Minister-Unternehmer-Dialog zum Thema "Bildung"
Wir haben uns gefreut, dass Staatsminister Christian Piwarz erneut zugesagt und den Dialog mit dem Wirtschaftsrat fortgesetzt hat. Es ging um den Stand der Digitalisierung in Sachsens Schulen, um die Lehrpläne und deren Auslegung, um die Möglichkeiten zur Einbindung von Unternehmen und Hochschulen in den Schulalltag, um neue Ideen zur Entfachung von Begeisterung für unternehmerische, technische Belange sowie um die Lehrersituation und kapazitativen Möglichkeiten der Schulen im Freistaat Sachsen.
Dr. Dino Uhle, Landesgeschäftsführer des Wirtschaftsrates, bei seiner Begrüßung (Foto: Christian Scholz)
Vordergründig ging es uns um eine Imagekorrektur von MINT-Fächern und für zu ergreifende MINT-Berufe (M: Mathematik, I: Informatik, N: Naturwissenschaften, T: Technik). Unserer Ansicht nach sollten technisch-orientierte Zusatzangebote in den Schulen geschaffen werden sowie obligatorische Projekttage und Praktika verpflichtend in den Lehrplänen verankert werden. Dazu gehört aber auch, dass die Lehrer entsprechend technisch-unternehmerisch geschult werden und die Vernetzung von Schulen, Hochschulen und Wirtschaft bei der Berufsorientierung verstärkt wird. Man könnte also sogar von verbesserter „W-MINT-Orientierung“ sprechen, wenn „W“ für Wirtschaft steht.
Christian Piwarz MdL, Sächsischer Kultusminister, bei seiner Rede (Foto: Christian Scholz)
Staatsminister Piwarz gab zu, dass es im Bildungssystem durchaus Verbesserungsbedarf gibt, dieses – vor allem aber im Freistaat Sachsen – insgesamt stabil und vorbildhaft sei. Es gehe also eher darum, das Bildungssystem zu evolutionieren anstatt zu revolutionieren. Der Staatsminister sieht insbesondere Verbesserungsbedarf beim Betreuungsschlüssel in der frühkindlichen Bildung. Ferner wird auch die zunehmende Migration noch zu weiteren Herausforderungen führen. Auch die Lesekompetenz bei Schülern der vierten Klasse habe sich verschlechtert, wie die IGLU-Studie (Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung) bestätigt. Darin wird ebenfalls die im internationalen Vergleich unterdurchschnittliche Nutzung digitaler Medien in deutschen Schulen attestiert. Bisher seien die Gesamtmittel i.H.v. 250 Mrd.€ des Digitalpakts Schule zu 99 Prozent gebunden. Jedoch fehle es aktuell an einer Zusage für die Fortführung des Digitalpakts ab 2025. Hier ist die „Ampel-Regierung“ in Berlin gefordert. Entsprechend sei eine, wie vom Wirtschaftsrat geforderte, Bestandsaufnahme zur Digitalisierung in Sachsens Schulen erst in zwei bis drei Jahren sinnvoll, so der Staatsminister. Die Implementierung einer „Kultur der Digitalität“ sei aber bereits heute mehr als notwendig. Hier kommt es darauf an, dass digitale Materialien (z. B. digitale Schultafeln) und Medien den Lehrern die Arbeit erleichtern, die Lehrer aber auch damit umgehen können und dieses Equipment entsprechend auch gewartet und ersetzt werden müsse.
Dr.-Ing. habil. Heidrun Steinbach, Vorsitzende der LFK Innovationen, während Ihrer Rede (Foto: Christian Scholz)
(Foto: Christian Scholz)
Die Grundschule solle sich auf die Vermittlung elementarer Fähigkeiten, wie Lesen, Schreiben und Rechnen konzentrieren. Die bereits etablierte Gleichstellung in der Bezahlung von Grundschullehrern und Gymnasiallehrern in Sachsen soll entsprechend Ausdruck der Wertschätzung der Vermittlung und der besonderen pädagogischen Fähigkeiten in der Grundschule sein. Christian Piwarz forderte aber auch die Elternhäuser dazu auf, sich intensiv mit ihren Kindern zu beschäftigen. Da reiche eben das Ruhigstellen mit Handy oder Fernseher nicht aus, um Kinder im frühkindlichen Bereich fit für das spätere Leben zu machen. Der Idee eines „verpflichtenden Vorschuljahres“ stand der Minister positiv gegenüber.
Dr. Dirk Schröter, Landesvorsitzender des Wirtschaftsrates Sachsen, führte durch die Diskussion (Foto: Christian Scholz)
Wir haben uns gefragt, ob Verbeamtung und Quereinsteiger in Sachsen den Erfolg – vor allem in ländlichen Gebieten – gebracht haben, den man sich dadurch erhofft hat. Da war die Antwort des Kultusministers eindeutig ein „ja“. Denn man würde wesentlich schlechter dastehen, hätte man diese Optionen nicht gezogen. Nach wie vor ist das Lehrerproblem ein „Köpfeproblem“. Allerdings haben in diesem Jahr 92% der Bewerber auf eine Lehrerstelle auch eine Anstellung im Freistaat bekommen. Sachsen konnte sogar Lehrer aus anderen Bundesländern gewinnen. Aktuell sind von 2.700 Lehrer-Studienplätzen 2.450 besetzt – die Abbrecherquote von Lehramtssudenten in technischen Fächern ist jedoch besonders hoch. Das liegt auch an der Panik vor Mathematik und naturwissenschaftlichen Fächern, die auch durch Sätze von etablierten Lehrkräften, wie: „Bisher waren Ihre Prüfungsergebnisse gut, aber warten Sie mal ab, bis die Mathe-Klausur kommt, die wird der Scharfrichter sein!“ geschürt. Hier könnte man Bereits im Vorschulbereich ansetzen und anhand spielerischer Methoden mit „Aha-Effekt“ den Schülern die Angst vor den Naturwissenschaften nehmen, indem durch Probieren und Erleben die Faszination für Technik transparent gemacht wird.
