"Wir brauchen die volle Haftung für die Entscheidungsträger"
Interview
Dass Wertschöpfungs- und Lieferketten über mehrere Kontinente hinweg filigrane und in Krisenzeiten anfällige Konstrukte sind, offenbart die Corona-Pandemie. Insofern verwundert es nicht, dass der Ruf nach einer Relokalisierung bestimmter Produktionsbereiche lauter wird. Tendenzen, die Produktion wieder näher an die Nachfrage heranzuführen, sind auch in der Textilindustrie und nicht erst seit Corona erkennbar.
Dem allgemeinen Trend, Produktionskapazitäten ins Ausland zu verlagern und auf günstige Massenproduktion in Niedriglohnländern zu setzen, hat sich die Firma Trigema aus dem baden-württembergischen Burladingen ohnehin immer widersetzt. „100% Made in Germany“ lautet seit jeher das Credo des mittelständischen Unternehmens. In einem Online-Interview mit dem Wirtschaftsrat Hamburg sprach Trigema-Chef Wolfgang Grupp u.a. über die Erfolgsfaktoren seines Unternehmens und über unternehmerische Verantwortung.
Grupp warnte davor, angesichts der Corona-Krise nun über Jahrzehnte aufgebaute Errungenschaften in der internationalen Zusammenarbeit in Frage zu stellen. Sowohl mit der Globalisierung als auch mit Europa gingen enorme Vorteile einher, die es zu bewahren gelte. Auf anderen Seite betonte der Unternehmer aber auch, dass Deutschland in der Lage sein müsse, bestimmte Güter – gerade in Krisenzeiten – selbst zu produzieren. Sehr kritisch bewertete er in diesem Kontext den Verkauf des deutschen Roboterbauers Kuka an einen chinesischen Konzern. Grupp sieht den Staat in der Verantwortung, die Autarkie Deutschlands in derart wichtigen Industriebereichen zu schützen.
Überhaupt nicht einverstanden zeigte sich Wolfgang Grupp mit staatlicher Unterstützung für Unternehmen, die schon vor der Corona-Krise schlecht wirtschafteten. „Solche Geschäfte müssen endlich vom Markt verschwinden! Das hat mit Marktwirtschaft nichts mehr zu tun: Dass das eine Geschäft alles bezahlen muss, weil es vernünftig wirtschaftet. Und der andere kann Lumpereien machen und kriegt dann alles unterstützt“, kritisierte Grupp und forderte im gleichen Atemzug: „Wir brauchen die volle Haftung für die Entscheidungsträger!“ Dies führe quasi automatisch zu überlegteren, verantwortungsvolleren und an der Zukunft ausgerichteten Entscheidungen.
Konkret hat der Trigema-Chef folgendes Anreizmodell im Sinn: Wer die persönliche Haftung für sein unternehmerisches Handeln übernimmt, soll einen Steuerrabatt von 50 Prozent erhalten. Wer sich darauf nicht einlässt, muss den Höchstsatz der Einkommensteuer für Unternehmer zahlen. Wolfgang Grupp rief vor diesem Hintergrund in Erinnerung, dass das deutsche Wirtschaftswunder „von lauter persönlich haftenden Unternehmern“ getragen wurde.
Grupp konkretisierte im Verlauf des rund 50-minütigen Interviews seine unternehmerischen Grundprinzipien weiter. Den Erfolg von Trigema machte er u.a. an der Qualität der Produkte und der hohen Flexibilität des Textilproduzenten fest – sowohl in der Fertigung als auch in der Unternehmensführung. Von Firmenlenkern erwartet er vorausschauendes und entschlossenes Handeln. Probleme dürfen nicht diskutiert, sondern müssen gelöst werden. „Wer ein großes Problem hat, ist automatisch für mich ein Versager. Jedes große Problem war klein. Hätte er es als kleines gelöst, hätte er kein großes“, erklärte Grupp.
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