Bürgergeld überwinden, Transferempfänger zur Arbeitsaufnahme motivieren
Der Kompromiss des Koalitionsausschusses auf dem Weg hin zu einer neuen Grundsicherung greift wichtige Forderungen des Wirtschaftsrates auf, sollte jedoch noch geschärft werden: Künftig sollten Transferempfänger die Aufgabe haben, ihre eigenen Anstrengungen zur Überwindung ihrer Notlage unter Beweis zu stellen, ihre Arbeitsbereitschaft sollte durch Arbeitsgelegenheiten im öffentlichen Interesse systematisch überprüft und die Regelsätze sollten abgesenkt werden.
Die Union trommelt für einen „Herbst der Reformen“ und macht richtigerweise klar: Es braucht einen ebenso grundlegenden Richtungswechsel wie unter dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder mit der Agenda 2010. Damals standen die Arbeitsanreize für Transferempfänger besonders im Fokus – Stichwort „Hartz-Reformen“, und auch diesmal muss vor allem die Motivation zur Arbeitsaufnahme kräftig gestärkt werden, denn:
- Das „Bürgergeld“ sprengt finanziell zunehmend den Rahmen – im laufenden Jahr fallen hierfür Kosten von 52 Milliarden Euro an.
- Immer mehr Menschen richten sich dauerhaft im Transferbezug ein – 770.000 Erwerbsfähige beziehen seit fünf Jahren oder länger Grundsicherung, insgesamt 3,9 Millionen Erwerbsfähige leben von „Bürgergeld“. Gleichzeitig fehlen der Wirtschaft massenweise die Arbeitskräfte – auch im zweiten Quartal 2025 waren rund 1,1 Millionen Stellen unbesetzt, davon 28 Prozent für Unqualifizierte.
- Das Prinzip „Selbsthilfe, wo immer möglich, und mit Vorrang vor gesellschaftlicher Solidarität“ ist Grundlage des Subsidiaritätsprinzips und damit der Sozialen Marktwirtschaft.
Denn Ludwig Erhard hat als Leitbild für seine Wirtschaftsordnung formuliert: „Ich will mich aus eigener Kraft bewähren. Ich will das Risiko des Lebens selbst tragen, will für mein Schicksal selbst verantwortlich sein. Sorge du, Staat, dafür, dass ich dazu in der Lage bin.“ Solch ein wirtschafts- und sozialpolitischer Kompass ermutigt Bürger, Glück und Erfüllung durch eigene Anstrengungen zu finden, er vermittelt Aufstiegsmöglichkeiten. Diese Form subsidiär verstandener Sozialpolitik richtet sich am Grundsatz „Hilfe zur Selbsthilfe“ aus. Sie passt auch zu christlichem Menschenbild und katholischer Soziallehre, zurückgehend auf Papst Pius XI. und den deutschen Jesuiten Oswald von Nell-Breuning; das Grundprinzip: Eigenverantwortung, wo immer möglich, als Element der Menschenwürde. Gleichzeitig ist es Ausdruck von Leistungsgerechtigkeit, wenn derjenige, der arbeitet, deutlich mehr hat als derjenige, der nicht arbeitet.
Das rot-grün geprägte „Bürgergeld“ stellt diese Gerechtigkeitsvorstellungen auf den Kopf, indem es die Menschen in die Grundsicherung drängt. Der Begriff „Bürgergeld“ suggeriert den Anspruch auf Transferzahlungen eines jeden auf Kosten des Steuerzahlers. Umso dringender brauchen wir die Kehrtwende: Eigenanstrengung muss stets Vorrang vor Unterstützung durch die Solidargemeinschaft haben!
Die demotivierende Wirkung des „Bürgergeldes“ auf die Arbeitsaufnahme ist Gegenstand von Analysen: Angesichts der Ergebnisse einer aktuellen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die eine Verringerung der Erwerbsaufnahme durch die Einführung des „Bürgergeldes“ belegt, dringt der Wirtschaftsrat auf eine stärkere Ausrichtung auf Arbeitsanreize und Eigenverantwortung. Der Geschäftsführer des Jobcenters Berlin-Spandau erklärte jüngst, dass die Transferempfänger zu 30 bis 50 Prozent der Termine in seinem Jobcenter nicht erschienen seien. Eine aktuelle Umfrage des IAB unter 3.000 Mitarbeitern von Jobcentern hat ergeben: Zwei Drittel von ihnen sind überzeugt, dass manche Menschen nur unter der Androhung harter Kürzungen wieder ins Jobcenter kommen. Für ebenfalls zwei Drittel sind die derzeitigen Anwendungsregelungen für Sanktionen realitätsfern, also schlecht anwendbar und wenig wirksam.
