„Hat sich Deutschland abgeschafft? Eine Bilanz nach 15 Jahren"
Als im August 2010 die Erstveröffentlichung von „Deutschland schafft sich ab“ erschien, stieg dieses Buch von Dr. Thilo Sarrazin in die Bestseller-Rangliste auf und löste zahlreiche Kontroversen aus. Nach der Veröffentlichung des Buches wurde Dr. Sarrazin u.a. aus dem Vorstand der Deutschen Bundesbank gedrängt und 10 Jahre später aus der SPD ausgeschlossen.
Dr. Thilo Sarrazin während seines Vortrags (Foto: Christian Scholz)
Eins steht jedoch fest: Kaum einem anderen Autor ist es gelungen, bereits im Jahr 2010 eine Debatte über Demografie, Migration und Integration in gesellschaftlicher Breite auszulösen. Aktueller denn je sind seine Ansichten zu üppigen Sozialleistungen, zum Stand der Bildung und zur Belastungslage leistungsorientierter Bürger und Unternehmen. Nun, nach 15 Jahren, hat Dr. Thilo Sarrazin eine Bilanz seiner damaligen Thesen, erneut in Buchform (blaue Ergänzungen im neuen Buch) veröffentlicht und zieht darin ein kritisches Zwischenfazit der gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen in Deutschland. Wir durften dabei sein und die Ergebnisse des Autors aus erster Hand erfahren und waren dabei, als uns Herr Dr. Sarrazin seine Ideen präsentierte, insbesondere, was seiner Ansicht nach, in der Migrations- und Sozialpolitik passieren muss, um soziale Spannungen abzumildern und wieder auf den Wachstums- und Wohlfahrtspfad zurückzugelangen.
Dr. Dino Uhle, Landesgeschäftsführer des Wirtschaftsrates in Sachsen, bei seiner Begrüßung (Foto: Christian Scholz)
Thilo Sarrazin begann mit der Aussage, dass es ein Staatsgebiet in der Mitte Europas mit dem Namen „Deutschland“ noch einige Jahrhunderte geben wird. Auch die historische Bausubstanz könne noch für lange Zeit von der Vergangenheit Kunde ablegen. 1.500 Jahre nach dem Untergang des Römischen Reiches können wir heute noch nach Italien bzw. in die südliche Türkei reisen und uns von den baulichen Überresten der antiken Kultur überzeugen. Insbesondere Rom, Athen, sind als Städte erhalten und legen Zeuge von der Antike ab. Alles sei jedoch historisch vergänglich, auch das, was scheinbar ewig währt. Die Frage ist, was geht weshalb unter und wie lange dauert es bis dahin.
(Foto: Christian Scholz)
Das Buch „Deutschland schafft sich ab“ sollte ursprünglich „Wir essen unser Saatgut auf“ heißen. Das war der Arbeitstitel, der anzeigen sollte, dass wir in Deutschland bereits seit Längerem von der Substanz leben. Um jedoch die Haupterkenntnis Thilo Sarrazins Analyse und Bilanz vorweg zu nehmen: Der Autor hat in nahezu allen Punkten (Demografie/Migration, Bildungsverfall, Kriminalität, Bundeshaushalt) Recht behalten; in vielen Schlussfolgerungen hat er sich sogar zu seinen „Ungunsten“ verschätzt, d.h. er konnte die Flüchtlingswelle von 2015 nicht vorausahnen, was einerseits zu Unzufriedenheit vieler Deutscher (Gründung AFD, BSW) und zu Fehleinschätzungen seiner Analyse geführt hat, denn letztlich sind die Entwicklungen teilweise schlimmer gekommen, als von ihm vor 15 Jahren prognostiziert. Herr Dr. Sarrazin und sogar auch seine Frau mussten aufgrund der Veröffentlichung des „Erstwerkes“ viele Drohungen und Beleidigungen über sich ergehen lassen. Die Wellen der Empörung schlugen hoch und Thilo Sarrazin wurde vom politischen Establishment zur Persona non grata erklärt und daraufhin vom LKA Berlin sogar unter Personenschutz gestellt.
