Erstmals lud der Wirtschaftsrat zu einer Finanzmarktklausur am Finanzplatz Frankfurt ein. Mehr als 100 hochrangige Vertreter aus der Finanzwirtschaft konnten sich in einen zukunftsweisenden Dialog zwischen Marktperspektiven und Politik einbringen. Dabei war der Wirtschaftsrat mit seiner Finanzmarktklausur zur rechten Zeit am rechten Ort.
Die USA haben ihren Präsidenten gewählt, die Europäische Kommission wird in den nächsten Tagen ihre Arbeit aufnehmen können, und Deutschlands Bundesregierung ist zerbrochen. In dieser unsicheren Lage rücken die Wettbewerbsfähigkeit und die Stabilität der Finanzmärkte in den Fokus. Anhaltend hohe geopolitische Spannungen und Staatsschuldenstände fordern die Finanzmarktstabilität heraus. Gleichzeitig nimmt die Finanzwirtschaft eine strategische Rolle für Wachstum und Wohlstand ein. Unsere Wirtschaft vollzieht einen Strukturwandel: Digitale Geschäftsmodelle, CO2-arme Prozesse, verlagerte Wertschöpfungsketten einerseits sowie Demographie und Arbeitskräftemangel andererseits führen zu hohen Investitionsbedarfen der Unternehmen. Die Finanzwirtschaft übernimmt hierbei die zentrale, strategische Aufgabe der Finanzierung von Unternehmen und Wirtschaft.
Bilder: ®Jens Schicke
Die Präsidentin des Wirtschaftsrates, Astrid Hamker, eröffnete die Klausurtagung mit wegweisenden Worten zur wirtschaftspolitischen Zukunft Deutschlands: „Vertrauen in marktwirtschaftliche Lösungen sowie die Kreativität und Schaffenskraft unserer Bürger sind entscheidend!“ Gleichzeitig setzte sie sich dafür ein, dass die Politik an der Schuldenbremse festhält. Es sei ein Märchen, dass Deutschland erst wieder in Form kommen könne, wenn die Schuldenbremse gelockert würde, weil sie Innovationen und Investitionen verhindere. Es gebe sehr viele Hebel um private Investoren einzubeziehen, das Haftungsprinzip einzuhalten und Preissignale zuzulassen. In erster Linie gilt es, die Rahmenbedingungen für die privaten Investitionen zu verbessern.
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Prof. Dr. Roland Koch, ehemaliger hessischer Ministerpräsident und Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung, machte in seiner Opening Keynote deutlich, dass es für die Finanzwirtschaft um die internationale Positionierung gehe. Demgegenüber leide die Finanzbranche an einem Regulierungsinfarkt. Regulierer und Finanzwirtschaft hätten den Überblick in einem Regulierungsdickicht verloren. Von der neuen Bundesregierung und Europäischen Kommission forderte er daher, hier in die Offensive zu gehen und Regulierung zurückzufahren.
Souâd Benkredda Mitglied des Vorstands der DZ BANK AG, sagte, dass die Euro Zone zwischen den wichtigsten globalen Handelsmärkten liegt. Der Euro ist die stabilste Währung der Welt, doch daraus würde die Politik viel zu wenig machen. Dabei brauchen wir dringend eine Alternative zum US-Dollar für die Emerging Markets. Hier liegt eine Chance für die Europäische Union!
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Hieran konnte Eddy Henning, Mitglied des Vorstands bei der ING-DiBa AG, in seiner Keynote anknüpfen und ein Überdenken des EU-Green Deal fordern. Er betonte die Notwendigkeit von Pragmatismus, Simplifizierung und Marktverständnis im europäischen Regelwerk. Demgegenüber entfalte vor allem die Green-Asset-Ratio eine sehr begrenzte Wirkung und Fehlanreize.
In einem eigenen Panel widmete sich die Finanzmarktklausur der geoökonomischen Dimension für die Finanzwirtschaft. Dr. Ingrid Hengster, Country CEO Germany der Barclays Bank, kritisierte, dass man noch immer zu sehr in nationalen Kapitalmärkten lebte, obwohl internationale Export- und Gütermärkte auch internationale Kapitalerfordernisse hätten. Der Finanzpolitiker Dr. Michael Meister MdB betrachtet mit Sorge, dass das Baseler-Regelwerk international nicht gleichermaßen umgesetzt wird. Er warnte davor, dass das Finanzsystem in der EU auch noch seine Finanzierungsfunktion erfüllen können müsse. Oliver Behrens, Aufsichtsratsvorsitzender der DWS Group, appelliert, dass die Finanzwirtschaft daher mit klaren Forderungen gegenüber der kommenden Europäischen Kommission auftreten müsse, um als Branche international wettbewerbsfähig zu bleiben.
