„Der Weltraum ist kein waffenfreier Raum mehr“
Der Wirtschaftsrat Bremen hat mit einer Kickoff-Veranstaltung im Veranstaltungssaal der OHB SE seine neue Landesfachkommission Sicherheitstechnik, Luft- und Raumfahrt ins Leben gerufen.
In ihrer Begrüßung hob die Kommissionsvorsitzende Chiara Pedersoli, Vorstand Engineering und AIT der OHB SE hervor, die größte Herausforderung in der Luftfahrt sei es, diese klimaneutral zu machen. Auch bei der Raumfahrt müsse ein Umdenken erfolgen: Der Weltraum sei gerade dabei, neben Luft, Land, See und dem Cyberraum zum fünften Kriegsschauplatz zu werden. „Der Weltraum ist kein waffenfreier Raum mehr und gleichzeitig von höchster Relevanz für unser heutiges Leben“, so Pedersoli. So befinde sich im Weltraum unser Kommunikations- und Navigationsnetz. Man könne hier also von kritischer Infrastruktur sprechen, die nicht nur unser alltägliches Leben bestimmt, sondern auch für das Militär essenziell sei.
Mit 140 Unternehmen in der Luft- und Raumfahrtbranche sei Bremen die „City of Space“ und habe mit der höchsten Beschäftigungsdichte in der Luft- und Raumfahrt bereits einen besonderen Standortvorteil erzielt. Diese Bedeutung werde durch die neue Landesfachkommission zusätzlich unterstrichen, deren Namensgebung den Zeitgeist treffe und zukunftsorientiert sei.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Röwekamp, Mitglied im Bundesverteidigungsausschuss, machte die „Zeitenwende“ zum Kern seines politischen Impulses. Dabei gehe es nicht nur darum, Gelder zur Verfügung zu stellen; stattdessen sei es erforderlich, ein Umdenken in der gesamten Gesellschaft herbeizuführen.
Röwekamp begrüßt die Einrichtung der neuen Landesfachkommission, denn
Bremen sei ein bedeutender Innovationsgeber und auch, obwohl dies in der Öffentlichkeit häufig unbekannt sei, ein bedeutender Standort für die Rüstungsindustrie. Daher sei eine Verbindung der Themen Luft- und Raumfahrt mit der Sicherheitstechnik optimal und passend für die Hansestadt gewählt. „Auch im Hinblick auf die Zeitenwende kommen auf die neue Landesfachkommission große Aufgaben zu“, so Röwekamp.
Generalleutnant Michael Vetter, Abteilungsleiter Cyber / Informationstechnik, Bundesministerium der Verteidigung, begann seine Ausführungen mit der Feststellung: „Der Cyberinformationsraum liegt eigentlich im Weltraum.“ Deutlich werde dies bei den Kommunikations- und Navigationssystemen, die alle angewiesen seien auf die Satelliten im Orbit. Vetter verwies auf den Ukrainekrieg und die Bereitstellung von Starlink durch Elon Musk zur Aufrechterhaltung der ukrainischen Kommunikationsfähigkeit. Auch habe man beobachten können, wie Russland bereits mit einer kinetischen Rakete militärisch im Weltraum aktiv geworden sei, um einen Satelliten abzuschießen. Die Bedrohung sei also bereits real.
Konflikte würden heutzutage im Cyberraum vorbereitet und teilweise sogar dort ausgetragen. „Daher müssen wir dort gesamtgesellschaftlich besser aufgestellt sein“, so General Vetter weiter. Dies bedeute Digitalisierung, die auch alle Bereiche der Bundeswehr betreffe. So sei beispielsweise eine Fregatte eher als schwimmendes Rechenzentrum zu sehen, das ausgestattet sei mit hochmodernen Sensoren. Eine weitere Problematik des Cyberraums sei, dass Konflikten und Angriffen häufig die Eindeutigkeit fehle: Ab wann handelt es sich um einen Angriff, ab wann ist dieser als kriegerischer Akt zu verstehen und erfordert die nötige Reaktion? Die fehlende Trennschärfe führe auch zu Verwirrungen bei den Zuständigkeiten. Hier müsse Deutschland insgesamt schlagfertiger werden.
Nach der vorhergegangenen „Afghanisierung des Heeres“ sei die Landes- und Bündnisverteidigung in die zweite Reihe gerückt. Zudem habe man 30 Jahre lang zu wenig in die Bundeswehr investiert, was sich nicht nur in Material-, sondern auch in Personalmangel niederschlage. Dieser erhebliche Nachrüstungsbedarf sei nicht in kürzester Zeit zu bewältigen – gutes Personal müsse man ausbilden – und auch nicht mit einer Einmalzahlung. Außerdem müsse mit der Digitalisierung auch eine Standardisierung einhergehen, damit man in Zukunft gemeinsam mit den europäischen Partnern verteidigungsfähig bleiben könne. Hierzu werde es künftig eine Top-Down-Steuerung geben, damit Ressourcen zentralisiert und standardisiert vergeben werden könnten. „Wir brauchen Informationsüberlegenheit, diese führt zu Führungsüberlegenheit, die zur Wirkungsüberlegenheit führt. Führen kann man nur von vorne“, diesem Anspruch müsse Deutschland gerecht werden, so General Vetter abschließend.
Chiara Pedersoli beendete die Veranstaltung mit abschließenden Worten über die Relevanz der neuen Landesfachkommission und bedankte sich für die zahlreichen Impulse aus den Reihen der über 50 Teilnehmer. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit sei gerade bei den immer komplexer werdenden Themen unerlässlich. Pedersoli freue sich auf viele aktive Mitglieder der Kommission und selbstverständlich auch im gesamten Wirtschaftsrat Bremen.