„Die deutsche Energiewirtschaft im Umbruch“
Der Wirtschaftsrat Sachsen sieht sich als Vertreter der Wirtschaft in der Verantwortung, die Möglichkeiten einer bezahlbaren und sicheren Energieversorgung auszuloten. Wir haben uns entsprechend sehr gefreut, dass Herr Dr. Axel Cunow, Finanzvorstand der SachsenEnergie AG, unserer Einladung gefolgt ist und uns seine Einschätzungen über den Umbruch der Energiewirtschaft insgesamt und insbesondere über dessen Auswirkungen auf die Energieversorgung Sachsens/Dresdens in Kenntnis gesetzt hat. Unsere Fragen, betreffend die Versorgungssicherheit, die Preiserwartungen für Energie, zum Stand der Dekarbonisierung (Erreichung der Klimaziele), auch zur Netzstabilität sowie zur Wettbewerbsfähigkeit der Industrie insgesamt (u.a. aktuelle Diskussion um einen Industriestrompreis) hat er alle faktenbasiert und ausführlich beantwortet. Danke schon einmal an dieser Stelle, Dr. Cunow!
Hans E. Gollan-Müller, Vorstandsmitglied der Sektion Dresden, bei seiner Begrüßung (Foto: Wirtschaftsrat)
Nach einer Einführung unseres Vorstandsmitglieds der Sektion Dresden, Hans E. Gollan-Müller, der einen kurzen Abriss der „Deutschen Energiewende“ eingeordnet und die Ziele des Wirtschaftsrates in Sachsen vorgestellt hat, konnte Dr. Axel Cunow starten und in seinem interessanten Vortrag zunächst heraus stellen, dass die Energiewirtschaft in allen deutschen Kommunen und Bundesländern nicht von der energiewirtschaftlichen Lage Deutschlands zu trennen sei. Das Wall Street Journal titelte bereits am 30.01.2019, also vor dem Russland-Ukraine-Krieg, mit dem Slogan „The World’s Dumbest Energy Policy“ und meinte damit Deutschland, welches als einziges Land auf der Welt aus Kohle und Kernenergie parallel aussteigen wolle und dies auch tatsächlich umsetzt. Damit ist Deutschland in der Tat die Ausnahme vom Rest der Welt. Bis heute wird die Energiepolitik hierzulande international nur schwer verstanden. Richtig sei jedoch, sich sukzessive von fossilen Energieträgern zu verabschieden, da diese nun einmal quantitativ beschränkt seien. Auch die SachsenEnergie strebt bis 2035 die Klimaneutralität an, was aber keineswegs eine leichte Aufgabe sei, weshalb der Aufsichtsrat einen Zielkorridor zwischen 2035 und 2045 beschlossen hat.
Aber zurück zu den Fakten: Vor Ausbruch des Russland-Ukraine-Kriegs hatte Deutschland einen Brutto-Energiebedarf (Primärenergieverbrauch ohne Umwandlungsprozesse) von ca. 3.400 TWh, der sich zu ca. 16 Prozent aus Erneuerbaren Energien gespeist hat. Der Rest war fossil und bestand noch aus dem verbleibenden Rest an Kernenergie aus Deutschland. Öl, Gas und Steinkohle kamen zu knapp 26 Prozent aus Russland, was die Abhängigkeit vom russischen Nachbarn erklärt. Im Jahr 2022 sah die Lage schon etwas anders aus, denn insgesamt musste sich Deutschland auf 3.286 TWh des Primärenergieverbrauches einschränken (Schrumpfungsprozesse). Aber immer noch war eine Abhängigkeit von Russland i.H.v. 20 Prozent bei Öl, Gas und Steinkohle vorhanden, obwohl die Erneuerbaren um einen Prozentpunkt auf 17 Prozent zulegen konnten. Mittlerweile sind die Gasimporte aus Russland auf nahezu Null gesunken, was den Ersatz von 313TWh an Erdgas erforderlich macht.
Wären sowohl Nordstream 1 und Nordstream 2 als die aktuell größten Erdgas-Pipelines der Welt in der Lage gewesen, jeweils 622 TWh/a nach Deutschland zu liefern, so wurde aus noch immer nicht geklärten Gründen und Urheberschaft diese Infrastruktur zerstört und muss angebotsseitig durch LNG mit höheren Preisen ersetzt werden. Die größten LNG-Exporteure sind aktuell Australien (1.302 TWh/a), gefolgt von Bahrein (1.151 TWh/a) und den USA (1.090 TWh/a). Insgesamt beträgt jedoch das LNG-Angebot weltweit nur 6.813 TWh/a, dem eine Nachfrage von ca. 13.474 TWh/a gegenüber steht. Das hat im Marktmechanismus automatisch einen steigenden Preis je Mengeneinheit und entsprechende Wettstreite nach LNG zur Folge. Deutschland benötigt, um seine Industrie und alle Haushalte sicher mit Energie und Wärme zu versorgen, ca. 1.500 TWh/a. an Gas. Dieses Angebot für Deutschland bereit zu stellen, ist nach dem Gasverlust aus Russland mehr als eine Herausforderung (z.B. Wärmemarkt Dresden: 45% Fernwärme-Gas, 55%: reines Erdgas). Die Rechnung kann bei milden Wintern aufgehen, bei strengen Wintern aber auch nicht – hier steht also sehr viel auf dem Spiel, wenn man weiß, dass der Gasverbrauch in den Wintermonaten mehr als das Doppelte der Sommermonate beträgt. Dr. Cunow lobte die schnelle Reaktion der Bundesregierung, nachdem der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine begonnen und die Sanktionen beschlossen worden waren. Die schnelle Anmietung der 6 FSRU (Floating Storage and Regasification Units) für LNG war ein notwendiger Schritt im Reigen aller politischen Geschehnisse. Nebenbei bemerkt, wären allerdings heute beide Nordstream-Leitungen innerhalb eines Jahres reparierbar, wenn der politische Wille bundes- und europapolitisch dafür vorhanden wäre.
