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Medienresonanz
29.06.2022
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Arbeitswillige haben es zu schwer

FAZ
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Gastbeitrag von Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU e.V.

Ob in Bäckereien, Restaurants oder auf der Autobahn auf Last- wagen - überall fallen uns Stellenanzeigen ins Auge. Die deutsche Wirtschaft kämpft flächendeckend mit einem lange nicht da gewesenen Arbeitskräftemangel. Es fehlt an Fachkräften, aber auch an gering qualifiziertem Personal. Die 1,7 Millionen offenen Stellen stehen in Kontrast zu den knapp 2,3 Millionen Arbeitslosen. Doch anstatt Abhilfe zu schaffen, hegt die Ampelkoalition Arbeitsunwillige ein und macht es Unternehmen schwer, Personal zu finanzieren.

Nach einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages geben 39 Prozent aller Dienstleistungsunternehmen an, Stellen für ungelernte Kräfte nicht besetzen zu können - Stellen wie im Sicherheitsgewerbe und bei der Gebäudereinigung, wo 80 Prozent der Betriebe über Personalmangel klagen. Wie kann es da sein, dass der Steuerzahler jährlich 45 Milliarden Euro für Empfänger von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) aufbringen muss, Tendenz steigend? Offensichtlich ist der Druck auf arbeitsfähige, aber arbeitsunwillige Leistungsempfänger nicht groß genug. Wer gesund ist und eine Arbeitsstelle ablehnt, muss Sanktionen spüren und darf dem Steuerzahler nicht länger auf der Tasche liegen, eigentlich eine Selbstverständlichkeit.

Doch die Ampel will, trotz offensichtlicher Notwendigkeit, das Leistungsprinzip nicht ausbauen, sondern weiter aussetzen. Arbeitsunwillige sollen keine Sanktionen fürchten müssen, wenn sie Termine nicht wahrnehmen oder zumutbare Arbeitsstellen ablehnen. Dies führt in Kombination mit faktisch offenen Grenzen dazu, dass weiter Armut zuwandert. Heimische Arbeitslose bleiben in der Hängematte staatlicher Alimentierung liegen. Sanktionsfreier Leistungsbezug lockt Zuwanderer in die Sozialsysteme. Das verdirbt die Moral auch der Willigen.

Seit 2005 die Hartz-Reformen ihre Wirkung entfalten konnten, hat sich die Zahl bedürftiger Menschen halbiert. Das zeigt, dass Arbeit der beste Schutz vor Armut ist. Doch wie geht die Regierung mit Arbeitslosen um, die in den Arbeitsmarkt zurückwollen und Teilzeitstellen annehmen? Nach den aktuellen Regeln für den Hinzuverdienst rechnet es sich kaum, mehr als eine geringfügige Beschäftigung aufzunehmen. Ein Hartz-IV-Empfänger mit einer 1300-Euro-Teilzeitbeschäftigung hat gerade 130 Euro mehr in der Tasche, als ein 450-Euro-Minijobber. Arbeitslosen wird vermittelt, dass sich Leistungsbereitschaft nicht lohnt. Statt die Hängematte für Arbeitsunwillige weiter zu polstern, muss die Regierung deshalb die Hinzuverdienstregeln für arbeitswillige Hartz-IV-Empfänger attraktiver gestalten.

Aber nicht nur am unteren Ende von Qualifikation und Einkommen versagt die Ampel. Auch die Mitte der Gesellschaft leidet unter einer fehlgeleiteten Arbeits- und Sozialpolitik. Deutschland ist im OECD-Vergleich einer der Spitzenreiter bei Steuern und Abgaben. In kaum einer anderen Industrienation werden Unternehmen und Bürger so sehr zur Kasse gebeten. Trotzdem reicht das für die Zukunft nicht, will uns die Ampel weismachen und stellt in Zeiten von Rekordsteuereinnahmen immer höhere Spitzensteuersätze und Schulden in den Raum. Zusätzlich wird über steigende Krankenkassenbeiträge, Mindestrentenniveaus oder den Ausschluss eines höheren Renteneintrittsalters diskutiert. Anstatt das System der staatlichen Umlagefinanzierungen zu entschlacken, kennt die SPD-geführte Bundesregierung nur die übliche Antwort: mehr Umverteilung.

Obendrauf schafft die Ampel mit Veränderungen bei Teilzeitbeschäftigungen neue Probleme. Sie erhöht die Obergrenze, bis zu der die "Midijob"-Sonderregelung greift, von 1300 Euro auf 1600 Euro, gleichzeitig steigen Sozialabgaben der Arbeitgeber auf bis zu 28 Prozent. Das verschärft den Fachkräftemangel und die Rückkehr von Müttern in Vollzeitjobs. Außerdem wird der Einstieg in die Sozialversicherungspflicht erschwert, da es aufgrund der gestiegenen Sozialbeiträge für Arbeitgeber unattraktiver wird, Minijobs zu Midijobs aufzuwerten. Prinzipiell ist dies wieder ein Beispiel, wie die Ampel die Lebenswirklichkeit ausgeblendet und neue Hürden für Wechsel von Vollzeit- in eine Teilzeitbeschäftigung und zurück errichtet.

Die Erhöhung des Mindestlohnes auf 12 Euro pro Stunde ist zudem nicht nur ein harter Eingriff in die Tarifautonomie, der im unteren Einkommensbereich wirkt. Auch Gehälter über dem Mindestlohn werden steigen. So wird der Inflationsdruck erhöht und die Lohn-Preis-Spirale angeheizt. Das scheint der Regierung völlig egal zu sein. Wenn die Ampel nicht umgehend gegensteuert und ein mutiges Reformpaket für den Arbeitsmarkt vorlegt, wird ihre verfehlte Politik die akuten Probleme weiter verschlimmern. Wolfgang Steiger ist Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU e.V.