Cookie-Einstellungen

Bericht
16.03.2021
Drucken

"Russlands Süden - Brennpunkte von Geopolitik und Rohstoffen"

Unsere Landesfachkommission „Außenwirtschaft und Internationales“ unter Vorsitz von Dirk Kohl, Chef der Weltbuch Verlag GmbH, sowie die Landesverbände Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben zur Veranstaltung via WebEx im Rahmen unserer Reihe „Mitteldeutscher Wirtschaftsdialog des Wirtschaftsrates“ zum Thema „Russlands Süden - Brennpunkte von Geopolitik und Rohstoffen“ eingeladen. Eine überaus interessante und fachlich ausgezeichnete Veranstaltung.

mit dem Ost-Experten und ehemaligen Botschafter der Schweiz, lic. iur. Erwin H. Hofer
©None

Die Teilnehmer am Web-Meeting konnten eine verbale und mit historischen Fakten gespickte Reise über die gesamte West-Ost-Achse Russlands unter geopolitischen Gesichtspunkten miterleben. Die Ausdehnung des annähernd einen Viertel der Erde umspannenden Russlands erstreckt sich im Süden vom Schwarzen Meer über den Kaukasus, den „Berg der Sprachen“, durch das rohstoffreiche Zentralasien bis hin zu China und Nordkorea. Zu nahezu jedem Land hat uns Erwin H. Hofer mit wissenswerten Informationen versorgt.

Genau entlang dieses (ehemals) russischen Territoriums verläuft der Abschnitt der von China betriebenen „Neuen Seidenstraße“, die im Rheinhafen von Düsseldorf endet. Es handelt sich insgesamt um eine Vielzahl sensibler geopolitischer, wirtschaftlicher und kultureller Räume. Diese Grenzlage Russlands erklärt eine seit der Zaren- und der Sowjetzeit vorherrschende, bis in die Gegenwart fortwirkende strategische Konstanz. Erwin H. Hofer hat uns dabei auch die Zusammenhänge mit den heutigen Verhaltensweisen Moskaus aufgezeigt.

Als Auszug sollen folgende Punkte genügen: Russland entstand auf wesentlich anderen geopolitischen Grundlagen als Westeuropa: Es liegt nur zu einem Drittel in Europa, jedoch zu zwei Dritteln in Asien. Es musste sich gegen eine beinahe drei Jahrhunderte dauernde Mongolenherrschaft und gegen plündernde Nomaden auf der Suche nach Ressourcen durchsetzen. „Man kann Russland nicht mit dem Verstand verstehen, sondern man muss daran glauben.“ meinte einst ein bekannter russischer Schriftsteller und Diplomat.  Die Ukraine ist bereits definitorisch ein „Grenz-Land“, welches gut beraten wäre, sich nach dem Vorbild Kasachstans zu entwickeln (außerhalb der NATO und in einem lockeren funktionalen Verhältnis zur EU) – als „Zwischen-Grenzland“. Aus Sicht Russlands steht die NATO bereits vor den Toren von St. Petersburg und wird als Bedrohung empfunden. Entsprechend hat Russland Atom-Sprengköpfe, um auch militärisch seine Macht zu manifestieren, wenngleich der Einfluss der Wirtschaftsmacht Russland bis 2050 noch weiter schwinden wird. Sowohl über muslimische Turkvölker, das christliche Georgien und Armenien, das erdölreiche Aserbaidschan, den Elbrus („Thron der Götter“), über die „Stan-Länder“, wie z.B. Kasachstan, als auch über geopolitische Fragen zu natürlichen Ressourcen, wie Erdöl, Erdgas, konnten wir genauso sprechen wie über die Interessenlage Chinas, als dem größten Gläubiger der USA, welches in seiner momentanen Macht vielleicht etwas überschätzt wird. Denn nach wie vor wird China von der Kommunistischen Partei beherrscht, die jedoch ihre dominierende Position nur dann bewahren kann, wenn weiterhin ein Wirtschaftswachstum anhält. In China als multikulturelles Land existiert nach wie vor ein großes Gefälle zwischen Stadt und Land. Mittelfristig dürften das Bevölkerungswachstum und mithin die Produktivkraft schrumpfen. Entsprechend leidet China trotz seiner Dynamik bereits heute an einer Überalterung seiner Gesellschaft, was höhere Staatsausgaben nach sich zieht.

Deutschland, bzw. Europa, ist wirtschaftlich stark – setzt aber für die NATO in Relation zum BIP zu wenig Mittel ein. In Russland gilt der Leitspruch: „Bist Du schwach, gehst Du unter. Bist Du stark, bist Du mein Freund“. Stärke und Respekt erreichen Staaten(verbünde) durch klare Agenden und freilich auch durch militärische Macht. Hier müssen die Europäer aufholen. Frieden gibt es überall dort, wo Kräftegleichgewichte bestehen. Was die Sanktionen der EU gegenüber Russland betrifft, so rät Erwin H. Hofer zur Aufnahme eines Dialogs sowie zum Übergang zur Kooperation. Auch über das Thema Afrika konnten wir kurz sprechen. Dort wächst die Bevölkerung so stark, dass das Wirtschaftswachstum damit nicht Schritt halten kann. Die Folge davon bildet eine Migration vornehmlich junger Männer in Länder mit besseren Zukunftsaussichten. Dennoch darf aber auch Zuversicht verbreitet werden: Wir müssen uns bewusst machen, dass wir aktuell in einer Zeit leben, in der es relativ wenig Armut, relativ wenig Kriege, dafür aber eine relativ hohe Lebenserwartung gibt.

Wir danken unserem ausgewiesenen Fachmann, Erwin H. Hofer, für den umfassenden Einblick in die internationalen geopolitischen Interessen und würden uns sehr freuen, ihn in Dresden oder in Berlin, sobald es die Bedingungen wieder zulassen, in einer Präsenzveranstaltung erneut zu hören und mit ihm zu sprechen. Allerbesten Dank!