Europa muss seine Wettbewerbsfähigkeit sichern
Europa steht vor Veränderungen, die Zeit des Abwartens ist vorbei. Das machte EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen auf dem Weltwirtschaftsforum klar. Der Wirtschaftsrat hat sich in den vergangenen Wochen ebenfalls mehrfach positioniert und klare Forderungen an die EU und Deutschland gerichtet: Um die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und inter-national nicht den Anschluss an die USA und China zu verlieren, braucht es eine explizit formulierte Außenhandelsstrategie, die sich an eindeutig definierten wirtschaftlichen und politischen Interessen orientiert. Außerdem muss Deutschland wieder eine Führungsrolle in der EU einnehmen, die dessen wirtschaftlicher Potenz gerecht wird. Als größte Volkswirtschaft inner-halb der EU darf sich Deutschland nicht zurücknehmen und Verantwortung auf andere übertragen. Es muss mit gutem Beispiel vorangehen sowie klare Positionen und Interessen innerhalb und außerhalb der EU vertreten. Denn sicher ist: Wirtschaftspolitische Interessen Deutschlands sind auch wirtschaftspolitische Interessen der EU.
In den vergangenen Wochen hat der Wirtschaftsrat die wirtschaftspolitischen Implikationen und Herausforderungen, die sich für die EU aus einer zweiten Amtszeit Donald Trumps ergeben, im Rahmen einer Serie von Highlight-Webtalks diskutiert – zuletzt zusammen mit David McAllister MdEP, Vorsitzender des gewichtigen Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament. Dabei unterstützte McAllister die Position des Wirtschaftsrates, dass sich die EU auf sich selbst konzentrieren müsse. Die EU und auch Deutschland müssten aufhören, sich von den USA abhängig zu machen, allein indem sie nur auf Entwicklungen reagieren, statt zu agieren. Es sei offensichtlich, dass die transatlantischen Beziehungen zentral für Deutschland seien und auch zukünftig sein würden.
Dennoch ist laut David McAllister allen Beteiligten klar, dass die EU dringend Reformen benötige. Dabei sei zu betonen, dass es nicht an korrekten Diagnosen mangele. Die EU habe kein Er-kenntnis-, jedoch ein signifikantes Handlungsproblem. Es fehlten bisher der Mut und ein klarer Plan für eine Kurskorrektur. Dabei lägen die kurz- und mittelfristigen Schwerpunkte der EU auf dem Tisch:
1. die eigene Wettbewerbsfähigkeit durch Deregulierung stärken
2. eine gemeinsame Handelsstrategie erarbeiten
3. institutionelle Reformen angehen
4. die eigene Sicherheits- und Verteidigungsfähigkeit ausbauen
Für den Wirtschaftsrat ist klar: Das Ziel der kommenden EU-Legislaturperiode muss sein, die eigene Wettbewerbsfähigkeit wieder zu stärken. In den letzten Jahren ist die Produktivität der EU im Vergleich zu den USA langsamer gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf beträgt in der Europäischen Union gemessen an der Kaufkraftparität aktuell nur etwa 72 Prozent des US-Niveaus. Im Trend droht die EU den Anschluss zu verlieren. Dies gilt es umzukehren.
Die EU-Kommission arbeitet bereits an Plänen, wie die eigene Wettbewerbsfähigkeit wieder gestärkt werden kann. Mit einem Competitive Compass hat die EU-Kommission diese Woche Leitlinien vorgestellt, welche politischen Schwerpunkte sie setzen und entsprechende Handlungen ableiten will: Zentral sind die Deregulierung und Vereinfachung von EU-Gesetzen, beispielsweise bei der EU-Lieferkettenrichtlinie sowie Nachhaltigkeitsberichtspflichten. Dazu wird die EU-Kommission im Februar ihr Omnibus Simplification Package mit konkreten Deregulierungsmaßnahmen vorstellen. Die EU-Kommission sieht aber auch die Notwendigkeit zu einer besseren Koordinierung der nationalen Umsetzung von EU-Recht. Hier ist insbesondere Deutschland ein schlechter Ausreißer, der EU-Vorgaben übererfüllt oder dessen föderale Umsetzung zu Absurditäten führt.
Der Wirtschaftsrat stellt in diesem Jahr unter anderem das Kernthema Bürokratieabbau und Deregulierung in den Vordergrund. Daher werden wir die Entwicklungen der EU besonders eng auf unterschiedlichen Ebenen begleiten.