Bezüglich der demografischen Situation merkte Dr. Sarrazin an, dass sich gesellschaftliche Werte nicht von der Bevölkerung eines Staates/Staatenbundes trennen lassen. In allen Industrienationen, aber insbesondere auch in Polen, Ungarn und Frankreich sei eine Geburtenarmut zu konstatieren. Mit 1,35 Kindern pro Frau in Deutschland kann die Bevölkerung aus sich heraus nicht aufrechterhalten werden – hierzu würden 2,1 Kinder pro Frau gebraucht. Entsprechend haben wir es hierzulande mit einer „umgekehrten Bevölkerungspyramide“ zu tun. Länder Ostasiens, wie China und Japan, die uns bei der (insbesondere naturwissenschaftlichen) Bildung schon lange überflügelt haben, lassen trotz der Geburtenrückgänge in den Ländern kaum Migration zu und kommen damit klar. D.h. nicht zwangsläufig braucht man eine wachsende Bevölkerung, um wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand zu generieren. In Japan gibt es, neben einem viel höheren Renteneintrittsalter, auch die gesellschaftliche Übereinkunft, dass sich Ältere um Noch-Ältere kümmern, d.h. 70-Jährige pflegen und helfen 80-Jährigen. Dies ist aber auch eine kulturelle Besonderheit im ostasiatischen Raum. Gab es im Jahr 1960 noch 1,4 Mio. Geburten (nahezu alle Säuglinge hatten eine deutsche Mutter) in (West-)Deutschland, so kommen heute nur noch 683.000 Geburten im wiedervereinigten Deutschland zustande, wobei nur noch ca. 350.000 der Säuglinge eine deutsche Mutter haben. Bis 2070 wächst nach Thilo Sarrazins Hochrechnungen der Anteil migrantischer Mütter auf 80% an, wenn sich die aktuelle Entwicklung fortsetzt. Im Umkehrschluss heißt das, dass 30 Mio. nicht geborene Deutsche durch Einwanderer ersetzt werden. Thilo Sarrazin hat die jährliche Nettozuwanderung nach Deutschland im Jahr 2010 unterschätzt. Statt, wie von ihm angenommen, dass die jährliche Nettozuwanderung 50.000 Menschen beträgt, ist sie tatsächlich mit 500.000 Menschen heute das 10-Fache. Seit 2015 sind jährlich ca. 200.000 aus der EU und 300.000 aus nicht EU-Staaten nach Deutschland migriert.
Dr. Thilo Sarrazin während seines Vortrags (Foto: Christian Scholz)
Zum Verfall der Bildung in Deutschland brach Dr. Sarrazin zunächst eine Lanze für die Freistaaten Bayern und Sachsen, die seit vielen Jahren die innerdeutschen Bildungs-Rankings anführten und „Leuchttürme“ der Bildung seien. Dennoch sinken die Fähigkeiten in der Lesekompetenz, in Mathematik und in Naturwissenschaften flächendeckend in Deutschland, wohingegen diese Fähigkeiten in Ostasien kontinuierlich steigen. Besonders drastisch war die Erkenntnis, dass Viertklässler in Deutschland, der Klassenstufe entsprechend, nur ungenügend lesen und rechnen können. Die Spitzenschüler bzw. Hochbegabten in Deutschland werden weniger, in Asien werden sie mehr, auch im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung. Hinzu kommt, dass jährlich ca. 50.000 Schüler in Deutschland keinen Schulabschluss schaffen. Hinsichtlich der genetischen Vererblichkeit von Intelligenz führte Dr. Sarrazin an, dass es kein „Intelligenz-Gen“ gäbe, jedoch aber die Kombination aus vielen Genen, für die Vererbung von persönlichen äußeren und geistigen Eigenschaften verantwortlich sei.
