Wirtschaftspolitische Handlungsempfehlungen mit Thorsten Frei MdB und Prof. Dr. Steffen Tobisch

Deutschland ist schon lange kein wirtschaftlicher Wachstumsmotor mehr. Investitionen fließen ab, hohe Energiepreise lähmen die Wirtschaft genauso wie eine überbordende Bürokratie. Innovationen aus dem Mittelstand drohen zu versiegen – Unsicherheit nach innen und außen prägt das Land. Wie können wir den Weg zu nachhaltigem Wachstum, Wohlstand und einer starken Wettbewerbsfähigkeit wieder ebnen?
v.l.n.r.:
Dr. Dirk Schröter (Landesvorsitzender), Dr. Markus Reichel MdB, Thorsten Frei
MdB, Prof. Dr. Steffen Tobisch (Sprecher Sektion Dresden), Dr. Dino Uhle
(Landesgeschäftsführer) (Foto: Christian Scholz
Mit Thorsten Frei MdB, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, und Prof. Dr. Steffen Tobisch, Sprecher der Sektion Dresden des Wirtschaftsrates und Geschäftsführer des Instituts für Holztechnologie Dresden gGmbH (IHD), kamen zwei Impulsgeber nach Dresden, um die aktuelle Situation aus mikro- und makroökonomischer Perspektive zu beleuchten.
Dr. Dirk
Schröter bei seiner Begrüßung (Foto: Christian Scholz)
Prof. Steffen Tobisch, unter anderem Vorstand der SIG Sächsische Industrieforschungsgemeinschaft, sprach für die 21 Forschungseinrichtungen in Sachsen, die auch im 80 Einrichtungen zählenden deutschlandweiten ZUSE-Verbund zusammengeschlossen sind. Aktuell stehe es um die IFE insbesondere aufgrund fehlender Haushalte (vorläufige Haushaltsführung) in Bund und Freistaat wirklich schlecht.
Prof. Dr.
Steffen Tobisch bei der Schilderung der prekären Lage der IFE (Foto: Christian
Scholz)
Ursache dafür sei die seit Jahren bestehende Ungleichbehandlung gegenüber den großen außeruniversitären Forschungsgemeinschaften wie den Fraunhofer-, Max-Planck-, Helmholtz- und Leibnitz-Instituten, die sicher auf eine Grundfinanzierung zählen dürften. Dies gelte nicht für die IFE, dafür seien sie mit dem sogenannten „Besserstellungsverbot“ konfrontiert, welches keine Vergütungen über den entsprechenden Gehaltsstufen im öffentlichen Dienst vorsehe. Damit sinke der Anreiz insbesondere für junge Top-Forscher und Führungskräfte, Forschung für den Mittelstand zu betreiben – ein enormes Potenzial gehe dem Mittelstand dadurch verloren. Prof. Dr. Steffen Tobisch setze auf eine neue Bundesregierung, damit sich diese Zustände schnell änderten. Diese Problemlage gab er dem Bundestagsabgeordneten Thorsten Frei MdB mit auf den Weg nach Berlin. Es sei allerdings davon auszugehen, dass der Bundeshaushalt für 2025 erst im September verabschiedet werde. Dringend erforderlich seien jedoch LOI, Letters of Intent, die einem vorzeitigen Vorhabenbeginn, d. h. einer Sicherheit für Projektgelder mit nachrangiger Finanzierung, dienen. So könne zumindest der „Normalbetrieb“ dieser Einrichtungen gewährleistet bleiben. Entlassungen stünden dennoch ins Haus, weil IFE aufgrund eines relativ hohen Betriebsrisikos keine Kurzarbeit beantragen dürften. Mittelständische Forschungsinstitute brauchten, wie andere Unternehmen auch, Planbarkeit – insbesondere in finanzieller Hinsicht. Dem bereits existierenden „Pakt für Innovationen“ müsse ein „Pakt für Transfer“ zur Seite gestellt werden. Das Credo der Technologieoffenheit sei unbedingt zu verfolgen.
