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Bericht
19.12.2022
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„Zinswende: Zeit für einen Perspektivwechsel?“

Die steigende Inflation, Auswirkungen des Ukraine-Krieges und weitere Einflüsse haben zu einem Umdenken der EZB gesorgt und die jahrelange Niedrigzinspolitik beendet.

Online-Veranstaltung mit Ralf Degenhart, Finanzvorstand des Debeka-Versicherungskonzerns
©Wirtschaftsrat

Aktuell rangiert der EZB-Leitzins bei 2,5 Prozent. Reicht das aus, um die aus vielen Sektoren kommende Inflation abzufangen? Gerät unser Vermögen in Gefahr? Das waren die Hauptfragen des Abends.

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Ralf Degenhart (Quelle: https://www.debeka.de/unternehmen/Unternehmensleitung/index.html)


Ralf Degenhart, Finanzvorstand des Debeka-Versicherungskonzerns, hat uns interessante Einblicke in die Finanzpolitik und die aktuellen Herausforderungen gegeben. Ralf Degenhart verantwortet in seiner Funktion ein Anlagevolumen von ca. 108 Milliarden Euro. Die Debeka ist im Übrigen der drittgrößte institutionelle Anleger in Deutschland.

Von geopolitischen Verwerfungen über die demografische Lage und die negative Realzinsentwicklung hat Ralf Degenhart einen weiten Bogen gespannt. Man spricht ja nicht umsonst von einer „Zeitenwende“, um einen Perspektivwechsel vorzunehmen, war sein anfängliches Statement. In „unischeren“ Zeiten kommt das Thema „Sicherheit“, sprich „Versicherung“ in den Fokus der Betrachtung. Die Debeka, mit 16.600 Mitarbeitern und 7,2 Mio. Mitgliedern/Kunden, sieht sich als Partner dieser Gruppen und ist ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG). Die Debeka generiert Einnahmen i.H.v. 14,5 Mrd.€ im Jahr. Ralf Degenhart ist auf Inflation, drohende Rezession, die Auswirkungen auf die einzelnen Assetklassen und auf den Begriff der Nachhaltigkeit eigegangen. Für Ende 2022 wird gemäß Bloomberg im Euroraum (ähnlich für Deutschland) mit einer Inflationsrate von 8,5 Prozent, 2023 mit einer Inflationsrate von 5,9 Prozent, für 2024 mit 2,1 Prozent gerechnet.

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Bereits vor dem Ukrainekrieg ist die Inflation im Euroraum stark angestiegen und rangierte zu diesem Zeitpunkt bereits bei 8%. Die EZB hat zu dieser Zeit nicht auf diese Entwicklungen reagiert und abgewartet. Nach dem Ukrainekrieg hat die Inflation im Euroraum noch einmal einen „Turbo“ in ihrer Steigerung bekommen. Hauptpreistreiber in Europa sind die Energiepreise, also angebotsseitig, wohingegen die Inflation z.B. in den USA eher nachfrageinduziert ist. In den USA zeigen entsprechend die Zinsschritte der FED erste Wirkungen, wohingegen im Euroraum noch keine nennenswerten Effekte nach der mehrfachen Leitzinserhöhung zu erkennen sind. Die Rezessionsgefahr wird dabei nicht mehr so groß eingeschätzt, wie noch vor einem halben Jahr. Man geht sogar von einem Jahreswachstum in Europa/Deutschland i.H.v. von 0,5 Prozent aus. Der Arbeitsmarkt in Deutschland zeigt sich insgesamt noch relativ robust, im Schnitt sind die Auftragsbücher für 2023 in Deutschland voll. Der Ifo-Geschäftsklimaindex steigt langsam wieder, die Lieferketten setzen sich langsam wieder zusammen. Das sind die Gründe, die gegen eine tiefgreifende Rezession in Deutschland sprechen.

Die EZB will im März 2023 mit dem Abbau ihrer Notenbankbilanz beginnen; es wird 2023 mit drei bis vier Zinsschritten um jeweils 0,25 Basispunkten, letztlich auf einen europäischen Leitzins von 3,50 Prozent gerechnet. Die 3D - „Deglobalisierung“, „Demografie“, „Dekarbonisierung“ sind die Gebote der Stunde und werden zur Verteuerung der Volkswirtschaft führen – entsprechend werden die Leitzinsen relativ hoch bleiben müssen. „TINA  - there is no alternative“, der politische Slogan von Margaret Thatcher kann unter wirtschaftsliberaler Sicht durchaus langfristig noch zu Vermögensaufbau führen, falls sich die Inflationsraten reduzieren. Die Debeka investiert künftig auch verstärkt in alternative Investments, also in Infrastruktur (Straßen, Brücken, Kraftwerke und Glasfasernetze), EEG, Flugzeuge, in KMU und niederländische Hypothekendarlehen. In der Krankenversicherung bilden Renten, gefolgt von Aktien, Immobilien und Hypotheken die Anlageschwerpunkte der Debeka. Die bürokratische Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) zwingt zum Reporting über das Thema Nachhaltigkeit und bürdet Unternehmen weitere Kosten auf. Dennoch hat Ralf Degenhart ein anschauliches Beispiel für ein klimaneutrales Investment und dessen Reporting im Sinne der CSRD („Klimastrategie“) geliefert. Allerbesten Dank, Herr Degenhart Ihre detaillierte und zugleich globale Veranschaulichung. Allen ein schönes Weihnachtsfest!