Cookie-Einstellungen

Bericht
06.05.2021
Drucken

Deutsch-chinesische Unternehmensübernahmen im Mittelstand

Online-Talk

Prof. Dr. Daniel Graewe über Rahmenbedingungen, Erfolgsfaktoren und Umsetzung
©None

Nach einigen grundlegenden Ausführungen zur Investitionstätigkeit Chinas, stellte Professor Graewe kritische Erfolgsfaktoren für das Gelingen deutsch-chinesischer Unternehmensübernahmen  in drei Phasen vor. Dabei ging er auch auf allgemeine Probleme und die jeweiligen China-Spezifika ein.

In der Prä-Akquisitionsphase, die der Entwicklung einer Strategie, der Marktevaluation und der Zielfindung für Kauf oder Verkauf dient, lägen diese kritischen Erfolgsfaktoren überwiegend  in der Problemidentifikation. „Häufig reagieren Unternehmen, die etwas kaufen wollen, nicht auf ein spezifisches Problem, sondern es handelt sich mehr oder weniger um Gelegenheitskäufe, die in keine Strategie passen“, erklärte Graewe. Darüber hinaus sei auch die Planung des M&A-Prozesses immer wieder mangelhaft, da dessen Komplexität unterschätzt werde und beispielsweise keine spezialisierten Berater für die Transaktion zu Rate gezogen würden.
In Deutschland seien Speerspitzenorganisationen der Chinesen unterwegs, die insbesondere interessante mittelständische Unternehmen aus der Industrietechnologie – gerne „Hidden Champions“ – suchten und von sich aus auf die Gesellschafter zukämen. Primäres Ziel sei dabei oftmals nicht Gewinnerzielung, sondern der Erwerb von Grundstücken, IP oder Know-how. „Das „Business“ in China ist äußerst dynamisch“, warnte der Professor in diesem Zusammenhang, „Partner und Beziehungen - auch Vertragsbeziehungen - sind einem ständigen Wechsel unterworfen und stellen immer nur eine Momentaufnahme dar.“ Sollte sich ein besserer Geschäftspartner finden oder sich die Marktlage ändern, dann könnten die chinesischen Interessenten schnell wieder verschwunden sein. „Broken Deals“ seien für Chinesen weniger dramatisch, da nicht immer finanzielle Gründe im Vordergrund stünden, viele Projekte parallel liefen und es „China-intern“ immer auf den ausländischen Partner geschoben werden könne.
In der Prä-Akquisitionsphase müsse deshalb sehr viel Zeit in die Vertrauensbildung investiert, ein sehr ausführliches Letter of Intent (LOI) erstellt werden und auch die gesetzlichen/behördlichen Rahmenbedingungen auf beiden Seiten sollten frühzeitig geklärt sein.

In der anschließenden Transaktionsphase, in der Käufer und Verkäufer Kontakt aufnehmen, eine Due Diligence durchgeführt wird, Vertragsverhandlungen erfolgen und behördliche Genehmigungen eingeholt werden, sollte sehr viel Wert darauf gelegt werden, den akkuraten Kaufpreis zu berechnen und die Finanzierung sicherzustellen. Außerdem sollten Abbruchkriterien verbindlich definiert und sich strikt an diese gehalten werden. „Was wir unterschätzen, sind chinesische Hierarchien“, erklärte Professor Graewe, „oftmals merken oder wissen Gesellschafter und Geschäftsführer deutscher Unternehmen nicht, dass ihr Gegenpart auf chinesischer Seite maximal im mittleren Management ist.“ Das könne dazu führen, dass vermeintlich ausverhandelte Verträge von Vertretern der höheren chinesischen Hierarchiestufe in einer zweiten Verhandlungsrunde als neue Verhandlungsgrundlage genutzt würden. Chinesen machten oftmals auch nur eine oberflächliche Due Diligence, was aber dazu führe, dass es sehr lange und komplexe SPA-Verhandlungen gebe. Deutsche Verhandlungspartner sollten darauf drängen, dass die chinesische Seite frühzeitig die notwendigen behördlichen Genehmigungen einholt, da es in China sein könne, dass manches vom einen Monat auf den anderen verboten werde.

„Organisieren Sie die Integration ordentlich, machen Sie eine Roadmap, legen Sie Integrationsziele fest und schaffen Sie freie Kapazitäten für Planung und Umsetzung“, riet Professor Graewe für die Post-Akquisitionsphase nach erfolgreichem Vollzug der Übernahme. Insbesondere Joint-Ventures seien kulturell und geschäftlich sehr komplex. In der ersten „Kennenlernphase“ hielten sich die Chinesen oftmals noch zurück, setzten ihre Interessen danach aber mit Nachdruck durch. Außerdem hätten sie ein anderes Verständnis von „Compliance“, insbesondere was Arbeitsschutz, Mitbestimmung, IP-Schutz, Untreue und Korruption angehe. Da es als Ausländer in China de facto aussichtslos sei einen Chinesen zu verklagen, sollten anwendbares Recht und Gerichtsstand im Vertrag vereinbart worden sein.

Abschließend bot sich den Mitgliedern des Wirtschaftsrates Hamburg die Gelegenheit, mit Professor Graewe ins Gespräch zu kommen und Fragen zu stellen.