Cookie-Einstellungen

Bericht
27.04.2022
Drucken

"Ein kalter Krieg ist immer noch besser als ein heißer Krieg"

Business Lunch mit Prof. Dr. André W. Heinemann, Visiting Professor der Kyiv National Economic University (KNEU).
©None

Die Ukraine muss seit dem am 24. Februar 2022 durch die Russische Föderation begonnenen und vom Internationalen Gerichtshof verurteilten Angriffskrieg um ihre nationale Integrität und Souveränität kämpfen. Doch wie sieht der Status Quo aus und welche Zukunft hat die Ukraine?

Diese Frage stellte der Wirtschaftsrat Bremen im Rahmen seines Business Lunches Prof. Dr. André W. Heinemann,  dem im März 2018 der Status  eines Visiting Professor an der Kyiv National Economic University (KNEU) verliehen wurde. Damit verbunden sind regelmäßige Gastaufenthalte an der KNEU einschließlich regelmäßiger Lehrveranstaltungen.

Die seit der Unabhängigkeit im Jahr 1991 durchaus westlich orientierte Ukraine
gehöre mit einem Bruttoinlandsprodukt von 155 Milliarden USD zu den lower-middle-income countries. Nichtsdestotrotz habe sich die Ukraine für die Bundesrepublik Deutschland zu einem wichtigen Handelspartner in Bezug auf Nahrungsmittel, Futtermittel und Metalle entwickelt.

Seit Ausbruch des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges habe sich die gesellschaftspolitische Lage in der Ukraine drastisch verändert und mehr als fünf Millionen Menschen dazu veranlasst, ihr Heimatland zu verlassen. Prof. Dr. Heinemann schilderte, dass seit dem 10. März auch zwei Professoren aus Kiew an der Universität Bremen Zuflucht gefunden hätten. Um die Aufrechterhaltung der universitären Einrichtungen zu gewährleisten, würden die Studenten aktuell hauptsächlich online betreut. Trotzdem würden weiterhin Angebote für Studenten in der Ukraine benötigt.

Insgesamt attestierte Prof. Heinemann der Bundesrepublik Deutschland ein schnelles und gut koordiniertes Vorgehen bei der Unterbringung ukrainischer Flüchtlinge und der Integration in das Bildungssystem. Darüber hinaus rief er dazu auf, die wissenschaftliche und wirtschaftliche Zusammenarbeit zu intensivieren.

Gleichwohl stehe er einem übereilten Beitritt der Ukraine in die Europäische Union kritisch gegenüber, der nur über ein regelkonformes Beitrittsverfahren zu realisieren sei. Über die im Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrages geregelte Beistandspflicht würde bei einer Aufnahme der Ukraine ein zusätzliches enormes Konfliktpotential geschaffen.

Die Ukraine stehe daher nach Ansicht von Prof. Dr. Heinemann vor einer ungewissen Zukunft. Eine Kapitulation halte er auf beiden Seiten für unwahrscheinlich. Für realistischer halte er hingegen einen Waffenstillstand. Trotzdem sei „ein kalter Krieg immer noch besser als ein heißer Krieg“, so Heinemann.

Unklar sei zudem ob sich der russische Präsident Wladimir Putin mit den Gebieten in der Ost-Ukraine zufrieden geben würde. Ein dauerhafter Verlust des Zugangs zum Schwarzen Meer würde außerdem einen enormen Nachteil in der wirtschaftlichen und geopolitischen Stellung der Ukraine bedeuten.

Nichtsdestotrotz seien Maßnahmen erforderlich, denn „nur durch Worte lassen sich die Waffen nicht zum Schweigen bringen“, ergänzte der Professor. Erst das tatenlose Zusehen bei der Annexion der Krim im Jahr 2014 habe Präsident Wladimir Putin ermutigt, weitere Schritte zu unternehmen.