Ernährungsstrategie: „Ja“ zur guten Gemeinschaftsverpflegung - „Nein“ zur Ideologie!
Wer in diesen Tagen die Stichworte „Ernährungsstrategie der Bundesregierung“ hört, springt meistens sofort zum (zu Recht) vielfach kritisierten Lebensmittelwerbeverbot, das Teil dieser Strategie ist. Weniger Beachtung findet die Gemeinschaftsverpflegung, die freilich gleichsam Teil der Ernährungsstrategie ist und die im Fokus der aktuellen Beratungen der Bundesfachkommission Handel, Ernährung, Verbraucherschutz stand. Denn auch dem Kapitel Gemeinschaftsverpflegung mangelt es – trotz allen guten Willens – nicht an Kritikwürdigkeit.
So soll die sog. Gemeinschaftsverpflegung, also das Essen in deutschen Kantinen, in Kita- und Schulspeisungen, in Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen mit höheren Anteilen an ökologisch erzeugten und auch regionalen Produkten versehen werden und damit „qualitativ hochwertig und ausgewogen“ sein. Grundsätzlich sollen hierbei die pflanzlichen Alternativen gestärkt werden.
Eine kurze Nebenbemerkung: die gesamte Ernährungsstrategie strotzt nur so von Indizien, dass der Fokus klar auf pflanzenbetonter Ernährung liegt und sie den zumindest hin und wieder fleischkonsumierenden Normalbürger mit staatlich-mächtiger Hand umerziehen möchte.
Davon abgesehen leidet auch dieser Teil der Ernährungsstrategie an der „grünen Krankheit“, mithin der Entkoppelung von der Realität. So lobenswert der Ansatz ist, Kindern, Senioren und anderen Adressaten eine gesunde Verpflegung zu ermöglichen, so verlockend gefährlich ist auch der Glaube an eine einfache Lösung qua Vorschrift „von oben“.
In ihren Beratungen stimmte die Bundesfachkommission daher überein: Viele wichtige Fragen bleiben bei derartigen Vorschriften in den meisten Fällen ungeklärt. Gerade die Finanzierung ist hier als wichtiger Punkt vorrangig zu nennen. Bio-Produkte sind bekanntermaßen deutlich hochpreisiger als herkömmlich erzeugte Lebensmittel. Auch sind die Betriebe, welche die Strategie umsetzen müssten, aufgrund der Corona-Krise und Inflation häufig ohnehin schon finanziell angeschlagen und gar nicht zu einer adäquaten Umsetzung in der Lage. Außerdem steht zu bezweifeln, ob ein sprunghaft steigender Bedarf an regionaler Bio-Ware überhaupt gedeckt werden könnte. Ferner muss beachtet werden, dass gesundes Essen insbesondere von Kindern nicht immer als lecker empfunden wird. Blinde Zielvorgaben würden also die Gefahr der Lebensmittelverschwendung sogar erhöhen. Und schließlich ist es nicht nachzuvollziehen, dass Essen in der Universität nicht besteuert wird, Caterer in den Schulen und Kindertagesstätten aber dem vollen Mehrwertsteuersatz unterliegen.
Im Übrigen mangelt es der Ernährungsstrategie im Allgemeinen und der Gemeinschaftsverpflegung im Besonderen an der nötigen Abstimmung. Erstens werden auf Länderebene unterschiedliche Ernährungsstrategien verfolgt, was zu einem Flickenteppich an Regelungen führt. Zweitens fehlt es auch innerhalb der Ministerien am notwendigen Austausch. Eine Ernährungsstrategie muss mindestens mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung abgestimmt werden, um effektiv zu wirken.
Festzuhalten bleibt: Eine gesetzgeberisch verpflichtende Zielvorstellung ohne Ohr für die besseren Argumente, ohne Finanzierungsvorstellung und ohne konkrete und klare Handlungsanweisung ist und bleibt aktionistische Ideologie. Vor der Verabschiedung zwingender Normen sind daher Pilotprojektierung und Modellversuche gefragt, um Anforderungen Stück für Stück zu erproben und der Praxis die nötige Zeit zur Umsetzung und vor allem zur Rückmeldung zu geben.