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Bericht
27.08.2024
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Wolfgang Bosbach MdB a. D. zu Gast beim Landesverband Sachsen

Wolfgang Bosbach MdB a. D. sprach über Asylrecht, den Ukraine-Krieg sowie die Wirtschaftslage und Demografie. Es sei ein großes Glück, in Deutschland zu leben
©Wirtschaftsrat

Wolfgang Bosbach MdB a. D., der seit über 50 Jahren politisch aktiv ist, begann seine Ausführungen damit, dass Sachsen für viele Westdeutsche ein nahezu „exotischer Ort“ sei, wo man sich erst einmal hintrauen müsse. Er persönlich sei gern in Sachsen und vor allem in Dresden. Demokratie sei ja gerade dadurch gekennzeichnet, dass unterschiedliche Meinungen bis zur Findung eines Konsenses miteinander ringen müssten. Diese Meinung bilde sich aber bei verschiedenen Menschen auf verschiedene Art und Weise – es sei ein Unterschied, ob jemand eine Meinung vertritt, der noch nie im Berufsleben stand und die reale Arbeitswelt nur aus der Theorie (Anm. des Verfassers: Bezug zu vielen der heutigen Berufspolitiker) kenne. Die Ampelregierung habe keine Gemeinsamkeiten mehr, bekomme keinen Haushalt hin und habe aktuell bei Weitem keine Regierungsmehrheit. Es sei fraglich, ob diese Regierung noch bis zur nächsten Bundestagswahl durchhalte. Jedoch habe es in der Geschichte der Bundesrepublik erst zweimal Neuwahlen gegeben, was dieses Szenario als relativ unwahrscheinlich erscheinen ließe.

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                            Wolfgang Bosbach MdB a.D. (Foto: Wirtschaftsrat)

Wolfgang Bosbach ging dezidiert auf das Asylrecht ein und bezog sich auf Art. 16a Abs. 1 und Abs. 2 des Grundgesetzes:

„(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist […].“

Wer aus einem Staat der EU nach Deutschland einreise, habe keinen Anspruch auf Asyl in Deutschland, da dieser aus einem demokratischen Staat einreise. Nun müsse man aber wissen, dass sich nur zwei bis drei Prozent der nach Deutschland Flüchtenden auf das Asylrecht beriefen – circa 97 Prozent beriefen sich auf die Genfer Flüchtlingskonvention, in welcher stehe, dass „die Flucht vor kriegerischen Ereignissen“ den Anspruch auf ein Leben in Deutschland rechtfertige. Dies führe zur Überlastungslage der Länder im Mittelmeerraum. Um diese Lage in Griechenland und Italien abzumildern, haben diese Staaten die Flüchtlinge einfach nach Deutschland durchgewunken. Dies sei ein Szenario, welches unbedingt geändert werden müsse. Die Regelungen von „Dublin II“ und „Dublin III“ wollten im Grunde diesem „Durchwinken“ ein Ende setzen, indem Asylanträge in dem ersten EU-Land nach Grenzübertritt zu stellen seien. Dieses „Erst-EU-Land“ sei dann auch für den Umgang mit den Flüchtlingen zuständig. Die Dublin-Regeln haben nach ihrer Einführung sofort zu einem Abreißen des Flüchtlingsstromes nach Deutschland geführt. Was nach wie vor nicht geklärt sei, sei die nachgewiesene Herkunft der Geflüchteten. Durch weggeworfene bzw. gefälschte Pässe, was bei 50 Prozent aller Flüchtlinge der Fall sei, kämen auf einmal alle jungen Männer aus der damaligen Kriegsregion Syrien, ohne je einen Nachweis dafür erbracht zu haben. Hier müsse der Grundsatz gelten: „Keine Papiere, keine Einreise“, was mit geltendem Recht bereits heute umsetzbar sei.

2024-08-27 Foto5_VA mit Wolfgang Bosbach.jpg (Foto: Wirtschaftsrat)

Auch die gehäuften Messerattacken in Deutschland mit Toten und Verletzten im Land kamen zur Sprache. Nach Wolfgang Bosbach ist das „Problem nicht die Länge der Messerklinge, sondern das Problem hat den Griff des Messers in der Hand“. Wolle man das Mitführen von Waffen kontrollieren, so benötige man dafür entsprechendes Personal, welches derzeit den Polizeibehörden fehle. Auch sei man bei diesen Polizeikontrollen nicht weit vom sogenannten „Racial Profiling“ entfernt, welches die Frage stelle, warum gerade jemand kontrolliert werde, der zum Beispiel eine dunklere Hautfarbe habe. Hier komme man in grundgesetzlich relevante Tatbestände hinein, die nicht so einfach zu lösen seien.

