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Bericht
24.04.2022
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Aus den Ländern (Hamburg) - Digitale Medizin, jetzt auch in Deutschland

Abendveranstaltung mit Healthcare-Unternehmer Prof. Dr. Jörg F. Debatin
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Der 2019 vom damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn eingerichtete „Health Innovation Hub“ unterstützte bis zum Ende seines Auftrags am 31. Dezember 2021 als unabhängiges Beratergremium die Digitalisierung der Gesundheitsversorgung in Deutschland mit interdisziplinärem Know-how und Erfahrung. Als ehemaliger Chairman des Hubs berichtete Prof. Dr. Jörg F. Debatin beim Wirtschaftsrat Hamburg von der Arbeit des Gremiums und den erzielten Fortschritten bei der Digitalisierung der deutschen Gesundheitsversorgung.

 

Der gelernte Radiologe und frühere Vorstandsvorsitzende des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), wies zu Beginn seiner Ausführungen darauf hin, dass die gesamte Gesundheitsversorgung kein Selbstzweck sei. Vielmehr gehe es gerade bei der Nutzung der Digitalisierung um Patientenschutz, Transparenz, um die Übertragung von Informationen und darum, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Die alternde Gesellschaft und der gleichzeitige Fachkräftemangel machten digitale Technologien nötiger denn je, um die Arbeit mit neuer Sensorik, Robotik und anderen Hilfsmitteln leichter zu machen.

Digitale Medizin ist für den ehemaligen Landesvorsitzenden des Hamburger Wirtschaftsrates keine Frage der politischen Farbenlehre, sondern des persönlichen Engagements: „Wir hatten -bei aller Kritik - mit Jens Spahn einen Gesundheitsminister, der verstanden hat, dass wir den fünfzehnjährigen Tiefschlaf Deutschlands kompensieren müssen und dass wir in relativ kurzer Zeit die gesetzgeberischen und regulatorischen Grundlagen dafür schaffen müssen, um digitale Medizin in Deutschland erlebbar und verfügbar zu machen.“ Dieser habe auch die Idee gehabt, ein Expertengremium zu schaffen, das unabhängig und nicht nachgeordnet dabei helfen sollte. In diesem Zusammenhang warb Prof. Dr. Debatin dafür, Menschen aus dem normalen Leben dem Staat zeitlich befristet zur Verfügung zu stellen. Mit ihrem Knowhow und ihrer Erfahrung, die staatlichen Stellen manchmal fehlten, könne am Ende die Qualität staatlichen Handelns in vielen Bereichen verbessert werden: „Im Health Innovation Hub war es uns wichtig, dass wir sowohl unabhängig als auch zeitlich befristet arbeiten, um sicher zu sein, dass keine Eigeninteressen eine Rolle spielen und man nur das tut, was in der Sache auch zu berücksichtigen ist.“

Im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem Health Innovation Hub seien zunächst die Grundlagen für die Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland gelegt worden. So habe man die Voraussetzungen für die bessere Interoperabilität der verwendeten Datenformate schaffen müssen, die durch die stark proprietäre Datenvermarktung in der deutschen Industrie nicht gegeben gewesen seien. Zusätzlich brauche es eine gute Vernetzung, für die man nach wie vor auf die Telematikinfrastruktur setze, diese aber immer weiter ausbaue.
Nachdem in der deutschen Medizin lange nur das Fax als sicheres Kommunikationsmittel galt, stehe jetzt auch ein E-Mailsystem zur Verfügung und im nächsten Jahr werde ein Messengerdienst hinzukommen. Ebenso seien die Grundlagen für die elektronische Patientenakte gelegt worden, die es schon seit langer Zeit hätte geben sollen.

Deutschland tue sich so schwer mit der Digitalisierung, da es viele Partikularinteressen gebe, die u.a. auch in der Industrie verankert seien. „So sagt der Branchenverband der IT-Industrie im Gesundheitswesen in Deutschland im September 2021 – nachdem wir 14 Jahre daran herumwerkeln -  in einer Pressemitteilung, dass es alles zu viel wäre und alles zu schnell ginge. Wenn das die Einstellung der IT-Industrie in Deutschland ist, dann müssen wir uns nicht wundern, warum Deutschland nichts auf die Reihe bekommt“, so Debatin.

Als Beispiel für gelungene Digitalisierungsprojekte führte er digitale Gesundheitsanwendungen (DIGAs) an. Die Initiative für diese Apps, die von Ärzten verschrieben werden können, sei insofern recht erfolgreich, dass es inzwischen über 150.000 Verschreibungen gebe, über 60 Prozent der Hausärzte diese befürworteten und es internationales Interesse aus über 20 Ländern daran gebe. Deutschland sei damit Vorreiter und das erste Land, das die App auf Rezept ermögliche. Außerdem hätten Bund und Länder die schlechten Erfahrungen der Krankenhäuser in der Pandemie zum Anlass genommen, diese mit 4,3 Mrd. Euro zu digitalisieren. Das verwendete Bonus-Malus-System zur Mittelvergabe habe dabei eine große Dynamik entfacht.

Beim anschließenden Get-together bot sich Mitgliedern und Gästen die Gelegenheit mit Prof. Dr. Debatin ins Gespräch zu kommen und bei Speisen und Getränken auf Einladung der Asklepios-Kliniken-Gruppe das Thema digitale Medizin noch weiter zu vertiefen.