Auch die Kriminalitätsentwicklung mit einem signifikanten Anstieg ausländischer Straftaten gibt Anlass zur Sorge. Ausländische Tatverdächtige sind überproportional häufig in der Kriminalstatistik vertreten. Dem ausländischen Anteil an der Gesamtbevölkerung von 15% steht ein Anteil von ausländischen Straftätern an allen Strafen von 41,8% gegenüber. Die Sorgen der Menschen um Ihre Sicherheit, werden also durch die Statistik gestützt. Heute darf der Begriff „Clan-Kriminalität“ offen verwendet werden – vor 15 Jahren war dieser Begriff noch „fremdenfeindlich“ besetzt. Als Hauptursache für „Antisemitismus“ in Deutschland macht Thilo Sarrazin die Einwanderung vieler Menschen arabischer Herkunft und weniger „rechtsradikale Deutsche“ verantwortlich. Ohne dezidiert auf die Gewaltattacken von Mannheim, Solingen, Magdeburg, München und Berlin einzugehen, ist diesen Taten eins gemein: Sie wurden von jungen Männern aus muslimischen Gesellschaften begangen. Die amtliche Kriminalstatistik gibt heute sogar Informationen über die Herkunft und Zeitspanne des Aufenthaltes von Gewalttätern wieder. Ca. 14 Prozent der Gewaltkriminalität geht entsprechend von Menschen aus, die seit 2015 zu uns gekommen sind. Diese 14 Prozent verüben zudem 400 Morde im Jahr, was zu 4.000 Mordtaten zwischen 2015 und 2025 geführt hat. Bereinigt man die Kriminalitätsstatistik um Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft (diese werden nämlich zu 100% zu Deutschen gezählt), so kommt man auf die Schätzung, das 70-80% aller Gewalttaten in Deutschland von Ausländern begangen werden.
Diskussion mit den Teilnehmern (Foto: Christian Scholz)
Will man diesen besorgniserregenden Zuständen adäquat und effektiv begegnen, so kann man sich ein Beispiel an Dänemark (striktere Asylgesetze, Vereinbarungen mit Drittländern, Asylzentren außerhalb von Europa) nehmen, wo es gelungen sei, die unerwünschte Zuwanderung abzuwehren. D.h. auch nationale Wege sind hier durchaus beschreitbar. Aber am effektivsten sollte man das Asylrecht im europäischen Kontext reformieren. Der Austritt aus der Genfer Flüchtlingskonvention sowie aus der Europäischen Menschenrechtskonvention wären für Deutschland möglich. Generell ist aber hier beim Umgang mit der Migration in Europa ein neuer EU-weiter Rechtsrahmen notwendig, der es den EU-Staaten erlauben muss, an der EU-Außengrenze Flüchtlinge zurückzuweisen. Aktuell bekommen von allen Migranten in Deutschland ohnehin nur 1,5% Asyl zugesprochen.