Dr. Axel Cunow, Vorstand der SachsenEnergie AG (Foto: Wirtschaftsrat)
Wir müssen heute leider konstatieren, dass Deutschland sowohl beim Strompreis, als auch beim Erdgaspreis, zwischen beiden eine nahezu 1:1 Korrelation vorherrscht, international nicht mehr konkurrenzfähig ist. So beträgt der Erdgaspreis aktuell in den USA 8€/MWh, in China 29€/MWh, aber hierzulande 55€/MWh. Die Abwanderung der Industrie aus Deutschland ist unter diesen Voraussetzungen vorprogrammiert. Einige Beispiele aus Dresden zeigen die Abwanderung, z.B. nach Texas in die USA, bereits, konstatierte Dr. Cunow. Ceteris paribus werde erst nach dem Zubau fester LNG-Terminals im Jahr 2026 wieder eine Entspannung auf dem deutschen Gas- und Strommarkt eintreten, wo wir dann wieder über eine echte Versorgungssicherheit sprechen können. Als „normale“ Marktpreise (vor dem Krieg) gelten für Gas 20€/MWh (aktuell: 55 €/MWh) und für Strom 50€/MWh (aktuell: 152€/MWh). Von einer wettbewerbsfähigen Lage sind wir hierzulande also weit entfernt. Es darf zudem nicht vergessen werden, dass Deutschland lediglich einen Anteil von 1,8% am sogenannten menschengemachten CO2-Ausstoß zu verantworten hat – Deutschland, wie auch Sachsen und erst recht Dresden, ist entsprechend nicht der „Nabel der Welt“, kann aber, wie auch bei den FCKW-freien Kühlschränken von Foron (Reduktion des Ozonlochs), Technologiegeber für ein umweltschonenderes Zusammenleben auf der Erde sein.
Im Endergebnis kann nur die Kombination aus CO2-Reduktion mit dem Erhalt von Wohlstand und Freiheit ein Paradebeispiel für die Welt sein, welchem andere Staaten nacheifern möchten. Denn, wer möchte schon frierend und arm im Dunkeln sitzen, um damit die Welt ein bisschen CO2-ärmer gestaltet zu haben? Das kann nie und nimmer das (planwirtschaftlich verordnete) Prinzip in einer globalen Welt aufstrebender Nationen sein! In China waren Fahrräder vor kurzem noch das bevorzugte Fortbewegungsmittel – das Aufstiegsversprechen marktwirtschaftlicher Prinzipien (hier in Kombination mit kommunistischem Machtstreben) führte aktuell zum Vorreitertum Chinas bei der Elektromobilität, d.h. mit dieser Entwicklung (auch durch Kopieren von deutschen Technologien) war eine Wohlstandsmehrung und keine Minderung des Wohlstands verbunden. Die aktuell vom BMWK geplante extreme Forcierung der Erneuerbaren Energien mag einen wichtigen Beitrag zu einer Verbesserung des Energiemixes leisten, verkennt aber die aktuell vorhanden Engpässe der Stromnetze, das limitierte Speichervolumen in Deutschland (bei Erdgas: 245 TWh) sowie die Bezahlbarkeit des Vorhabens, welches aktuell an den Möglichkeiten der Bevölkerung und vor allem des Mittelsandes vorbei geht. Der Ausbau der Erneuerbaren, aber bei gleichzeitiger Forschung an Zukunftstechnologien, wie der Kernfusion sowie die beschleunigte Umsetzung der neuesten Dual-Fluid-Rektoren (die erforderliche Haftpflichtversicherung voraus gesetzt) in der Kerntechnologie, sollte daher der Weg sein, den ein (Noch-)Industrieland, wie Deutschland, genau jetzt beschreiten sollte – Technologieoffenheit und Freiheit bringen eine Gesellschaft weiter, Planwirtschaft und Verbote töten die wichtigste Triebfeder einer modernen Gesellschaft, nämlich Wagnis, Unternehmertum mit Haftung und Forschergeist, ab.
Danke an Dr. Axel Cunow sowie an alle Beteiligten. Wir setzen den Austausch sehr gern, auch im ARCOTEL HafenCity Dresden fort.