Bericht
11.07.2025
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„Wir sind die Weltmeister der Regulierung“

Diskussionsveranstaltung der Sektion Rendsburg-Eckernförde mit Simon Steinbrück, Chefvolkswirt des Wirtschaftsrates
©Wirtschaftsrat

Die Hoffnungen auf einen wirtschaftlichen Aufbruch sind seit dem Antritt der neuen Bundesregierung allgegenwärtig. Wenn über Wirtschaft gesprochen wird, mangelt es meist nicht an Meinungen. Um dieser Diskussion jedoch den fachlichen Hintergrund zu geben, diskutierten die Mitglieder und Gäste der Sektion Rendsburg-Eckernförde unter der Leitung ihres neu gewählten Sprechers Carsten Tietje mit dem Chef-Ökonom und Leiter der Abteilung Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik des Wirtschaftsrats, Simon Steinbrück.

Mit viel Humor warnte der aus Berlin angereiste Volkswirt die anwesenden Unternehmer: „Ich habe das Gefühl, dass die Leute nach meinen Vorträgen immer deprimiert sind“. Das sollte der Brisanz und Aktualität des Vortrags aber keinen Abbruch tun: Mit Statistiken untermauerte Steinbrück die volkswirtschaftlichen Hintergründe von bundesweit geführten Debatten. Er sehe im Vergleich zur Ampel-Regierung ein Umdenken, dennoch teile er eine losgelöste Euphorie nicht: „Dafür ist es noch zu früh“.

In Bezug auf private Investitionen habe Deutschland nach wie vor das Nachsehen gegenüber den USA: „Das sind ganz klar keine guten Zahlen“. So zitiert Steinbrück das Institut der deutschen Wirtschaft, das die Geldabflüsse als „so hoch wie nie“ bezeichnet. Auch die Industrieproduktion sinke stetig und habe sich seit der Covid-19-Pandemie nicht auf das Vorkrisenniveau erholen können. „Wir sehen eine Deindustrialisierung“, mahnte der 46-Jährige.

Auch ein Bruttozuwachs beim Gehalt lohne sich besonders bei kleinen Familien kaum. Das Wegfallen von Subventionen kompensiere das erhöhte Einkommen derart, dass sich das verfügbare Einkommen im Resultat teils reduziere. „Wie kann das sein?“, fragte der Ökonom beinahe ungläubig.

Der Ausgang der Bundestagswahl musste angesichts der nicht mehr vorhandenen Zweidrittelmehrheit auf Regierungsseite ebenfalls diskutiert werden: „Das Ergebnis ist sehr weit von den Erwartungen entfernt.“ Dies habe bereits jetzt mehrfach negative Auswirkungen auf die Regierungspolitik gehabt, beispielsweise bei der Einführung des Sondervermögens, bei dem die Grünen eine entscheidende Rolle spielten. Laut Steinbrück erziele das Sondervermögen allein keinen automatischen Mehrwert: „Das Geld muss dort investiert werden, wo wir den größten Output erwarten können.“

Steinbrück sieht einen zentralen Aspekt als schwere Belastung für die deutsche Wirtschaft: „Wir sind die Weltmeister der Regulierung!“ Während die USA in Bereichen wie Big Tech, Pharma und Künstliche Intelligenz sowie China bei Batterien, Telekommunikationsnetzen und Drohnen führend seien, liege die EU bei Regulierungsmaßnahmen weltweit vorn.

Nach einer kurzweiligen Präsentation nutzten die Teilnehmer die Gelegenheit zur Diskussion mit Simon Steinbrück. Dabei ging es unter anderem um folgende Fragen: Was bewegt Unternehmer dazu auszuwandern? Wie können wir gegenteilige Anreize schaffen? Welche Faktoren sind entscheidend für private Investitionen?