Die Folge sind aus dem Ruder laufende Kosten. Allein in diesem Jahr müssen die Steuerzahler mit 52 Milliarden Euro für die Empfänger des „Bürgergeldes“ aufkommen. Wenn es gelingt, eine signifikante Zahl der 3,9 Millionen Erwerbsfähigen unter ihnen in Arbeit zu bringen, erspart dies den öffentlichen Haushalten nicht nur die „Bürgergeld“-Zahlungen für die Empfänger mit ihren Angehörigen. Zusätzlich fließen dann noch Steuern und Sozialabgaben ins Staatssäckel. Wiederum das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit hat ermittelt: Wenn es gelingt, 100.000 Transferempfänger in Beschäftigung zu bringen, entlastet dies die öffentlichen Kassen um drei Milliarden Euro jährlich. Setzt man die siebenstellige Zahl unbesetzter Stellen und die 3,9 Millionen erwerbsfähigen „Bürgergeld“-Empfänger in Relation und geht davon aus, dass eine Million von ihnen durch „Fördern und Fordern“ zur Arbeitsaufnahme motiviert werden können, so bedeutet dies für die öffentlichen Kassen eine Entlastung um 30 Milliarden Euro jedes Jahr – ein enormer Schritt zur Haushaltskonsolidierung!
Damit der gelingen kann, sind dem Ansatz der Union und der Expertise der Jobcenter-Mitarbeiter folgend die Transferempfänger stärker zu fordern: Wer dem Steuerzahler weiter auf der Tasche liegen will, ohne sich selbst nach Kräften eigenverantwortlich um seinen Lebensunterhalt zu be-mühen, der muss in letzter Konsequenz den Anspruch auf staatliche Unterstützung verlieren. Zu-recht hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass derjenige, der eine zumutbare Arbeit ab-lehnt, als nicht bedürftig anzusehen ist und dementsprechend keinen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen hat. Die Bundesregierung ist auf dem richtigen Wege, wenn sie, wie vom Koalitionsausschuss beschlossen, für hartnäckige Verweigerer das „Bürgergeld“ komplett streichen möchte.
Zwar besteht seit März 2024 die Möglichkeit, Regelleistungen für bis zu zwei Monate auszusetzen, doch wegen des hohen bürokratischen Aufwandes hat es seitdem nur eine niedrige zweistellige Zahl derartiger Komplettstreichungen gegeben. So beklagen auch die Jobcentermitarbeiter die realitätsfernen, schlecht anwendbaren Sanktionsregeln. Umso zentraler ist die noch von der Bundesregierung aufzugreifende Forderung des Wirtschaftsrates, die Arbeitsbereitschaft der Transferempfänger flächendeckend durch Heranziehung zu nicht entlohnten Tätigkeiten im öffentlichen Interesse zu überprüfen und bei Verweigerung die Grundsicherung komplett zu streichen. Nur Transferempfänger, die solche Tätigkeiten antreten, haben ihre grundsätzliche Einsatzbereitschaft unter Beweis gestellt und dürfen Unterstützungsleistungen von der Solidargemeinschaft erwarten. Diese Vorgehensweise beseitigt den hohen bürokratischen Aufwand zur Identifizierung und Sanktionierung arbeitsscheuer Transferempfänger. Ein solcher Weg ist umso gangbarer, als das Bundesverfassungsgericht die Heranziehung von Transferempfängern zu nicht entlohnten Maßnahmen ausdrücklich als zumutbar klassifiziert hat.
Darüber hinaus ist das „Bürgergeld“ grundsätzlich zu beschränken. Die übermäßigen Erhöhungen der Grundsicherung in den Jahren unter der Ampelkoalition müssen zurückgenommen werden. Sparsamkeit und Zielgenauigkeit bei Transferleistungen sind wir den regelmäßig hart arbeitenden Beitrags- und Steuerzahlern schuldig, die mit ihren Geldern den deutschen Sozialstaat finanzieren, etwa den Beschäftigten in Industrie, Verkehr, Handwerk, Logistik, Pflege und vielen weiteren Be-reichen, die mit ihrer Arbeit das Land am Laufen halten, damit aber am Ende oftmals nicht viel mehr für ihren Lebensunterhalt zur Verfügung haben als Transferempfänger. Die Kürzung der Grundsicherung ist auch ein Beitrag zur Haushaltskonsolidierung und schafft Spielräume zur Entlastung der Leistungsträger.
Der Wirtschaftsrat appelliert an die Bundesregierung, insbesondere an Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas, die im Koalitionsvertrag angekündigte Reform schnellstmöglich umzusetzen und das schädliche „Bürgergeld“ so schnell wie möglich zu überwinden. Wichtige Weichenstellungen hierfür hat der Koalitionsausschuss beschlossen, weitere müssen noch hinzukommen.