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In einem weiteren Panel griff die Finanzmarktklausur die Herausforderungen aus Vorgaben von Sustainable Finance für die Finanzierung der Wirtschaft auf. Dr. Klaus Wiener MdB, Finanz- und Wirtschaftspolitiker der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, betonte in seinem Statement: „Wir brauchen keinen Green Deal, sondern einen Growth- and Green-Deal.“ Er betonte, dass es vorrangig Wachstum brauche, bevor über sich die Politik über eine Transformation der Wirtschaft Gedanken mache. Daher müssten alle Aktivitäten in den Blick genommen werden.
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Frank Scheidig, Global Head of Senior Executive Banking bei der DZ-Bank, sprach vor diesem Hintergrund von einem „Wake-up-Call“ der Wiederwahl Donald Trumps zum US-Präsidenten. Die Politik habe die Finanzwirtschaft in den letzten Jahren vernachlässigt. Er plädierte dafür, dass Realwirtschaft, Finanzwirtschaft und Wissenschaft gemeinsam die Herausforderungen der Dekarbonisierung und Nachhaltigkeitsfinanzierung angehen. Dann könnte die EU sogar in Führung gehen. Lutz Diederichs, CEO der BNP Paribas Deutschland und Vorsitzender der Bundesfachkommission Europäische Finanzmarkt- und Währungspolitik im Wirtschaftsrat, kritisierte eine marktverzerrende Wirkung von politischen Vorgaben: Für die Finanzierung von Wachstum seien zuerst tragfähige Geschäftsmodelle und Eigenkapital gefordert, dann erst dürften förderpolitische Instrumente eingeführt werden.
Die ehemalische Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger MdB brachte mit einem Plädoyer für die Finanzbildung auch die gesellschaftspolitische Perspektive ein. Deutschland brauche mehr Vermögensaufbau und eine bessere Rentenvorsorge. Sie stellte heraus, dass eine gute Finanzbildung Grundlage sei, um selbstbestimmte Entscheidungen für den Umgang mit Kapital und Vermögen treffen zu können. Ein grundlegendes Verständnis von Finanzthemen sei wichtig, um Lebenschancen unabhängig von der sozioökonomischen Herkunft zu machen.
Die Finanzmarktklausur nahm sich zum Ende des Konferenztages auch noch den Potentialen eines Digitalen Euros an.
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Prof. Dr. Joachim Wuermeling appellierte, die Vorschläge der Europäischen Zentralbank für einen Digitalen Euro zu nutzen, um diesen für Anwendungspotentiale in der Wirtschaft weiterzuentwickeln. Die wahren Chancen einer digitalen Zentralbankwährung lägen in den Zahlungen im Business-to-Business. Tobias Czekalla, Deutschlandchef von VISA, bekräftigte, dass für Zahlungen im Verbraucherbereich Marktlösungen bereits etabliert seien und eine digitale Zentralbankwährung hier keinen Mehrwert schaffe.
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Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates, betonte in seinem Resümee, dass der Wirtschaftsrat mit seiner ersten Finanzmarktklausur am Finanzplatz Frankfurt ganz bewusst ein Zeichen setzen wollte: „Der Wirtschaftsrat weiß um die strategische Relevanz der Finanzwirtschaft für die deutsche Volkswirtschaft und unsere Unternehmen.“ Demgegenüber habe die letzte Bundesregierung es nicht verstanden, Finanzmarktpolitik als strategische Komponente für den Strukturwandel unserer Wirtschaft zu verstehen. Die Ampel-Regierung sei daher auch am Thema Finanzierung gebrochen: „Die von Olaf Scholz nicht-geführte Bundesregierung ist kläglich an ihrem Mantra gescheitert, dass die Herausforderungen von Klimawandel und Veränderungen der Weltwirtschaft, die verteidigungspolitische Zeitenwende und das Zuschnappen der Demografie-Falle nur noch schuldenfinanziert von einem gelockerten Stabilitätspakt und lockeren Schuldenbremse gestaltet werden könne.“ Wolfgang Steiger gab abschließend einen zukunftsweisenden Impuls: „Wirtschafts- und finanzpolitische Interessen müssen stärker denn je zusammen gedacht werden. Wir brauchen ein ordnungspolitisches Konzept, das Orientierung entlang von Prinzipien bietet. Gerade jetzt ist es wichtig, auf die Soziale Marktwirtschaft zurückzubesinnen.“
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Die Finanzmarktklausur schloss mit einem Dinner, bei dem das neue Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, Lutz Lienenkämper, den Zusammenhang zwischen der Tragfähigkeit öffentlicher Schulden und der Finanzmarktstabilität aufzeigte. Er wies darauf hin, dass das Finanzsystem vor akuten Herausforderungen aufgrund geopolitischer Spannungen und einer schwachen Wirtschaft stehe. Zunehmende Handelskonflikte und Unsicherheiten an den Märkten vor dem Hintergrund einer stärkeren politischen Fragmentierung der Weltwirtschaft könnten die Herausforderungen für das deutsche Finanzsystem verstärken.