Italien bringt den Euro an eine Weggabelung
Italien bleibt die Sollbruchstelle für den Euro. Zwar haben die Regierungsparteien von Cinque Stelle und der Lega miteinander gebrochen, bevor sie die Chance hatten, den Euro auseinanderzubrechen. Doch unabhängig von der politischen Konstellation bleiben die dahinter liegenden ökonomischen Probleme bestehen.
Schon jetzt lässt sich absehen, dass sich eine Reihe von bekannten Mustern wiederholen wird. Italien hatte seit dem zweiten Weltkrieg mehr Regierungswechsel als jedes andere Land in der EU. Jede neue Regierung macht vermeintlich missglückte Reformen ihrer Vorgänger wieder rückgängig. Neue Gesetze werden so regelmäßig infrage gestellt, bevor sie ihre Wirkung entfalten. Diese Unstetigkeit ist ein hoher Unsicherheitsfaktor und deshalb ein wesentlicher Faktor dafür, dass die privaten Investitionen so gering sind.
Nach den Regeln des Stabilitätspaktes gäbe es angesichts des italienischen Schuldenstands eigentlich keine andere Möglichkeit, als ein Defizitverfahren zu eröffnen. Doch einem verschuldeten Land mit finanziellen Sanktionen zu drohen, ist ein stumpfes Schwert. Insbesondere, weil jeder weiß, dass Italien den gesamten Euro-Raum in Mitleidenschaft ziehen wird. Auch die Kräfte des Marktes können nicht disziplinieren. Dafür hat die EZB mit ihrem gigantischen Anleihekaufprogramm gesorgt. Sie stellte zuletzt trotz des in der EU diskutierten Defizitverfahrens neue Langfrist-Tender, kostenlose Langzeitkredite an Banken, zur Verfügung, die vor allem Italien braucht. Die Nominierung der Französin Christine Lagarde als neue EZB-Präsidentin ist ein Signal für eine Fortführung der extrem lockeren Geldpolitik.
Die Entwicklungen in Italien haben sich lange angekündigt. Das Land ist mit der Einführung des Euro wirtschaftlich immer weiter zurückgefallen. Überschuldung, Bürokratie, Korruption und Steuerflucht lähmen. Target-Verbindlichkeiten und faule Kredite haben sich lange akzentuiert. Weiteres Ungemach ist absehbar. Der Republik fehlt das Geschäftsmodell. Seit Jahrzehnten investiert Italien zu wenig in die Zukunft, um im Wettbewerb der Industrienationen mithalten zu können. Für Zinsen gibt das Land mittlerweile genauso viel aus wie für Bildung. Auch die Forschungs- und Entwicklungsausgaben liegen seit 20 Jahren konstant bei mageren 1,5 Prozent des BIP. Eine Abwertung über den Preis ist im EU-Gefüge nicht möglich. Entsprechend liegt Italiens Bonitätsbewertung nur noch knapp über Ramschstatus.
Ein wesentliches Problem ist die beispiellose Verquickung von Bank- und Staatsschulden. Die Profitabilität der Banken hängt damit ganz wesentlich vom Kursverlauf der Anleihen ab. Das bedeutet: Etwaige politische Turbulenzen – die im Zuge von Regierungskrisen und Neuwahlen wahrscheinlich sind - treffen direkt den Bankensektor. Wie das Kaninchen vor der Schlange stehen wir seit Jahren vor dem aufziehenden Unheil in Italien und sind offensichtlich unfähig, ein anderes Rezept als die Geldflutung über die Europäische Zentralbank einzusetzen.
Die Schuldenkrise in Italien bringt den Euro an eine Weggabelung. Die Gefahr ist groß, dass die Politik auch weiterhin keine ehrliche Debatte über die Situation führt und sich alle Augen wieder auf die EZB richten. Sollte sie erneut den Brand löschen, um die Währungsunion zusammenzuhalten, zahlen wir dafür einen Preis, der weit über Italien hinausgeht: Kaum Reformen, ineffiziente Investitionen, niedriges Wirtschaftswachstum und ein langfristig schwacher Euro wären die Folge. Vor allem aber, ein irreparabler Verlust an Glaubwürdigkeit.