Thorsten Frei MdB nahm diese Vorbemerkungen zum Ausgangspunkt seiner Rede. Um wieder Wachstum in Deutschland zu generieren, sei ein enges Zusammenwirken zwischen Wissenschaft und Wirtschaft überaus wichtig – gerade in einem Land, wo von jeher aus dieser Kombination großartige Erfindungen entstanden seien. Deutschland sei mit einem Anteil von einem Prozent an der Weltbevölkerung zur drittgrößten Wirtschaftsmacht herangewachsen, was durch die freie Entfaltung der Marktkräfte und nicht durch Verbote sowie technologische Planvorgaben gelungen sei. Thorsten Frei MdB ging in seiner Rede auf vier wichtige Punkte ein – das Wirtschaftswachstum, die Unternehmenssteuern, die Bürokratie und letztlich auf den Wert der Arbeit im Allgemeinen.
Unsere
Mitglieder und Gäste (Foto: Christian Scholz)
Wirtschaftswachstum sei entscheidend für die Sozialsysteme, für die Infrastruktur, die öffentlichen Haushalte sowie für Forschung und Wissenschaft. Dies sei keine neue Erkenntnis, sondern vielmehr eine pure Notwendigkeit. Seit drei Jahren stagniere das Wirtschaftswachstum in Deutschland und Wachstumsraten, wie sie nach der Wiedervereinigung zu konstatieren waren, gehörten schon seit Längerem der Vergangenheit an. Wolle Deutschland wieder zurück auf einen „normalen“ jährlichen Wachstumspfad von zwei Prozent, was nicht einmal viel sei, müsse sich im Land einiges verändern. Thorsten Frei MdB stellte heraus, dass nicht Großkonzerne, sondern der Mittelstand das Rückgrat unserer Volkswirtschaft sei. Energiepolitisch bedürfe es unbedingt einer Erhöhung unserer Wettbewerbsfähigkeit, konkret brauche es bezahlbare Energiekosten, gepaart mit einer energetischen Versorgungssicherheit, grundlastfähigen Gas- und Wasserstoffkraftwerken, einer Reduktion der Stromsteuer sowie der Netzentgelte. Das Geld der CO2-Zertifikate müsse unbedingt wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückfließen. All dies und keine Übererfüllung der Pariser Klimaziele, sondern deren reine Umsetzung in Deutschland, so wie das viele europäische Staaten handhabten, würden hier wichtige Akzente setzen. Ferner sei das CCS-Verfahren zu verfolgen und man dürfe sich hierzulande nicht einbilden, dass man mit einem globalen CO2-Anteil von 1,5 Prozent das Weltklima retten könne. Vereinfacht gesprochen müsse man einen klimapolitischen Weg einschlagen, der weltweit Akzente setze und Nachahmer finde. Dies sei aber aktuell nicht gegeben.
Dr. Dirk
Schröter, Thorsten Frei MdB und Dr. Markus Reichel MdB (Foto: Christian Scholz)
Die Unternehmenssteuern in Deutschland seien faktisch seit 2008 nicht mehr angepasst worden, so Frei. Die Industriestaaten der Welt rangierten bei einer unternehmerischen Steuerbelastung von etwa 25 Prozent und Deutschland verharre bei 30 Prozent. Die Senkung der Unternehmenssteuern auf 25 Prozent ist zudem eine langjährige Forderung des Wirtschaftsrates und muss endlich umgesetzt werden, wenn wir weitere Wettbewerbsnachteile und Abwanderungen von Unternehmen und Kapital ins Ausland verhindern wollen.
Blick ins
Publikum (Foto: Christian Scholz)
Das Thema Bürokratie beschäftigt den Wirtschaftsrat, aber auch die Union seit Jahren. Nicht nur, dass die Genehmigungsverfahren hierzulande viel zu lange dauerten, vielmehr sei der Aufwuchs an gesetzlichen Vorgaben aus der EU und Deutschland in den letzten Jahren exorbitant gestiegen, so Frei. Deutschland gefiele sich immer gut darin, Vorgaben aus der EU noch zu verschärfen und überzuerfüllen, dem sogenannten „Gold-Plating“. Das müsse unbedingt enden.
Dr.
