflicht ausgenommen bleibt. Konsequent indes wäre es gewesen, hätte sich die Koalition zugleich auf die Zulassung größerer Maße und Gewichte verständigt. Denn zwei dieser Fahrzeuge ersetzen drei Lkw herkömmlichen Typs. Ein umfassender Einsatz dieser Lkw-Kombinationen würde den täglichen Schwerlastverkehr um bis zu 13 Prozent reduzieren. Das spart wertvolle Ressourcen und senkt die Emissionen pro transportierter Tonne.

Eindeutig auf Kritik indes muss die beschlossene grundsätzliche Anhebung der Lkw-Maut durch eine CO2-Komponente und Umlenkung von erheblichen Teilen der Zusatzeinnahmen in die Schiene stoßen. Das ist nichts anderes als Symbolpolitik zu Lasten des von den grünen so gehassten Straßengüterverkehrs. Bereits heute ächzt die hierzulande vor allem mittelständisch geprägte Branche unter wettbewerbsschädigenden hohen Kosten. Der Spediteur wird jetzt abermals bluten, der Schiene aber werden die Mehreinnahmen kaum helfen. Denn den kurzfristigen Investitionsbedarf in die Schiene beziffert die Ampel bis zum Jahre 2027 selbst mit unglaublichen 45 Milliarden Euro. Ersten Schätzungen zu Folge könnten sich die Mehreinnahmen aus der nun vorgesehenen CO₂-Komponente der Lkw-Maut auf bis zu 8 Milliarden Euro belaufen. Es ist aus der Vereinbarung zudem nicht ersichtlich, ob dieses Geld der Schiene on top zukommt oder lediglich in den regulären Schienenetat einfließt. Damit hätte die Ampel wie beim Heizungsknockout einmal mehr mit einem Federstrich zwei Verlierer produziert. Das darf nicht das neue Deutschland-Tempo werden.

Gebäudesektor: Als fatal wird sich in der weiteren politischen Debatte noch erweisen, dass die Ampel sich beim Thema Gebäudeenergiegesetz noch nicht einigen konnte. Die Bau- und Heizungsindustrie braucht dringend Planungssicherheit. Es ist nicht akzeptabel, dass immer noch nicht klar ist, welche gesetzlichen Rahmenbedingungen ab Januar 2024 gelten werden. Die Ampel darf diese Entscheidungen nicht auf die lange Bank schieben, sondern muss zügig entscheiden. Auch der Minimalkonsens einer Verständigung auf „ausreichende Übergangszeiträume“ oder Härtefallregelungen für den vorgeschriebenen Heizungstausch ändert am grundsätzlichen Fakt einer fehlenden gemeinsamen Regierungsposition und vor allem der noch immer gegebenen finanziellen Überforderung der Eigenheimbesitzer, der Wohnungswirtschaft, der Mieter nichts. Fernwärmenetze als für alle Beteiligten günstigste Lösung stehen flächendeckend nicht zur Verfügung. Wärmepumpen sind nur für einen Bruchteil der Bestandsbauten geeignet, und die sog. Wärmewende erfordert als Begleiterscheinung des Heizungstauschs oftmals massive energetische Zusatzinvestitionen. Das Heizungsverbot ist und bleibt keine Maßnahme für mehr Klimaschutz, das Heizungsverbot bleibt ein tiefer Griff in die Taschen der Bürger– betroffen vor allem die Mitte der Gesellschaft.