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Bericht
14.09.2022
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"Bildung im 21. Jahrhundert: Werden unsere Kinder angemessen auf die Zukunft vorbereitet?“

„Schule muss neu gedacht werden, wenn wir uns charakterstarke Schulabsolventinnen und -absolventen wünschen, die bereit und in der Lage sind, für sich und andere Menschen Verantwortung zu übernehmen.“ (Bernd Westermeyer)

Online-Veranstaltung mit Bernd Westermeyer, Rektor des Internatsgymnasiums Roßleben
©Wirtschaftsrat

Gemeinsam mit dem ehemaligen Leiter der Landesschule Pforta sowie der Schule Schloss Salem und jetzigem Rektor des Internatsgymnasiums Roßleben, Bernd Westermeyer, konnten wir einen Blick hinter die Kulissen besonderer Internatsschulen in freier Trägerschaft werfen und uns darüber informieren, wie es gelingen kann, durch besondere pädagogische Konzepte, gezielt Talente zu fördern und die Führungspersönlichkeiten von morgen auszubilden. Von großem Interesse dabei war, was sich aus Sicht von Herrn Westermeyer in Deutschland ändern sollte, um diese „High Potentials“ über den Schulbesuch hinaus in unserem Land halten zu können.

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Wir im Wirtschaftsrat Sachsen sind schon seit langem daran interessiert, wie die MINT-Orientierung der Schülerschaft beflügelt werden kann, um den qualifizierten Nachwuchs für traditionelle und künftige Kernbereiche der industriellen Wirtschaft zu gewinnen. Wir durften aus erster Hand etwas darüber erfahren, wie Persönlichkeiten mit Rückgrat ausgebildet werden und wie die Übernahme von Verantwortung bereits in der Schule zu einem wertvollen Erfahrungswert für das spätere Berufsleben wird.

Die Hauptfrage des Abends war, was braucht ein Kind, um heute in der komplexen Welt zu bestehen? Dabei gehen wir immer von der deutschen Perspektive aus – es gibt aber auch andere Perspektiven auf der Welt, auch welche, die mit weniger persönlicher Freiheit einher gehen. Gewisse Scheidepunkte zum Aufrütteln der Welt aus jüngster Vergangenheit waren nach Bernd Westermeyer die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten sowie der Brexit. Nunmehr haben wir Covid und den Russland-Ukraine-Krieg mit einer weitreichenden Energie- und drohenden Wirtschaftskrise, welche die Welt zusätzlich durcheinanderbringen. Auch die Medienwirksamkeit von Greta Thunberg mit dem Fokus auf den Klimawandel – all das beschäftigt insbesondere auch die Kinder/Schüler. Auch die Frage der Massenmigration nach Europa setzt das Wertegefüge unserer Gesellschaft unter Druck. All dies in einer bereits „durchglobalisierten“ Welt. Die Frage nach dem Bestehen in einer komplexen Welt mit vielen Herausforderungen ist also nicht einfach zu beantworten.

Eins ist aber Konsens: Es braucht in jedem Fall eine fundierte schulische Ausbildung, um in diesen interdependenten Themenkomplexen Rechnung tragen zu können. Kultusbehörden sind nach Bernd Westermeyer, sehr selten in der Lage, um kurzfristig auf sich veränderte Rahmenbedingungen einzustellen. Aktuell ist ein komplexer Lehrermangel zu konstatieren, der sich nicht mehr nur auf die MINT-Fächer konzentriert. Manche Schulen arbeiten sogar schon mit einem Unterrichtsausfall von 30 Prozent. Das sind besorgniserregende Zustände.