Hinsichtlich des Russland-Ukraine-Krieges sei festzuhalten, dass dieser Krieg täglich neue Opfer auf beiden Seiten „produziere“. Verhandlungen für eine Befriedung würden erst dann zu einem realistischen Szenario, wenn eine Seite der Überzeugung sei, sie könne nicht mehr gewinnen. Aktuell scheine das noch nicht der Fall zu sein. Man dürfe aber nicht übersehen, dass sich zum Beispiel bei einem Sieg Russlands über die Ukraine die Flüchtlingslage in Deutschland noch einmal drastisch verschärfen werde. Aktuell müssen Ukrainer aufgrund der „Massenzustrom-Richtlinie“ kein Asylverfahren wie andere Flüchtlinge durchführen – sondern seien mit sofortigem Anspruch auf Bürgergeld und Wohnraum ausgestattet. Bei aktueller deutscher Gesetzeslage und dem oben genannten Szenario würden die Sozialsysteme in Deutschland einem weiteren enormen Druck ausgesetzt.

2024-08-27 Foto6_VA mit Wolfgang Bosbach.jpgv.l.n.r.: Tino Raabe, Geschäftsführer der FIRA-Unternehmensgruppe; Wolfgang Bosbach MdB a.D.; Dr. Dirk Schröter, Landesvorsitzender und Dr. Dino Uhle, Landesgeschäftsführer des Wirtschaftsrates in Sachsen (Foto: Wirtschaftsrat)

Auch zur aktuellen Wirtschaftslage äußerte sich Wolfgang Bosbach. Es sei ein Irrglaube, bei schrumpfender Wirtschaft den gleichen Sozialstandard zu halten. Denn gegen Naturgesetze könne man keine Politik machen. Auch der sogenannte „Spar-Haushalt“ der Bundesregierung sei ein Etikettenschwindel. Dieser setze nämlich darauf, dass alles ausgegeben werde, was eingenommen werde und auch darauf, weitere Schulden zu machen, egal, ob man diese „Sondervermögen“ oder „Kredite“ nenne. Während die jährlichen Zinsausgaben unter Finanzminister Schäuble vier Milliarden Euro betragen hätten, so haben sich diese unter Finanzminister Lindner verzehnfacht und betrügen aktuell 40 Milliarden Euro. Zudem schreibe jedes zweite Krankenhaus in Deutschland rote Zahlen. Bei immer weiteren Schulden und entsprechenden Zinsausgaben könne man keine Finanzmittel zur Sanierung des Gesundheitssystems, von Straßen, Schulen und wichtiger Infrastruktur freimachen. Die Überalterung in Deutschland gebe zudem große Aufgaben auf: Das Durchschnittsalter hierzulande liege bei 43 Jahren, in Brasilien bei 21 Jahren. In Deutschland haben deutsche Familien kaum noch Kinder, aber die stationäre Pflege nehme rasant zu. Man müsse sich generell – auch als Hinweis an den Wirtschaftsrat – Gedanken darüber machen, ob in der Pflegeversicherung tatsächlich von Teilkasko auf Vollkasko umgestellt werden solle. Bei der Rente sei das System quasi schon an der Kapazitätsgrenze angelangt, denn die Beiträge zahlten zu je einem Drittel Arbeitnehmer, Arbeitgeber und letztlich der Steuerzahler, was weitgehend wieder Arbeitnehmer und Arbeitgeber seien. Dieser jährliche Steuerzuschuss belaufe sich auf 100 Milliarden Euro. 


2024-08-27 Foto7_VA mit Wolfgang Bosbach.jpg(Foto: Wirtschaftsrat)

„Das Pferd frisst keinen Gurkensalat.“ Mit diesem Satz, der vor über 160 Jahren Bekanntheit erlangte, ließ Wolfgang Bosbach seine Ausführungen enden. Denn dieser im Grunde sinnlose Satz, gesprochen von Johann Philipp Reis aus Hessen, dem Erfinder des Telefons, war der Testspruch, der die Funktionsfähigkeit seiner Erfindung bewies. „Telefon, MP3-Player, Faxgerät – sehr viele Erfindungen kamen aus Deutschland – da müssen wir wieder hin“, denn nach wie vor sei es, verglichen mit vielen ärmeren (afrikanischen, südamerikanischen, asiatischen) Ländern, ein großes Glück, in Deutschland zu leben

Wir bedanken uns bei Wolfgang Bosbach, Tino Raabe, Marten Schwass, allen Mitarbeitern des Hotels, des Kastenmeiers und bei allen Teilnehmern.