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14.12.2023
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Wirtschaftsrat fordert weniger Bürokratie im Gesundheitswesen

Rascher Bürokratieabbau notwendig, um die Ressourcen im Gesundheitswesen effizienter nutzen zu können.
©Adobe Stock (Fantastic)

Der Wirtschaftrat fordert dringend Maßnahmen zur drastischen Reduzierung von Dokumentations- und Verwaltungsaufgaben im Gesundheitswesen, damit sich die Gesundheitsfachkräfte wieder auf das Wesentliche fokussieren können: die direkte und optimale Patientenversorgung.

Der Generalsekretär des Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger, betont: „Die unverhältnismäßige Last der Bürokratie gefährdet nicht nur die Effizienz des Gesundheitssystems, sondern auch die Qualität der Versorgung. Wir fordern die Bundesregierung auf, folgende Punkte in die politische Arbeit aufzunehmen:

  • Die sofortige Reduzierung von Dokumentations- und Verwaltungsaufgaben, um das Pflege- und medizinische Personal darauf zu konzentrieren, Patienten zu versorgen, ohne die Effizienz des Systems zu beeinträchtigen. In der ambulanten und stationären Versorgung sollte eine erneute Einreichung von Dokumenten vermieden werden, um beispielsweise bereits geprüfte Nachweise nicht erneut einreichen zu müssen. Regelungen zur Abrechnung sind häufig unklar definiert und werden von Prüfern und Krankenhäusern unterschiedlich interpretiert. Hier sind rechtssichere Regelungen erforderlich, die mit minimalem Prüfaufwand umgesetzt werden können. Besonders aufwendig sind die Anfragen und Begutachtungen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen. Hier besteht dringender Reformbedarf. Darüber hinaus sind die elektronische Übermittlung von Schiedsstellenanträgen und die elektronische Ausfertigung von Vergütungsvereinbarungen rasch umzusetzen.
  • Die effizientere Nutzung von Informationstechnologie und elektronischen Patientenakten zur Vereinfachung von Dokumentationsprozessen. Der flächendeckende Einsatz des E-Rezepts würde ebenfalls zu einer erheblichen Entlastung der Ärzte führen. Darüber hinaus sollte Digitalisierung als ganzheitliches Konzept neu gedacht werden. So können Patientinnen und Patienten heute noch nicht digital unterschreiben. Dies führt trotz elektronischer Patientenakte zu zusätzlicher Bürokratie. Die elektronische Signatur muss schnellstmöglich ermöglicht werden.
  • Einen besseren Umgang mit Daten. Datennutzung statt übertriebenem Datenschutz sollte der Grundgedanke für eine sinnvolle digitale Reform im Gesundheitswesen sein. Wir fordern eine Orientierung an bereits bestehenden, weniger bürokratisch gestalteten Systemen in der EU.
  • Die verstärkte Schulung des Personals, um den Verwaltungsaufwand zu minimieren und die Patientenversorgung zu maximieren.
  • Die Abschaffung oder zumindest Absenkung der Personaluntergrenzenquote in der Pflege. Auch wenn die Abschaffung vorzuziehen wäre, müsste bei einer Absenkung zumindest darauf geachtet werden, dass der bürokratische Aufwand drastisch reduziert wird. Der Nutzen der Quote steht in keinem Verhältnis zum bürokratischen Aufwand, der durch die Kontrolle der Quote entsteht. Eine Überarbeitung der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV) und  der Pflegepersonalregelung (PPR 2.0) ist somit dringend notwendig.
  • Die Abschaffung oder zumindest Absenkung unnötiger Personalvorgaben in der Psychiatrie. Die Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-​Richtlinie (PPP-RL) setzt unrealistische Strukturvorgaben voraus und ist bei anerkanntem Fachkräftemangel auszusetzen, um die vorhandenen personellen Ressourcen zu schonen und unnötigen Dokumentationsaufwand zu vermeiden.
  • Die Anpassung überzogener Qualifikationsanforderungen an Führungskräfte in der Pflege. Angesichts des Fachkräftemangels ist dies unverzichtbar zur Sicherung der Pflegeversorgung. 

Die Tragweite überbordender bürokratischer Vorschriften in der medizinischen Versorgung ist dramatisch. Gemäß einem Bericht des Marburger Bundes verbringe mittlerweile jeder vierte Arzt im Krankenhaus (26 %) mehr als drei Stunden täglich mit administrativen Aufgaben, die über rein ärztliche Tätigkeiten hinausgehen. Jeweils etwa ein Drittel schätze den täglichen Zeitaufwand für Verwaltungsaufgaben auf ein bis zwei Stunden (33 %) oder zwei bis drei Stunden (29 %). Lediglich 11 % gäben an, dass sie weniger als eine Stunde täglich für Datenerfassung, Dokumentation und Organisation benötigen. Die Vereinfachung der Bürokratie hat für die Mehrheit der Mediziner höchste Priorität: 70 Prozent der Ärzte im Krankenhaus halten eine solche Entbürokratisierung für „sehr wichtig“ (44 %) oder sogar „am wichtigsten“ (26 %).

Das Ärzteblatt geht von einem erheblichen Aufwand auch in der Pflege aus. Laut einer Untersuchung von 2022 investiere fast ein Viertel der Pflegekräfte mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit in administrative Aufgaben. Zusätzlich hätten zwei Drittel der Befragten in den letzten fünf Jahren eine signifikante Zunahme bürokratischer Anforderungen festgestellt.

Die momentane Fehlverwendung von Personalressourcen für Dokumentationsaufgaben anstelle für die direkte Patientenversorgung ist inakzeptabel.

Ärzte und medizinisches Personal dürfen nicht Opfer eines überbürokratisierten Systems werden. Um die Versorgungssicherheit vor dem Hintergrund der Bevölkerungsalterung und des Fachkräftemangels zu gewährleisten, ist es unabdingbar, dass bürokratische Prozesse im Praxisalltag abgebaut werden. Die Zeiten, in denen sich Ärzte und Angehörige der Gesundheitsberufe einer so umfassenden bürokratischen Kontrolle unterwerfen müssen, als seien sie Kriminelle, müssen zu Ende gehen.