Cybersicherheit und Digitalisierung im Koalitionsvertrag – eine wirtschaftspolitische Einordnung

Die neue Bundesregierung unter dem aller Voraussicht nach nächsten Kanzler Friedrich Merz MdB setzt im Koalitionsvertrag ein klares Signal: Sicherheit, digitale Souveränität und technologische Resilienz sollen zu zentralen politischen Prioritäten werden. Aus Sicht der Bundesfachkommission Cybersicherheit des Wirtschaftsrates begrüßen wir diese Ausrichtung ausdrücklich – zugleich ist eine konsequente Umsetzung mit Augenmaß, Effizienz und klarer Kompetenzverteilung erforderlich.
Digitalministerium und Staatsmodernisierung
Die Schaffung eines eigenständigen Digitalministeriums – vom Wirtschaftsrat lange gefordert – ist ein wichtiger Schritt zur Steuerung und Koordination der digitalen Transformation. Entscheidend wird sein, dass dieses Ressort echte Gestaltungskompetenz erhält und nicht in Zuständigkeitskonflikten mit bestehenden Ministerien versinkt.
Cybersicherheit: Zentralisierung und strategische Steuerung
Die Bundesregierung bekennt sich zur Aufwertung der Cybersicherheitsarchitektur. Ein Nationaler Sicherheitsrat, ein Lagezentrum im Kanzleramt sowie ein erweiterter Nationaler Krisenstab sind vorgesehen. Auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) soll zur zentralen Koordinierungsstelle zwischen Bund und Ländern ausgebaut werden – eine seit Langem geforderte Maßnahme.
Wir unterstützen das Ziel, Cybersicherheit ressortübergreifend und abgestimmt zu denken. Dabei muss klar definiert werden, ob das BSI künftig dem Digitalministerium oder dem Innenressort zugeordnet ist – eine unklare Verortung würde die Handlungsfähigkeit schwächen.
Rechtliche Rahmenbedingungen: EU-Vorgaben umsetzen
Die Koalition kündigt an, die NIS-2-Richtlinie sowie das KRITIS-Dachgesetz zügig umzusetzen. Auch das BSI-Gesetz soll novelliert werden. Diese Gesetzesinitiativen sind überfällig und aus Sicht des Wirtschaftsrats elementar, um für Planungssicherheit, klare Compliance-Vorgaben und Investitionssicherheit zu sorgen.
Innere Sicherheit und Vorratsdatenspeicherung
Die Rückkehr zur IP-bezogenen Vorratsdatenspeicherung (drei Monate) sowie erweiterte Überwachungsbefugnisse für Sicherheitsbehörden markieren einen Kurswechsel. Rechtskonformität und die Wahrung digitaler Bürgerrechte sind zu beachten, da Wirtschaft und Gesellschaft auf Rechtssicherheit und Vertrauen angewiesen sind.
Digitale Souveränität und europäische Technologiekompetenz
Der Wirtschaftsrat begrüßt grundsätzlich die strategische Ausrichtung auf eine stärkere digitale Eigenständigkeit Europas. Die Unterstützung der Euro-Stack-Initiative unterstreicht das Ziel, zentrale digitale Wertschöpfung künftig verstärkt auf europäischer Ebene abzubilden. Dies ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr technologischer Resilienz und Unabhängigkeit.
Sicherheits- und Verteidigungsforschung stärken
Die geplante Förderkulisse für sicherheitsrelevante Forschung inklusive Cybersicherheit und Dual-Use-Technologien ist wesentlich für den Innovationsstandort Deutschland. Eine engere Verzahnung von Bundeswehr, Forschungseinrichtungen und Industrie bietet Chancen – auch für den Mittelstand.
Desinformation und Plattformregulierung
Die Bekämpfung von Desinformation wird als sicherheitspolitische Aufgabe betrachtet. Die Durchsetzung des Digital Services Act (DSA) und klare Regeln für Plattformen sind begrüßenswert. Gleichzeitig sind praxisnahe und wirtschaftlich tragfähige Lösungen erforderlich, um die digitale Öffentlichkeit zu stärken, ohne übermäßige Regulierungslasten zu schaffen.
Fazit: Der Koalitionsvertrag greift viele langjährige Forderungen des Wirtschaftsrates auf – insbesondere in den Bereichen Digitalisierung, Sicherheitsarchitektur und Forschung. Entscheidend ist nun eine stringente Umsetzung mit klaren Zuständigkeiten, gesicherter Finanzierung und engem Schulterschluss mit der Wirtschaft. Deutschland braucht ein zukunftsfähiges, innovationsorientiertes Sicherheits- und Digitalprofil – nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Praxis.