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Bericht
19.02.2025
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Zurück zum Industriestandort Deutschland: Wirtschaftspolitische Handlungsempfehlungen für künftigen Wohlstand mit MdB Thorsten Frei und Prof. Dr. Steffen Tobisch

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Auf Initiative unseres Mitglieds Herrn Dr. Markus Reichel MdB konnten wir mit Thorsten Frei, MdB und Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sowie mit unserem Sprecher der Sektion Dresden, Prof. Dr. Steffen Tobisch, Geschäftsführer, Institut für Holztechnologie Dresden gGmbH (IHD) auf die aktuelle Wirtschaftslage im Allgemeinen und im Speziellen hinsichtlich der mittelständischen Industrieforschungseinrichtungen (IFE) ins Gespräch kommen.

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Deutschland ist schon lange kein wirtschaftlicher Wachstumsmotor mehr. Investitionen fließen ab, hohe Energiepreise lähmen die Wirtschaft genauso wie eine überbordende Bürokratie. Innovationen aus dem Mittelstand drohen zu versiegen – Unsicherheit nach innen und außen prägt das Land. Wie können wir den Weg zu nachhaltigem Wachstum, Wohlstand und einer starken Wettbewerbsfähigkeit wieder ebnen?

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Wir haben uns sehr gefreut, dass wir mit Thorsten Frei und Prof. Dr. Steffen Tobisch zwei überaus kompetente Impulsgeber in Dresden begrüßen durften, welche die aktuelle Situation in aller Ehrlichkeit aus mikro- und makroökonomischer Perspektive beleuchtet haben. Prof. Tobisch, Vorstand der SIG (Sächsische Industrieforschungsgemeinschaft) sprach für die 21 Forschungseinrichtungen in Sachsen, die auch im 80 Einrichtungen zählenden deutschlandweiten ZUSE-Verbund zusammengeschlossen sind. Aktuell steht es um die IFE, insbesondere aufgrund fehlender Haushalte (vorläufige Haushaltsführung) in Bund und Freistaat wirklich schlecht.

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Gründe dafür sind die seit Jahren bestehende Ungleichbehandlung gegenüber den großen außeruniversitären Forschungsgemeinschaften, wie Fraunhofer, Max-Planck, Helmholtz und Leibnitz, die sicher auf eine Grundfinanzierung zählen dürfen. Dies haben die IFE nicht, dafür sind sie aber mit dem sogenannten „Besserstellungsverbot“ konfrontiert, welches keine Vergütungen über den entsprechenden Gehaltsstufen im öffentlichen Dienst vorsehen. Damit sinkt der Anreiz, insbesondere für (junge) Top-Forscher und Führungskräfte, Forschung für den Mittelstand zu betreiben – ein enormes Potenzial geht hier für den Mittelstand verloren. Prof. Dr. Tobisch setzt auf eine neue Bundesregierung, damit sich diese Zustände schnell ändern und gibt diese Problemlage dem Bundestagsabgeordneten Thorsten Frei mit auf den Weg nach Berlin. Es sei allerdings davon auszugehen, dass der Bundeshaushalt für 2025 erst im September verabschiedet werde – hier sind aber dringend LOI („Letters of Intent“, die einen vorzeitigen Vorhabenbeginn, d.h. eine Sicherheit für Projektgelder mit nachrangiger Finanzierung) notwendig, damit zumindest der „Normalbetrieb“ dieser Einrichtungen gewährleistet bleiben könne – Entlassungen stehen aber dennoch ins Haus, weil IFE keine Kurzarbeit aufgrund eines relativ hohen Betriebsrisikos beantragen dürften. Mittelständische Forschungsinstitute brauchen, wie andere Unternehmen auch, Planbarkeit – insbesondere in finanzieller Hinsicht. Dem bereits existierenden „Pakt für Innovationen“ muss ein „Pakt für Transfer“ zur Seite gestellt werden. Das Credo der Technologieoffenheit sei unbedingt zu verfolgen.