Einheitlichere, schlankere Curricula, entworfen durch interdisziplinäre, unternehmerische Teams, Software, die einheitlich auch später im Berufsleben eine Rolle spielt, sollte bereits in der Schule eingesetzt werden und systemisches Denken in den Vordergrund gerückt werden. Klar ist aber auch, dass finanzielle Ressourcen eine große Rolle spielen. Im Digitalpakt Schule z.B. wurden lediglich 5 Mrd. € gebündelt, welche aber hauptsächlich in Equipment geflossen sind und nicht vordergründig in die Kompetenzerweiterung der Lehrer und Schüler. Dies ist ein erster und ernst zu nehmender Kritikpunkt am aktuellen System, der künftig korrigiert werden sollte. Bildung sollte heute grundsätzlich neu gedacht werden, was ein „komplettes Abräumen“ bestehender Systeme bedingen würde.

Erst als Chef einer Internatsschule hat Bernd Westermeyer entdeckt, dass es um die Persönlichkeiten (angelehnt an Alexander von Humboldt) – „Bildung für alle“, sprich um Persönlichkeits(heraus)bildung geht. Das Lernen zu lernen ist eine Maxime Humboldts, d.h. die Befähigung, sich immer wieder neu in die sich verändernden Verhältnisse hinein zu denken bzw. auch neue Fragen zu formulieren. „Gnothi seauton“, also das griechische „Erkenne Dich selbst“ könnte dabei eine wichtige Maxime für jeden Schüler sein. Die Internatsschule führe zum Verlassen der Komfortzone des Elternhauses, befördert das Auseinandersetzen mit anderen Kindern und fordert das Bewähren im Vergleich zu jenen. Dies kommt der späteren Realität im Berufsleben recht nahe. Die Welt früh zu begreifen hilft, um auch später Dinge zu verstehen.

Dabei ist „Herzensbildung“ als mutiges Handeln (coeur: frz. Herz, abgeleitet davon: Courage) zu verstehen. Der Gründer von Salem (Kurt Hahn) hat z.B. die Ansicht vertreten, dass ein jeder Absolvent von Salem eine Passion entwickelt, die er für die nach der Schule folgende Zeit mitnimmt. Verantwortung für eine Gruppe früh zu übernehmen (z.B. Reinigen eines Internat-Traktes) wird sich auch später weiter in den Persönlichkeiten weitertragen. Die Vielfalt im Kleinen zeigt sich insbesondere heute in der globalisierten Welt. Am Ende geht es um die Entwicklung von Urteilskraft, die auf einem Wertefundament fußt und immer einen guten Sinn verfolgt. „High Potentials“ nach Deutschland zu holen könnte u.a. über das hier vorhandene stabile Gemeinwesen funktionieren, welches es anderenorts nicht überall gibt. Ein, wie in Deutschland vorhandenes, funktionierendes Gesundheitssystem, gelebte Meinungsfreiheit, politische Stabilität sowie insgesamt sichere Verhältnisse könnten dabei von großem Vorteil sein. In China ist bekanntlich selbständiges Denken nicht so stark gefragt, dafür aber die Erfüllung von Erwartungen von Vorgesetzen. Dies lähmt im Endeffekt die persönliche Entfaltung sowie die Kreativität und könnte perspektivisch zu einem Wettbewerbsnachteil Chinas führen.

In der anschließenden Diskussionsrunde wurden auch Schulkonzepte aus der ehemaligen DDR angesprochen – so konnte zumindest prinzipiell die DDR Polytechnische Oberschule den Praxisbezug durch Technisches Zeichnen, Computerprogrammierung und konkrete, handwerklich-praktische Arbeit in Betrieben herstellen. In Lehrpläne der Zukunft sollten verstärkt der Forscherdrang einmünden, d.h. das probierende Lernen, orientiert am konkreten Problem, sollte stärker vermittelt werden. Ein zentrales Abitur wäre zudem wünschenswert – vorher müssten aber die Bildungssysteme der Bundesländer resettet werden. Es geht letztlich auch darum, die systemischen Grenzen zwischen Politik, Bildung und Wirtschaft zu überwinden. Generell müssten mehr finanzielle Ressourcen ins Bildungssystem fließen, um als rohstoffarmes Land, das Know-how für die Welt von morgen zu liefern. Wir bedanken uns für den überaus interessanten und erkenntnisreichen Input bei Bernd Westermeyer und möchten den Dialog gern fortsetzen.

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