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Bericht
21.04.2023
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Kommunen müssen bis zum Herbst ihre Wünsche beim Land hinterlegen

Sektion Neumünster diskutiert über Förderung regionaler Wirtschaftsstrukturen
©Agentur Hartwig3c

NEUMÜNSTER Was ist zu tun, damit sich die regionale Wirtschaft in den nächsten Jahren flächendeckend in Schleswig-Holstein besser entwickeln kann? Um diese Frage drehte sich die aktuelle Veranstaltung der Sektion Neumünster im Prima-Hotel in Neumünster. Unternehmer, Vertreter der Bau- bzw. Logistikbranche und des Handwerks sowie die Staatssekretärin im Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Tourismus, Julia Carstens (CDU), traten in einen intensiveb Austausch. Eine der Kernbotschaften des Gespräches: Die Kommunen im Land sind aufgefordert, bis zum Herbst dieses Jahres ihren Bedarf an Industrie- und Gewerbeflächen bei der Landesregierung zu hinterlegen, damit die Anforderungen und Wünsche in den neuen regionalen Raumordnungsplänen berücksichtigt werden.

 

Förderkriterien flexibler gestalten

 

Sektionssprecher Holger Bajorat machte in seiner Begrüßung mit der Schilderung persönlicher Erlebnisse als Bürgermeister der kleinen Gemeinde Stolpe deutlich, dass es neben der Schaffung von ausreichend Flächen auch darauf ankommt, die Kriterien für die Förderung durch Gelder der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW) zu überarbeiten. Die Ansiedlungen von Handwerksunternehmen oder von Betrieben aus der Bau- und Transwirtschaft in Gewerbegebieten sei derzeit praktisch chancenlos, „obwohl des in diesen Bereichen ausreichend Nachfrage gibt“. Kommunen würde so vielfach die Möglichkeit verwehrt, Arbeitsplätze aus dem Ort zu sichern, neue zu schaffen und erforderliches Steueraufkommen zu generieren. „Mit den Ausschlusskriterien, die das Förderprogramm vorsieht, lässt sich ganz schlecht leben und wir müssen gemeinsam darauf hinarbeiten, dass hier mehr Flexibilität im Interesse der Unternehmen möglich ist.“

 

Logistiker: Neue Flächen erforderlich

 

Bevor es in die Diskussion mit der Ministeriumsvertreterin aus Kiel ging, standen Impulsvorträge an. Dr. Thomas Rackow, Geschäftsführer des Unternehmensverband Logistik S.-H. e.V. (Neumünster) und Georg Schareck, Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft im Norden (Kiel), machten deutlich, worauf es aus ihrer Sicht ankommt, damit ihre Branchen in Schleswig-Holstein auch in Zukunft und langfristig erfolgreich agieren können. Dr. Rackow: „Es muss allen klar sein, dass sich alle Wirtschaftsbereiche und die Logistik einander bedingen. Wirtschaft braucht Logistik und umgekehrt.“ Dafür bräuchten die Unternehmen seiner Branche auch Entwicklungsflächen, denn „der Güterverkehr, der heute zu 70 Prozent per Lkw abgewickelt wird, wird bis 2050 noch um weitere 30 Prozent zunehmen“. Er zeigte anhand von Daten auch auf, dass die Branche mit ihren deutschlandweit 3,3 Millionen Arbeitskräften „nicht für die Verpestung der Welt verantwortlich ist“. Die Logistikbranche habe seit 1990 den Schadstoffausstoß kontinuierlich reduziert und heute einen Anteil von 0,00537 % an den CO2-Emissionen. Schareck: „Wir brauchen Fläche. Ich bin überzeugt, dass wir in Schleswig-Holstein die besten Voraussetzungen haben, um auch die Führungsrolle bei grüner Energie zu übernehmen.“ Neue Firmen würden – das sei logisch – dann eben auch neue Transportkapazitäten benötigen.

 

Bauwirtschaft: Branchen stärker bündeln

 

Aus Sicht der Bauwirtschaft kommt es nach Worten von Georg Schareck darauf an, dass bei der Schaffung von Entwicklungsflächen und deren Förderung neu zu denken. „Genug Flächen hätten wir. Landesweit sind etwa 75 Hektar Vorsorgefläche erfasst. Es sollte mehr in Richtung Nachhaltigkeit und Transmission gedacht werden und eher der Ansatz der Gebietskulissen- statt der Einzelförderung von Firmen im Vordergrund stehen.“ Er plädierte dafür, Branchen stärker zu bündeln und vor allem auch den Wettstreit der Einzelkommunen um Ansiedlungen („Es geht da immer ums Geld“) zu beenden.

 

Handwerk fühlt sich nicht willkommen

 

In der anschließenden Gesprächsrunde brachte Thorsten Freiberg als Präsident des Handwerk Schleswig-Holstein e.V. die Sichtweise der Handwerksbetriebe ein. Bis heute sei es so, dass sich Handwerksbetriebe in den Gewerbegebieten nicht wirklich willkommen sehen. „Mit den Anforderungen, die das Land und die Kommune an uns stellen, fällt es unfassbar schwer, sich dort anzusiedeln.“ Aus seiner Sicht seien neue Konzepte und Förderrichtlinien gefragt, damit das Handwerk in der Fläche weiterhin mit seinen Stärken agieren kann.

 

Carstens: Wünsche beim Land platzieren

 

Staatssekretärin Carstens zeigte Verständnis für die Kritik an den Förderrichtlinien, machte zugleich aber deutlich, dass die angesprochene GRW-Förderung eine bundesweit geltende Regelung sei und nicht einer grundsätzlichen Gewerbegebietsförderung diene. Sie versprach, die Anregungen aus dem Gespräch mit in die nächste Runde aller Bundesländer zu diesem Thema mitzunehmen. Darüber hinaus forderte sie die Spitzenverbände des Landes auf, auch über ihre Netzwerke auf die Weiterentwicklung der Förderkriterien, die aktuell bis 2027 gelten, hinzuwirken. Mit Blick auf die Ausweisung und Realisierung künftiger Gewerbegebiete appellierte sie an die Mitglieder des Wirtschaftsrates, vor Ort auf kommunaler Ebene Einfluss zu nehmen, damit die jeweilige Stadt oder Gemeinde die Anforderungen bis zum Herbst beim Land platziere. „Wir arbeiten an der Erstellung neuer Regionalpläne. Wir brauchen dafür die Informationen, was vor Ort gewollt ist“, so die Christdemokratin. Überlegungen, für einzelne Branchen wie beispielsweise dem Logistikwegen Vorranggebiete einzuräumen, erteilte sie hingegen eine Absage. /Holger Hartwig

 

Bildunterzeile:

 

Die bessere Förderung regionaler Wirtschaftsstrukturen und die Möglichkeiten zur Schaffung neuer Ansiedlungsflächen standen im Mittelpunkt einer Diskussionsrunde in Neumünster. Sektionssprecher Holger Bajorat (Bildmitte) begrüßte dazu (von links) Georg Schareck, Thorsten Freiberg, Julia Carstens und Dr. Thomas Rackow.