v.l.n.r.: Michael Jung, Landesvorsitzender des Sächsischen Lehrerverbands; Dr. Katja Schröter, Verantwortliche für Bildung in der LFK Innovationen; Staatsminister Christian Piwarz (Foto: Christian Scholz)
Der Schülercomputer „Calliope mini“ oder „Roboter-Fußball“ (MINTsport) wären da z. B. nützliche Tools. Der Wirtschaftsrat hat hier ebenfalls durch Projekttage in Mitgliedsunternehmen seine Bereitschaft signalisiert, die Technikbegeisterung durch technisch geprägte Erlebnisse in Unternehmen zu wecken. Auch die Wissenschaft (TU Freiberg) möchte gern Zugang in die Schulen bekommen. Oft stößt man hier aber an Widerstände seitens der Schulen. Um diese Widerstände zu überwinden wird sich aber der Staatsminister persönlich einsetzen und hier entsprechende Hindernisse aus dem Weg räumen. Es gäbe zudem Regionen in Sachsen, die ein schlechteres Image haben und entsprechend wenig attraktiv für Lehrer im ländlichen Raum sind. Hier wäre eine Image-Aufbesserung eventuell eine sinnvolle Methode, um auch Lehrer wieder verstärkt nach Ostsachsen und ins Erzgebirge zu bekommen.
v.l.n.r.: Michael Jung, Landesvorsitzender des Sächsischen
Lehrerverbands; Dr. Katja Schröter, Verantwortliche für Bildung in der
LFK Innovationen; Staatsminister Christian Piwarz; Dr.-Ing. habil. Heidrun Steinbach, Vorsitzende der LFK Innovationen (Foto: Christian
Scholz)
Letztlich konnten wir aber auch über das Projekt „Bildungsland Sachsen 2030“ sprechen, in welchem es um die Frage geht, wie die Schule der Zukunft aussehen soll. Die Hauptfrage dabei lautet, was die Schüler beherrschen müssen, wenn sie die Schule verlassen. Anhand von 200 Thesen, in denen auch sinnvolle Ansätze enthalten sind, will man eine Strategie für Sachsens Schulen der Zukunft erarbeiten. Ideen, wie z. B. die Abschaffung von Kopfnoten, erteilte Minister Piwarz eine klare Absage. Kurzum möchte der Kultusminister, dass Sachsen im Bildungsranking der Bundesländer weiter auf Platz 1 steht und sieht das Schulsystem im Freistaat als zukunftsträchtig aufgestellt.
Prof. Dr.-Ing. Hilmar Fuchs, Vorstands-Ehrenmitglied des Sächsischen Textilforschungsinstituts e.V., bei der Diskussion (Foto: Christian Scholz)
Wir konnten anschließend über viele Herausforderungen mit dem Staatsminister sprechen, z. B. über die Wichtigkeit der Berufsakademie als Duale Hochschule und Multiplikator vor allem im ländlichen Raum – auch für Schüler und spätere Studenten, über das Konzept einer „virtuellen Schule“, über die Situation in der Nachhilfe, über die praktische Unterstützung durch Wirtschaft und Hochschulen in naturwissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fächern, über die Auslegung und Ausgestaltung von Lehrplänen, über multiprofessionelle Teams an Schule , über Ganztagsangebote, über die Praxisnähe von Seiteneinsteigern und deren Defizite, aber auch über das neue, flexibel einsetzbare Finanzbudget in Schulen für externe Lehrkräfte.
Dr. Katja Schröter, Schulleiterin der Grundschule Kötzschenbroda; Staatsminister Christian Piwarz MdL (Foto: Christian Scholz)
Staatsminister Christian Piwarz im Gespräch mit Dr. Dirk Schröter und Dr. Heidrun Steinbach (Foto: Christian Scholz)
Es war ein äußerst erkenntnisreicher Ministerdialog, der heute schon nach einer Fortsetzung verlangt. Vielen Dank an alle Beteiligte, vor allem an den Staatsminister, die Podiumsteilnehmer, Dr.-Ing. habil. Heidrun Steinbach, Vorsitzende LFK Innovationen; Dr. Katja Schröter, Schulleiterin; Michael Jung, Landesvorsitzender des Sächsischen Lehrerverbands sowie an den Moderator, unseren Landesvorsitzenden Dr. Dirk Schröter.
Dirk Kohl, Vorsitzender der LFK Internationales, im Gespräch mit Angelika Bordt, Geschäftsführerin der Quantensprung Consulting UG (Foto: Christian Scholz)