Diskussion mit den Teilnehmern (Foto: Christian Scholz)
Was den Wohlstand unseres Landes anbelangt, so weist Deutschland schon seit 5 Jahren kein nennenswertes Wirtschaftswachstum mehr auf und ist von unternehmerischen Insolvenzen sowie von Abwanderungen geplagt. Dabei war die aktuelle strukturelle Stagnation bereits im Jahr 2009 vorhersehbar. Dr. Sarrazin ging damals schon von einem jährlichen Maximalwachstum von 0,4% aus, wohingegen das Ifo-Institut damals jährliche Wachstumsraten von 1,4%-1,8% prognostizierte. Produktivität als auch die jährlichen Arbeitszeiten sinken in Deutschland. Haben die Erwerbstätigen in Deutschland im Jahr 1950 noch ca. 2.500 Stunden gearbeitet, so sind das heute nur noch 1.300 Arbeitsstunden (USA: 1.700) jährlich. In Deutschland wurden über die Zeit zwar mehr Menschen in Beschäftigung gebracht, die jedoch immer weniger Arbeitsstunden leisten. Hinzu kommt, dass aktuell ca. 300.000 Personen jährlich das Erwerbsleben mehr verlassen, als in das Erwerbsleben einsteigen. Prognosen für die Periode in 15 Jahren sagen voraus, dass dieser Saldo auf 700.000 Personen ansteigen wird (jährlich steigen dann 1,4 Mio. Personen aus dem Berufsleben aus und nur 700.000 ein). Damit können die Sozialsysteme ohne höhere Beiträge bzw. ein höheres Renteneintrittsalter und immer mehr Steuerzuschüsse dauerhaft nicht aufrechterhalten werden. Hinzu kommt, dass vorwiegend und immer mehr Migranten ins Berufsleben einsteigen und Deutsche aussteigen werden. Zudem gehen die Studenten in den wertschöpfenden MINT-Fächern zurück, weil hier ein Bildungsrückstand vor allem in den Klassenstufen 5 und 6 zu verzeichnen sei. Ein Trend, der sich auch aus Sicht des Wirtschaftsrates unbedingt umkehren muss.
Dr. Thilo Sarrazin während der Diskussion (Foto: Christian Scholz)
Abschließend ging Dr. Sarrazin, der uns dann auch noch als kompetenter Diskussionspartner zur Verfügung stand, noch auf die Strukturveränderung des Bundeshaushaltes ein. Wurden im Jahr 1970 in der alten Bundesrepublik noch 22,5% der Haushaltsmittel für Verteidigung ausgegeben, so lag dieser Anteil im Jahr 2022 bei nur noch 10,7%. Dafür betrugen die Quoten für Sozialausgaben im Jahr 1970 21%% und im Jahr 2022 53%. Für Landwirtschaft, Verkehr und Wirtschaftsförderung wurden 1970 16,4% und 2022 8% ausgegeben. Nach Thilo Sarrazin wird das noch mit dem alten Bundestag beschlossene 500 Mrd.€-starke und auf 12 Jahre zu verteilende Sondervermögen nicht viel helfen, denn es fehlten dem Bundeshaushalt jährlich ca. 70 Mrd.€ für die Landesverteidigung und ca. 80 Mrd.€ für die Infrastruktur.
v.l.n.r.: Ralko Nebelung, Geschäftsführender Gesellschafter der Institut für Datenschutz und Datensicherheit IfDDS GmbH; Dr. Dino Uhle, Landesgeschäftsführer des Wirtschaftsrates in Sachsen; Dr. Thilo Sarrazin; Tino Raabe, Geschäftsführer der FIRA FIRMENGRUPPE (Foto: Christian Scholz)
Wir bedanken uns bei Dr. Thilo Sarrazin, dass er die Zeit gefunden hat, uns im Wirtschaftsrat Sachsen bezüglich seiner Thesen auf den aktuellen Stand gebracht zu haben und viele seiner Bücher signiert hat. Danke auch an die Mitarbeiter des Hotels INNSIDE in Dresden sowie an unsere Unterstützer des Abends, namentlich Tino Raabe, Ralko Nebelung, Eric Daum, Steffen Taubert und Dirk Kohl.
Wer nicht dabei sein konnte, kann die Veranstaltung über die unten stehenden Links aufrufen.
Impressionen
(Foto: Christian Scholz)
v.l.n.r.: Dirk Kohl, Pressesprecher und Leiter Büro Dresden des WELTBUCH Verlag GmbH; Dr. Thilo Sarrazin; Hans E. Gollan-Müller, Geschäftsführer der Bianca Immobilien (Foto: Christian Scholz)
Diskussion (Foto: Christian Scholz)
Dr. Thilo Sarrazin beim Signieren seiner Bücher (Foto: Christian Scholz)
Dirk Kohl mit Dr. Thilo Sarrazin (Foto: Christian Scholz)
(Foto: Christian Scholz)