Alterssicherungspolitik: 180-Grad-Wende erforderlich

Ihr Sofortprogramm hat die Große Koalition eigentlich auf den Weg gebracht, um die deutsche Wirtschaft aus der Krise zu führen und damit den Menschen in unserem Land wieder bessere Lebensperspektiven zu geben. Gerade hat der Juni die dreißigste Erhöhung der saisonbereinigten Arbeitslosigkeit in Folge gezeigt, allein das verdeutlicht, wie dringend wir die Kehrtwende benötigen. Vor diesem Hintergrund ist es umso unverständlicher, dass Union und SPD davon auszugehen scheinen, dass noch höhere Sozialabgaben und perspektivisch noch höhere Steuern, wie sie mit den zusätzlichen teuren Rentengeschenken zwangsläufig einhergehen, dem Arbeitsmarkt und unserer gebeutelten Wirtschaft helfen.
Bei der gekappten Stromsteuer-Entlastung für Bürger und Betriebe ist die Große Koalition nur allzu bereitwillig mit Verweis auf finanzielle Realitäten vom Koalitionsvertrag abgewichen. Erst recht muss eine solche Abweichung bei den avisierten Rentengeschenken und den damit verbundenen Milliardenkosten angesichts der sich fortsetzenden Wirtschaftskrise möglich sein, denn keinesfalls dürfen deutsche Unternehmen durch noch höhere Sozialabgaben und Steuern tiefer in den Abgrund gerissen werden, keinesfalls dürfen die fleißigen Bürger mit noch weniger Netto vom Brutto abgespeist werden.
Doch ganz im Gegenteil beschleunigt die Große Koalition zu allem Überfluss das Tempo in die falsche Richtung. Denn die nächste Ausbaustufe der Mütterrente soll laut Koalitionsausschuss 2027 bereits ein Jahr früher als ursprünglich angedacht kommen – mit zusätzlichen 4,5 Milliarden Euro an Rentenkosten. Darüber hinaus will Bundesarbeits- und -sozialministerin Bärbel Bas nun auch über das Jahr 2030 hinaus, anders als im Koalitionsvertrag angelegt, ein dauerhaft höheres Rentenniveau. Die jährlichen Mehrkosten zulasten der Steuer- und Beitragszahler belaufen sich dann auf zweistellige Milliardenbeträge.
Zugleich führt die Große Koalition ihre geplante Rentenkommission ad absurdum, wenn diese ihre Vorschläge erst machen darf, nachdem die Regierung das Kind längst in den Brunnen geworfen hat – Stichwort Rentenpaket.
Statt zusätzlicher Belastungen benötigen wir dringend eine Entlastung der Beitrags- und Steuerzahler. Vorrangig sind:
- Absage an zusätzliche Rentengeschenke: Wir können uns diese schlicht und ergreifend nicht leisten, noch erheblich weniger als eine umfassende Abschaffung der Stromsteuer.
- Einsammeln der Rentenpakete ehemaliger Koalitionen – Grundrente, vorherige Stufen der Mütterrente, Rente mit 63 etc.: Jetzt, da die ersten geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand treten und damit der demografische Wandel zuschlägt, müssen wir alle Spielräume nutzen, um den Beitragssatzanstieg halbwegs im Zaum zu halten.
- Koppelung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung: Perspektivisch ist eine Regelaltersgrenze jenseits des 67. Geburtstages die einzige Möglichkeit, um bei steigender Lebenserwartung das Verhältnis von Beitragszahlern und Rentenempfängern und damit die Rentenbeiträge halbwegs im Lot zu halten. Die meisten anderen EU-Staaten sind hier bereits viel weiter als Deutschland.
- Beseitigung aller Frühverrentungsanreize – Rente mit 63, subventioniert niedrige Abschläge für den vorzeitigen Renteneintritt etc.: Dies muss der erste Schritt sein, um Beschäftigte länger im Erwerbsleben zu halten. Geradezu widersinnig wäre es dagegen, Menschen weiterhin mit staatlichen Milliardenbeträgen zuerst in den vorzeitigen Ruhestand zu drängen, um dann mit weiteren staatlichen Milliardenbeträgen – Stichwort „Aktivrente“ – gegenzusteuern und Menschen länger im Erwerbsleben halten zu wollen.
- Stärkung der eigenverantwortlichen kapitalgedeckten Altersvorsorge: Diese dritte Säule der Alterssicherung wird immer wichtiger, um die demografieanfällige gesetzliche Rentenversicherung zu entlasten. Längst überfällig ist hierfür eine Reform der Riester-Rente, die mehr Investitionen in Aktien und damit eine höhere Rendite erlaubt. Auch das ursprünglich von der FDP entwickelte Konzept des Altersvorsorgedepots war ein grundsätzlich positiver Ansatz zur Förderung des Vermögensaufbaus für einen auskömmlichen Ruhestand.
Wir brauchen eine 180-Grad-Wende in der Alterssicherungspolitik und in den Sozialsystemen: Gerade erst hat die Ampel-Koalition die einst als absolute Obergrenze geltende 40-Prozent-Marke bei den Sozialabgaben pulverisiert, da steuert die Große Koalition bereits munter auf 45 Prozent Sozialabgaben bis zum Ende der Legislaturperiode zu. Dabei wurde die Sprengkraft der neuerlichen Rentenpaket-Bombe auf unser Sozialsystem noch nicht einmal berücksichtigt. Bis 2035 drohen sogar 50 Prozent Sozialabgaben, wenn wir nicht gegensteuern. Setzen dagegen CSU und SPD ihre teuren Rentenprojekte tatsächlich durch und bürden damit den Beitrags- und Steuerzahlern enorme Zusatzlasten auf, dann nimmt der Wirtschaftsstandort schweren Schaden, leistungsbereite Bürger werden demotiviert, junge Menschen aus dem Land getrieben und ausländische Fachkräfte abgeschreckt. Keinesfalls darf der Bundestag dem Koalitionsausschuss folgen und nach der Sommerpause das Paket für noch schneller steigende Rentenkosten passieren lassen!