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Thorsten Frei MdB nahm diese Vorbemerkungen zum Ausgangsunkt seiner frei gehaltenen und durchdachten Rede. Um wieder Wachstum in Deutschland zu generieren, sei eine enges Zusammenwirken zwischen Wissenschaft und Wirtschaft überaus wichtig – gerade in einem Land, wo von jeher aus dieser vorhanden Kombination großartige Erfindungen entstanden sind. Deutschland sei mit einem Anteil von einem Prozent an der Weltbevölkerung zur drittgrößten Wirtschaftsmacht heran gewachsen – dies sei durch die freie Entfaltung der Marktkräfte und nicht durch Verbote und technologische Planvorgaben gelungen. Thorsten Frei ging in seine Rede auf vier wichtige Punkte ein – auf das Wirtschaftswachstum, auf die Unternehmenssteuern, auf die Bürokratie und letztlich auf den Wert der Arbeit im Allgemeinen.

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Wirtschaftswachstum sei entscheidend für die Sozialsysteme, für die Infrastruktur, die öffentlichen Haushalte und für Forschung & Wissenschaft. Dies ist keine neue Erkenntnis, sondern vielmehr eine pure Notwendigkeit. Seit drei Jahren stagniere das Wirtschaftswachstum in Deutschland und Wachstumsraten, wie sie nach der Wiedervereinigung zu konstatieren waren, gehörten schon seit Längerem der Vergangenheit an. Will Deutschland wieder zurück auf einen „normalen“ jährlichen Wachstumspfad von 2 Prozent (das ist noch nicht einmal viel), müsse sich im Land einiges verändern. Thorsten Frei stellte heraus, dass nicht Großkonzerne, sondern der Mittelstand das Rückgrat unserer Volkswirtschaft seien. Energiepolitisch bedarf es unbedingt einer Erhöhung unserer Wettbewerbsfähigkeit, konkret braucht es bezahlbare Energiekosten gepaart mit einer energetischen Versorgungssicherheit, grundlastfähige Gas- und Wasserstoffkraftwerke, eine Reduktion der Stromsteuer sowie der Netzentgelte. Das Geld der CO2-Zertifate müsse unbedingt wieder in den Wirtschaftskreislauf zurück fließen. All dies, und keine Übererfüllung der Pariser Klimaziele, sondern deren reine Umsetzung in Deutschland, so wie das viele europäische Staaten tun, würden hier wichtige Akzente setzen. Ferner sei das CCS-Verfahren zu verfolgen und man dürfe sich hierzulande nicht einbilden, dass man mit einem globalen CO2-Anteil von 1,5% das Weltklima retten könne. Vereinfacht gesprochen müsse man einen klimapolitischen Weg einschlagen, der weltweit Akzente setzt und Nachahmer findet. Dies sei aber aktuell nicht gegeben.

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Was die Unternehmenssteuern in Deutschland anbelangt, so stellt Thorsten Frei heraus, dass diese faktisch seit 2008 nicht mehr angepasst worden sind. Die Industriestaaten der Welt rangieren bei einer unternehmerischen Steuerbelastung von ca.25% und Deutschland verharre bei 30%. Die Senkung der Unternehmenssteuern auf 25% ist zudem eine langjährige Forderung des Wirtschaftsrates und muss endlich umgesetzt werden, wollen wir weitere Wettbewerbsnachteile und Abwanderungen von Unternehmen und Kapital ins Ausland verhindern.

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 Das Thema Bürokratie beschäftigt uns im Wirtschaftsrat, aber auch die Union seit Jahren. Nicht nur, dass die Genehmigungsverfahren hierzulande viel zu lange dauern, vielmehr sei der Aufwuchs an gesetzlichen Vorgaben aus der EU und Deutschland in den letzten Jahren exorbitant gestiegen. Deutschland gefiel sich immer gut in der Rolle, des sog. „Gold-Plating“, d.h. dass Vorgaben aus der EU in Deutschland noch verschärft und übererfüllt werden sollten. Das muss unbedingt enden. 

