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16.01.2025
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Der Fluch der 100 Gigawatt

Gedanken zur Umsetzung der Energiewende von Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates
©Adobe Stock

Die installierte Stromerzeugungsleistung bei der Photovoltaik beträgt mittlerweile fast 100 Gigawatt. Ist das nun positiv oder negativ? Grundsätzlich ist Strom aus Photovoltaik oder auch Windstrom aus Klimaschutzgründen positiv, aber die derzeitige Umsetzung der Energiewende ist aus zwei Gründen katastrophal:

Erstens haben wir oft zu viel Strom und manchmal zu wenig.

Tatsache ist: die Spitzenlast an Werktagen mit voller Industrieproduktion beträgt nur 80 Gigawatt, an Sonn- und Feiertagen im Frühjahr und Sommer sogar weit darunter. Wenn dann in Deutschland überall die Sonne scheint und die Photovoltaik volle Leistung liefert, und zusätzlich noch die Windkraftanlagen, können die vorhandenen Stromnetze den ganzen Strom nicht bewältigen und drohen zusammenzubrechen. Dann hätten wir von einer Minute auf die andere keinen Strom mehr. Wenn wir dagegen, was vor allem im Januar und Februar nicht selten ist, für eine oder zwei Wochen eine geschlossene Wolkendecke und kaum Wind haben, dann liefern Sonne und Wind so gut wie keinen Strom. Dann bräuchten wir Kraftwerke im Umfang von 80 Gigawatt. Konkret heißt das, dass wir im Grunde zwei komplette Stromerzeugungssysteme benötigen würden – das aber kann niemand bezahlen.

Zweitens ist Strom aus Photovoltaik oder auch Windstrom nur scheinbar günstig.

Natürlich sind die reinen Produktionskosten von Sonnen- und Windstrom unschlagbar gering. Dabei wird aber oft nicht mitbedacht, dass der Strom zum Verbraucher transportiert werden muss. Und solange wir jedermann erlauben, an selbstgewählten Standorten Photovoltaik- und Windstromanlagen zu bauen und damit Geld zu verdienen, die dafür notwendigen neuen und immer teurer werdenden Stromanschlussleitungen aber von der Allgemeinheit bezahlt werden müssen, wird der Grünstrom am Ende für den Verbraucher immer teurer und die Industrie wandert ab. Außerdem sind die aktuellen Förderregeln so ungünstig gestaltet, dass die Verbraucher sogar für Strom zahlen müssen, der nicht produziert wird. Wir brauchen in Deutschland dringend eine Gesamtsteuerung der Energiewende: das Marktdesign und die Förderregeln müssen so umgestaltet werden, dass zusätzliche Grünstrom-Erzeugungsanlagen nur noch dort entstehen, wo sie für das Gesamtsystem und die Verbraucher nützlich sind. Ansonsten bekommen wir eine Stromlotterie, wo niemand mehr weiß, wann es Strom gibt und zu welchem Preis. Wenn Deutschland Industrieland bleiben soll, müssen wir dringend umsteuern.