Mehr sparen, mehr entlasten und Zufallskriegsgewinne abschöpfen
RENDSBURG Es ist aktuell wohl das Thema, was die Menschen in Deutschland am meisten bewegt: die Frage einer bezahlbaren und zugleich sicheren Energieversorgung mit Gas, Strom und Öl. Insofern erwarteten die Mitglieder der Sektion Rendsburg-Eckernförde des Wirtschaftsrates der CDU e.V. am vergangenen Freitag, den 16.09.22, gespannt darauf, mit welchen Botschaften Dr. Ingrid Nestle, energie- und klimaschutzpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag, in das Hotel Conventgarten nach Rendsburg kommen würde. Das, was sie hörten, überraschte nicht – und führte auch zu den erwarteten Diskussionen mit einer Grünen-Politikerin – beispielsweise mit Blick auf die Weiternutzung der Atomenergie.
Dr. Nestle machte nach der Begrüßung durch Sektionssprecher Achim Petersen deutlich, dass die Energiepolitik derzeit zwei Ebenen habe: Zum einen das, was sich die neue Regierung für das Erreichen der Klimaziele vorgenommen hat, zum anderen das Tagesgeschäft, „das uns durch Putins Ukraine- und Gas-Krieg täglich neu fordert.“ Die Bundestagsabgeordnete, die von 2012 bis 2017 Staatssekretärin im Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume in Kiel war, machte dabei deutlich, dass „wir die langfristige Energie-und Klimapolitik nicht links liegen lassen“. Es seien in den vergangenen Monaten zahlreiche neue Gesetze und Regelungen entwickelt worden, „damit die Energiewende mit Versorgungssicherheit funktioniert“. Nestle: „Wir haben große Booster-Pakete für erneuerbare Energien aufgelegt und holen nun nach, was die vorherigen Regierungen versäumt haben.“ Es seien zwar mit dem Ausstieg aus der Atom- und Kohleenergie vernünftige Entscheidungen getroffen worden, „nur leider hat man es dann versäumt, im Gegenzug auch mit Nachdruck die erneuerbaren Energien und Techniken zu forcieren“.
Mehr im Fokus stünde – für sie durchaus nachvollziehbar – das Krisenmanagement mit Blick auf die Energiepreise und die Versorgungssicherheit, dass durch Putins Krieg und Politik erforderlich werde. Dr. Nestle brach eine Lanze für ihren Grünen-Minister Dr. Robert Habeck. „Er ist ein beherzter Manger, der zügig handelt und wir haben dadurch noch höhere Preise oder Engpässe verhindern können.“
Ziel: Alle sollen Energie sparen
Für die Ingenieurin, die in Flensburg Energie- und Umweltmanagement studiert hat, müsse es darum gehen, dass sich jetzt über alle Partei- und Ideologiegrenzen hinweg alle unterhaken. „Wir müssen die Gefahr, die für Wirtschaft und Politik in unserem Land in dieser Krise bestehen, ernster nehmen und zusammenhalten.“ Es helfe nichts, in Panik zu verfallen, zumal die Ausgangslage weiterhin besser sei als beispielsweise für die Menschen direkt nach dem 2. Weltkrieg. Dr. Nestle definiert für die Politik der kommenden Wochen und Monate klare Ziele. Es müsse gelingen, die Energiepreise runterzubekommen. Deshalb müsse die Regierung den Mut haben, als EU hart mit Lieferanten zu verhandeln und es müsse gelingen, dass in allen Gesellschaftsbereichen bis zu 20 Prozent Energie eingespart werde. „Dafür ist es erforderlich, dass alle in unserem Land mitmachen und sich solidarisch zeigen, unabhängig davon, ob sie es sich leisten könnten, auf Einsparungen zu verzichten“. Was Entlastungen betrifft, „müssen wir es schaffen, dass das Geld dahingeht, wo es dringend bei Haushalten und in den Unternehmen benötigt wird“. Es sei unabdingbar, dass der Staat in dieser Situation die Zufallskriegsgewinne von Konzernen abschöpfe.
Mit Nachdruck erneuerbare Energie forcieren
Aus ihrer Sicht ist bei der Bevölkerung aber „noch nicht ausreichend angekommen, dass auch nach Ende des Krieges die Welt nicht so bleibt, wenn wir weitermachen wie bisher. Sie wird sich dann so klimatisch ändern, wie es uns nicht gefallen wird“. Es sei erforderlich, dass der Weg, losgelöst von den fossilen Energien, mit Nachdruck weitergegangen wird. „Putins Krieg ist jetzt für alle spürbar, aber die Klimakrise bleibt auch danach“.
Wasserstoffstrategie zur Umsetzung bringen
Die sich anschließende Diskussion warf viele Fragen auf, die Dr. Nestle zwar beantwortete, welche den Unternehmensvertretern inhaltlich aber oft zu wenig konkret erschienen. So wurde unter anderem gefordert, dass die Wasserstoffstrategie, die beschlossen ist, in Schleswig-Holstein durch die Schaffung des rechtlichen Rahmens viel stärker zur Umsetzung gebracht werden müsste als bisher, und auch das Thema Atomenergie seitens der Grünen noch einmal überdacht werden müsse. Insgesamt sei mehr Entschlossenheit gefragt und Entscheidungen sollten etwas längerfristig angelegt werden, um für die Unternehmen Verlässlichkeit zu schaffen.
Klares Nein zur Atomenergie
Dr. Nestle bewerte den Dialog mit der Wirtschaft und die Anregungen als insgesamt zielführend. In einem Punkt hielt sie jedoch an der Haltung ihrer Partei fest: „Es wird auch übergangsweise keine weitere Atomenergie geben. Es fehlt uns im Moment zwar noch an der Masse bei den erneuerbaren Energien. Das wird sich ändern. Wenn wir das Potenzial nutzen, werden wir nur zudem noch einen kleinen Teil der Energie von 4 Prozent durch Gaskraftwerke benötigen.“ Man habe aktuell eine Managementaufgabe, die man in Summe gut löse. Vor allem hätten die Grünen in den vergangenen Monaten an vielen Stellen ihre situationsbezogene Flexibilität ausreichend unterstrichen.
Bildunterzeile:
Informierte über die aktuelle Energiepolitik der Bundesregierung: Dr. Ingrid Nestle, Energie- und klimaschutzpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag (links), hier mit Sektionssprecher Achim Petersen.