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Vor allem im Bau zeigen sich die negativen Folgen des bürokratischen Aufwuchses. Es wird nicht mehr oder nur unzureichend gebaut, denn das Bauen hat sich in den letzten Jahren – auch durch immer mehr beizubringende Gutachten und Rechtsansprüche Dritter – um ca. 40% verteuert. Seit 1990 haben sich die Bauvorschriften vervierfacht. Hinzu kommt ein überbordendes Verbandsklagerecht, welches die Kosten und die Bauzeit in die Höhe treibe. In der nächsten Wahlperiode kommt es entsprechend darauf an, dass hier etwas wirklich nach vorne gehe und sich insgesamt auch die Mitarbeiter vom öffentlichen Dienst weg und hin in die freie Wirtschaft orientierten. Denn klar ist, dass beim Bürokratieabbau zunächst die Personen, welche die Bürokratie verursachen und verwalten, abgebaut werden müssen, um insgesamt weniger Verwaltungsakte zu generieren. Im zweiten Schritt sind klare Prioritäten hinsichtlich der notwendigen und der unnötigen Vorschriften zu setzen. „Bürokratiemonster“, wie z.B. das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sollten kassiert werden, denn dies stehe klar für Wettbewerbsnachteile Deutschland gegenüber der übrigen Welt. 

Zum „Wert der Arbeit“ merkte unser Referent an, dass die Arbeit wieder ihre ursprüngliche Wertschätzung zurück bekommen müsse. Fakt ist, dass die Formel „mehr Wohlstand durch weniger Arbeit“ noch nie funktioniert habe. Auch wenn es Viele aus der arbeitenden Bevölkerung verwundern mag, die täglich einen harten Job machen, so ist zu konstatieren, dass im weltweiten Vergleich die geleisteten Arbeitsstunden in Deutschland relativ gering sind. D.h. in anderen Industrieländern werde schon seit langem mehr gearbeitet. In Deutschland arbeitet ein Vollzeitbeschäftigter im Durchschnitt nur 1.345 Stunden im Jahr – in der Schweiz (1.524h) und den USA (1.811h) sind das deutlich mehr Arbeitsstunden. Vor diesem Hintergrund muss man sich nicht fragen, warum der renommierte Sägen-Hersteller Stihl plant, seinen Produktionsstandort in die Schweiz zu verlagern, weil er dort auf „fleißigere“ Arbeitnehmer, auf eine geringere Steuerbelastung, auf günstigere Energie, auf weniger Bürokratie und schnellere Realisierung künftiger Projekte trifft. 

Leistung müsse sich insgesamt wieder mehr lohnen. Dies gelingt u.a., indem Überstunden steuerfrei gestellt werden, das Weiterarbeiten nach Eintritt des Rentenalters ebenfalls steuerfrei bleibt und es einen signifikanten Unterschied zwischen Arbeit und Nicht-Arbeit (Lohnabstandsgebot), dafür aber einen geringeren Unterschied zwischen Brutto und Netto (Abbau kalte Progression) gibt. Das Arbeitskräftepotential aus dem Bürgergeld ist zudem zu heben. Mit anderen Worten, die ca. 2 Mio. Menschen, die Bürgergeld beziehen, aber arbeitsfähig sind, sollten für den Arbeitsmarkt verpflichtend herangezogen werden – seien es Tätigkeiten für die öffentliche Hand, wie Grünpflege oder Reinigung. Die Begriffe „Fordern und Förden“ müssen zudem wieder in die richtige Balance gebracht werden. 

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Zum Ende seiner Rede ging Thorsten Frei noch auf das von ihm gelesene Buch des von uns allen sehr geschätzten Herrn Prof. Dr. Hans-Werner Sinn ein. Nach der Lektüre des Buches „Ist Deutschland noch zu retten?“ war Thorsten Frei in einer deprimierten Stimmung, da es in gewisser Weise Pessimismus versprühe. Aber mit Pessimismus kommen wir nicht weiter – wir brauchen zumindest Ansätze, die uns optimistischer in die Zukunft schauen lassen. Diese Ansätze müssen auf die technologieoffene Entfaltung der Marktkräfte gerichtet sowie auf unsere Stärken als Gesellschaft, Unternehmer, Erfinder und Innovator fokussiert werden. Der Staat sei nicht der bessere Unternehmer, Europa muss bei großen Themen groß und bei kleinen Themen klein sein. Deutschland muss wieder auf seine unternehmerische DNA und seine technologischen Stärken setzen. Gelingt dies, bleibt Thorsten Frei der Optimist, der er schon immer war und das hat er uns eindrucksvoll bewiesen. Herzlichen Dank an alle, welche die Veranstaltung möglich gemacht haben.