„Die wirtschaftspolitische Lage Bremens ist desaströs“
Am 28. November 2022 fand die Jahresmitgliederversammlung des Wirtschaftsrates Bremen in den Räumlichkeiten der Deutsche Bank AG statt. In seiner Begrüßungsansprache gab der Landesvorsitzende Jörg Müller-Arnecke einen pointierten Überblick zur aktuellen politischen Situation in Bremen und im Bund.
In Hinblick auf die Bundesebene sei die Hoffnung, dass „die FDP den Kompass der Sozialen Marktwirtschaft lesen, verstehen und umsetzen kann“, verloren gegangen, bedauerte er. Immerhin sei der ehemalige Wirtschaftsrats-Vizepräsident Friedrich Merz dazu fähig, die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft im politischen Alltag zu vertreten.
Die Probleme auf Landesebene seien jedoch noch gravierender. Bremens Haushalt werde fehlinvestiert und mit weiteren Schulden belastet. „Kinder aus finanzschwachen Haushalten haben kaum eine Chance auf einen Bildungsaufstieg“, beklagt Müller-Arnecke die Bildungspolitik. Die Bildungssenatorin sei nicht in der Lage, die bildungspolitischen Probleme in Bremen zu bewältigen.
Verkehrspolitische Neuerungen seien ebenfalls nicht oder nur schleppend umgesetzt worden, und Forderungen, wie die der Grünen nach der Abschaffung des Flughafens, erschienen realitätsfern. Sicherheitspolitisch scheine der Hauptbahnhof nicht mehr in den Griff bekommen zu bekommen sein, und die offene Drogenszene breite sich dort scheinbar ungebremst weiter aus. Auch in der Baupolitik würden Fortschritte durch hohen Bürokratieaufwand erschwert.
Der Landesvorsitzende hinterfragte insbesondere die Wirtschaftspolitik des Senats kritisch. Es seien zu wenig gewerblich nutzbare Flächen vorhanden, es gebe keinen Plan für die Belebung des Einzelhandels in der Innenstadt, und die Entwicklung der bremischen Häfen könne nicht mit den Konkurrenzhäfen im Westen mithalten. Darüber hinaus stünden nicht genügend Bewerber für die vorhandenen Ausbildungsplätze zur Verfügung. Müller Arnecke bezeichnete die wirtschaftspolitische Lage für Bremens als „desaströs“. „Nur mit einer stabilen und wachsenden Wirtschaft schaffen wir es, die massiven sozialen Probleme im Land zu lösen, was allerding die aktuelle Landesregierung ganz offensichtlich nicht verstanden hat!“ Der Landesvorsitzende unterstrich, dass er die Aufgabe des Wirtschaftsrates nicht nur darin sehe, Stellung zu diesen Themen zu beziehen, sondern auch darin, sich aktiv mit dem vorhandenen Knowhow in politische Diskussionen einzubringen, um mehr „unternehmerischen Verstand“ im Parlament vertreten zu können.
Im Anschluss an die Rede des Landesvorsitzenden berichtete Landesgeschäftsführer Steffen Lenke über die Entwicklungen des Landesverbandes im zurückliegenden Jahr und gab einen Ausblick auf das kommende.
Die aktuelle Mitgliederzahl liege bei knapp 300, das Durchschnittsalter der Mitglieder sei im Vergleich zum Vorjahr um zwei auf 52 Jahre gesunken. Die Sektion Bremen wurde 2022 als Sektion des Jahres ausgezeichnet.
Der Landesgeschäftsführer nannte einige der vergangenen Highlight-Veranstaltungen, wie jene zur „Sicherheit als Standortfaktor für Bremen“ mit Innensenator Ulrich Mäurer oder das Sommerfest des Wirtschaftsrates, bei dem der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Christian Dürr zu Gast war. Insgesamt hätten mehr als 950 Mitglieder und Gäste an den Veranstaltungen des Jahres teilgenommen.
2023 seien unter anderem eine Diskussionsveranstaltung mit Carsten Linnemann MdB, stellvertretender Vorsitzender der CDU Deutschland, und eine Podiumsdiskussion zur Mobilität in einer modernen Stadt geplant.
Im Anschluss fand die Wahl des Landesvorstandes statt. Der Landesvorsitzende Jörg Müller-Arnecke, geschäftsführender Gesellschafter der Velum Verwaltungs GmbH, wurde dabei ebenso wie sein Stellvertreter, Florian Würzburg, Rechtsanwalt und Notar bei der HSP RECHT Würzburg & Partner Rechtsberatungsgesellschaft mbB Notar, im Amt bestätigt.
Als weitere Vorstandsmitglieder wurden gewählt: Ralf Behrend, Geschäftsführer der Teleo-Logistics GmbH; Dirk Briese, geschäftsführender Gesellschafter der trend:research GmbH Institut für Trend-und Marktforschung Bremen; Jan-Oliver Buhlmann, CEO der Buhlmann Rohr Fittings Stahlhandel GmbH & Co. KG; Christiane Kundel, Geschäftsführerin der Kundel Treuhand GmbH WPG STBG; Dieter Schmidt, Vorstand der Detlef Hegemann AG; Andreas Schomaker, Geschäftsführer PSF Dienstleistungen GmbH; Dr. Thomas Ull, Partner und Standortleiter bei der PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, sowie Philipp von der Heide, geschäftsführender Gesellschafter der dextra facility management GmbH & Co. KG.
Nils Wrogemann, Marktgebietsleiter Firmenkunden Bremen der Deutsche Bank AG, rundete als Hausherr die Veranstaltung mit seiner Rede über die Entwicklungen des Bankhauses ab. Es sei nicht einfach, trotz Gegenbewegung der Märkte zu wachsen. Investitionen in Digitalisierung seien äußerst wichtig, um zukunftsfähig zu bleiben. Investitionen würden zudem benötigt, um den Wandel der Wirtschaft hin zu einer nachhaltigen Industrie bewältigen zu können. Neben der Energiewende sei ein weiteres wichtiges Thema, das die Deutsche Bank beschäftige, der Fachkräftemangel. Dabei sei es erforderlich, junge Nachwuchskräfte zu erreichen und sich auf nachfolgende Generationen einzustellen, was auch ein wichtiges Thema für den Wirtschaftsrat Bremen sei.
„Es ist eine bewegte Zeit, in der wir uns befinden“, so Wrogemann. Besonders für den Mittelstand würden die kommenden Monate herausfordernd, doch viele hätten sich mit neuen Finanzierungsformen gut vorbereitet. Dies könne große Zuversicht für die kommende Zeit geben.