„Vorleben und Machen!“
Bei einem Mittagsgespräch der Sektion Lübeck sprachen Wirtschaftsrats-Präsidentin Astrid Hamker sowie zwei Unternehmerinnen über die Rolle der Frau, die Sinnlosigkeit einer Quote und über große Vorbilder.
Die Rolle der Frau in der Wirtschaft ist ein Thema von großer gesellschaftlicher Bedeutung und Gegenstand fortlaufender Debatten. Dabei reicht die Bandbreite von der Unterrepräsentation in Führungspositionen über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bis hin zu ungleichen Gehaltsstrukturen. Vor diesem Hintergrund veranstaltete der Wirtschaftsrat Schleswig-Holstein in seiner Sektion Lübeck eine Veranstaltung mit dem Titel „Frauen in der Wirtschaft – Potenziale und Hemmnisse“.
Sektionssprecher Johannes Kalläne begrüßte zu diesem Anlass drei hochkarätige Gäste: Astrid Hamker, Präsidentin des Wirtschaftsrates der CDU e.V., Friederike C. Kühn, geschäftsführende Gesellschafterin der MWS Werbeagentur GmbH und ehemalige Präses der IHK zu Lübeck, sowie Lisa Sachau, Geschäftsführerin der familiengeführten Teppich-Kibek GmbH. Sie berichteten anschaulich von ihren eigenen Erfahrungen, bezogen Stellung und sprachen Hindernisse offen an.
Astrid Hamker warb zu Beginn dafür, jene Frauen als Vorbilder zu sehen, die bereits eine hohe Position innehatten. Als Beispiele führte sie Angela Merkel und Ursula von der Leyen an. Sie sprach sich – wie auch die übrigen Referentinnen – gegen eine Frauenquote aus, da diese einer Frau ihre Qualifikationen absprechen würde. Als eines der größten Hemmnisse sieht sie die Kinderbetreuungsmöglichkeiten im gesamten Bundesgebiet und meldete erheblichen Nachholbedarf in diesem Bereich an. Sie plädierte zudem dafür, Frauen „das Führen“ beizubringen; dies funktioniere am ehesten durch Förderung und Mentoring: „Wir unterstützen Frauen am besten durch Ermöglichen, Ertüchtigen und Ermutigen.“ Hamker konstatierte aber auch, dass sich das Bild der Frau in der Gesellschaft geändert habe, was man daran ablesen könne, dass Väter zunehmend Verantwortung übernähmen und so die Mütter entlasteten. Auch der Wirtschaftsrat trage dem Rechnung: Ziel sei ein Frauenanteil in allen Gremien von 25 Prozent.
Friederike C. Kühn leitete ihren Impuls mit einigen Kennzahlen aus der Wirtschaft ein. So würden beispielsweise 40 Prozent aller Unternehmen in Schleswig-Holstein von Frauen gegründet, aber nur drei Prozent davon seien wirtschaftlich bedeutend. Kühns Appell lautet daher: „Think big! Traut Euch etwas zu!“ Bundesweit würden 30 Prozent der Unternehmen von Frauen gegründet, und nur acht Prozent der neuen Patente würden von Frauen eingereicht. Die familieninterne Unternehmensnachfolge träten in nur 20 Prozent der Fälle die Töchter an, obwohl sie höhere und bessere Schulabschlüsse erreichten. „Wo sind die Frauen?“, fragte Kühn und gab die Antwort gleich selbst: „Es fehlt ihnen die Zeit.“ Denn nach wie vor sei die Care-Arbeit meist bei den Frauen angesiedelt. Doch wer etwas verändern wolle, müsse den Sprung in die erste Reihe wagen. Die IHK unterstütze Frauen dabei. Zum einen biete sie spezielle Gründerinnen- und Unternehmerinnen-Sprechtage speziell für Frauen an, denn Frauen hätten eine andere Art der Kommunikation. Zudem gebe es die Initiative „Frauen in Führung im Norden“ (FiFiN). Und schließlich sollten Frauen auch darüber nachdenken, ein bestehendes Unternehmen zu übernehmen; 7.000 Übergaben stünden allein in Schleswig-Holstein in den kommenden Jahren an; die IHK sei hierbei kompetenter Ansprechpartner.
Schließlich erläuterte Lisa Sachau, welche Erfahrungen sie als Tochter bei der Nachfolge im familieneigenen Unternehmen gemacht hat. Die erste Position, die jede Erbin und jeder Erbe innehabe, sei die der Tochter bzw. des Sohns. Es sei ein ständiger Kampf, gegen dieses Image anzugehen. Daher galt es für sie zunächst, sich den Respekt der Mitarbeiter zu verdienen, die zum Teil bereits seit Jahrzehnten für ihren Vater tätig gewesen waren. Sie habe deshalb sämtliche Abteilungen durchlaufen, selbst an der Kasse gestanden und alle 16 Filialen jeweils für mehrere Tage besucht. In der ersten Zeit als Geschäftsführerin sei es dann durchaus vorgekommen, dass ältere männliche Mitarbeiter sie „getestet“ hätten, so Sachau. Sie habe in einer eher männerdominierten Branche gezielt Frauen gefördert; mittlerweile gebe es bereits zwei Bereichsleiterinnen. Ihr Rat an andere Frauen laute daher „Vorleben und machen“. Nur dadurch schaffe man Veränderungen. Zudem verwies sie auf den Aspekt, dass viele erfolgreiche Frauen und Unternehmerinnen Single seien, da viele Männer nicht damit umgehen könnten, dass die Partnerin mehr arbeite und mehr verdiene als sie selbst. Es gehöre daher bedauerlicherweise oft Überwindung dazu zu sagen „Ich bin Unternehmerin“.
In der anschließenden Diskussion wurden die größten Probleme für die Gleichstellung von Frauen in der Wirtschaft klar benannt: Die mangelhafte Kinderbetreuung durch KITA und Schule, insbesondere in den Tagesrandzeiten; die nach wie vor anzutreffende Haltung, dass Söhne den Familienbetrieb übernähmen und die Töchter für den Nachwuchs zuständig seien; die mangelnde Flexibilität in den Arbeitszeitmodellen, die Jobsharing und Teilzeitführung erschwerten. Die Politik sollte daher sowohl die Flexibilisierung der Arbeitswelt als auch die Errichtung von Betriebskindergärten erleichtern.