Markus Reichel MdB und Thorsten Frei MdB im Podium (Foto: Christian Scholz)
or allem im Bau zeigten sich die negativen Folgen des bürokratischen Aufwuchses. Es werde nicht mehr oder nur unzureichend gebaut, denn das Bauen habe sich in den letzten Jahren – auch durch immer mehr beizubringende Gutachten und Rechtsansprüche Dritter – um circa 40 Prozent verteuert. Seit 1990 hätten sich die Bauvorschriften vervierfacht. Hinzu komme ein überbordendes Verbandsklagerecht, welches die Kosten und die Bauzeit in die Höhe treibe. In der nächsten Wahlperiode komme es entsprechend darauf an, dass hier etwas wirklich nach vorne gehe und sich insgesamt auch die Mitarbeiter vom öffentlichen Dienst weg und hin in die freie Wirtschaft orientierten. Denn klar sei, dass beim Bürokratieabbau zunächst die Personen, welche die Bürokratie verursachten und verwalteten, abgebaut werden müssten, um insgesamt weniger Verwaltungsakte zu generieren. Im zweiten Schritt seien klare Prioritäten hinsichtlich der notwendigen und der unnötigen Vorschriften zu setzen. „Bürokratiemonster“, wie beispielsweise das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, sollten kassiert werden, denn dies stehe klar für Wettbewerbsnachteile Deutschlands gegenüber der übrigen Welt.
Zum „Wert der Arbeit“ merkte Thorsten Frei MdB an, dass die Arbeit wieder ihre ursprüngliche Wertschätzung zurückbekommen müsse. Fakt sei, dass die Formel „mehr Wohlstand durch weniger Arbeit“ noch nie funktioniert habe. Auch wenn es viele aus der arbeitenden Bevölkerung verwundern möge, die täglich einen harten Job machten, so sei zu konstatieren, dass im weltweiten Vergleich die geleisteten Arbeitsstunden in Deutschland relativ gering seien. Das bedeute, dass in anderen Industrieländern schon seit Langem mehr gearbeitet werde. In Deutschland arbeite ein Vollzeitbeschäftigter im Durchschnitt nur 1.345 Stunden im Jahr. In der Schweiz mit 1.524 Stunden und den USA mit 1.811 Stunden seien das deutlich mehr Arbeitsstunden. Vor diesem Hintergrund müsse man sich nicht fragen, warum der renommierte Sägenhersteller Stihl plane, seinen Produktionsstandort in die Schweiz zu verlagern. Dort treffe er auf „fleißigere“ Arbeitnehmer, auf eine geringere Steuerbelastung, auf günstigere Energie, auf weniger Bürokratie und schnellere Realisierung künftiger Projekte.
Leistung müsse sich insgesamt wieder mehr lohnen. Dies gelinge unter anderem, indem Überstunden steuerfrei gestellt würden, das Weiterarbeiten nach Eintritt des Rentenalters ebenfalls steuerfrei bleibe und es einen signifikanten Unterschied zwischen Arbeit und Nicht-Arbeit im Sinne des Lohnabstandsgebots gebe. Dafür sei ein geringerer Unterschied zwischen Brutto und Netto, der Abbau der kalten Progression, anzustreben. Das Arbeitskräftepotenzial aus dem Bürgergeld sei darüber hinaus zu heben. Die circa zwei Millionen Menschen, die Bürgergeld bezögen, jedoch arbeitsfähig seien, sollten für den Arbeitsmarkt verpflichtend herangezogen werden – und seien es Tätigkeiten für die öffentliche Hand wie Grünpflege oder Reinigung. Die Begriffe „Fordern und Förden“ müssten zudem wieder in die richtige Balance gebracht werden.
Dr. Dino
Uhle (Landesgeschäftsführer) im Interview mit Katharina Hamberger vom
Deutschlandfunk (Foto: Christian Scholz)
Zum Ende seiner Rede ging Thorsten Frei MdB noch auf das Buch „Ist Deutschland noch zu retten?“ von Prof. Dr. Hans-Werner Sinn ein. Nach der Lektüre des Buches sei er in einer deprimierten Stimmung gewesen, da es in gewisser Weise Pessimismus versprühe. Aber mit Pessimismus kämen wir nicht weiter – wir brauchten zumindest Ansätze, die uns optimistischer in die Zukunft schauen ließen. Diese Ansätze müssten auf die technologieoffene Entfaltung der Marktkräfte gerichtet sowie auf unsere Stärken als Gesellschaft, Unternehmer, Erfinder und Innovator fokussiert werden. Der Staat sei nicht der bessere Unternehmer, Europa müsse bei großen Themen groß und bei kleinen Themen klein sein. Deutschland müsse wieder auf seine unternehmerische DNA und seine technologischen Stärken setzen. Gelinge dies, bleibe Thorsten Frei MdB der Optimist, der er schon immer gewesen sei.