Arbeitswillige haben es zu schwer
Gastbeitrag von Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU e.V.
Ob in Bäckereien, Restaurants oder auf der Autobahn auf Last- wagen -
überall fallen uns Stellenanzeigen ins Auge. Die deutsche Wirtschaft
kämpft flächendeckend mit einem lange nicht da gewesenen
Arbeitskräftemangel. Es fehlt an Fachkräften, aber auch an gering
qualifiziertem Personal. Die 1,7 Millionen offenen Stellen stehen in
Kontrast zu den knapp 2,3 Millionen Arbeitslosen. Doch anstatt Abhilfe
zu schaffen, hegt die Ampelkoalition Arbeitsunwillige ein und macht es
Unternehmen schwer, Personal zu finanzieren.
Nach einer Umfrage
des Deutschen Industrie- und Handelskammertages geben 39 Prozent aller
Dienstleistungsunternehmen an, Stellen für ungelernte Kräfte nicht
besetzen zu können - Stellen wie im Sicherheitsgewerbe und bei der
Gebäudereinigung, wo 80 Prozent der Betriebe über Personalmangel klagen.
Wie kann es da sein, dass der Steuerzahler jährlich 45 Milliarden Euro
für Empfänger von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) aufbringen muss,
Tendenz steigend? Offensichtlich ist der Druck auf arbeitsfähige, aber
arbeitsunwillige Leistungsempfänger nicht groß genug. Wer gesund ist und
eine Arbeitsstelle ablehnt, muss Sanktionen spüren und darf dem
Steuerzahler nicht länger auf der Tasche liegen, eigentlich eine
Selbstverständlichkeit.
Doch die Ampel will, trotz
offensichtlicher Notwendigkeit, das Leistungsprinzip nicht ausbauen,
sondern weiter aussetzen. Arbeitsunwillige sollen keine Sanktionen
fürchten müssen, wenn sie Termine nicht wahrnehmen oder zumutbare
Arbeitsstellen ablehnen. Dies führt in Kombination mit faktisch offenen
Grenzen dazu, dass weiter Armut zuwandert. Heimische Arbeitslose bleiben
in der Hängematte staatlicher Alimentierung liegen. Sanktionsfreier
Leistungsbezug lockt Zuwanderer in die Sozialsysteme. Das verdirbt die
Moral auch der Willigen.
Seit 2005 die Hartz-Reformen ihre
Wirkung entfalten konnten, hat sich die Zahl bedürftiger Menschen
halbiert. Das zeigt, dass Arbeit der beste Schutz vor Armut ist. Doch
wie geht die Regierung mit Arbeitslosen um, die in den Arbeitsmarkt
zurückwollen und Teilzeitstellen annehmen? Nach den aktuellen Regeln für
den Hinzuverdienst rechnet es sich kaum, mehr als eine geringfügige
Beschäftigung aufzunehmen. Ein Hartz-IV-Empfänger mit einer
1300-Euro-Teilzeitbeschäftigung hat gerade 130 Euro mehr in der Tasche,
als ein 450-Euro-Minijobber. Arbeitslosen wird vermittelt, dass sich
Leistungsbereitschaft nicht lohnt. Statt die Hängematte für
Arbeitsunwillige weiter zu polstern, muss die Regierung deshalb die
Hinzuverdienstregeln für arbeitswillige Hartz-IV-Empfänger attraktiver
gestalten.
Aber nicht nur am unteren Ende von Qualifikation und
Einkommen versagt die Ampel. Auch die Mitte der Gesellschaft leidet
unter einer fehlgeleiteten Arbeits- und Sozialpolitik. Deutschland ist
im OECD-Vergleich einer der Spitzenreiter bei Steuern und Abgaben. In
kaum einer anderen Industrienation werden Unternehmen und Bürger so sehr
zur Kasse gebeten. Trotzdem reicht das für die Zukunft nicht, will uns
die Ampel weismachen und stellt in Zeiten von Rekordsteuereinnahmen
immer höhere Spitzensteuersätze und Schulden in den Raum. Zusätzlich
wird über steigende Krankenkassenbeiträge, Mindestrentenniveaus oder den
Ausschluss eines höheren Renteneintrittsalters diskutiert. Anstatt das
System der staatlichen Umlagefinanzierungen zu entschlacken, kennt die
SPD-geführte Bundesregierung nur die übliche Antwort: mehr Umverteilung.
Obendrauf schafft die Ampel mit Veränderungen bei
Teilzeitbeschäftigungen neue Probleme. Sie erhöht die Obergrenze, bis zu
der die "Midijob"-Sonderregelung greift, von 1300 Euro auf 1600 Euro,
gleichzeitig steigen Sozialabgaben der Arbeitgeber auf bis zu 28
Prozent. Das verschärft den Fachkräftemangel und die Rückkehr von
Müttern in Vollzeitjobs. Außerdem wird der Einstieg in die
Sozialversicherungspflicht erschwert, da es aufgrund der gestiegenen
Sozialbeiträge für Arbeitgeber unattraktiver wird, Minijobs zu Midijobs
aufzuwerten. Prinzipiell ist dies wieder ein Beispiel, wie die Ampel die
Lebenswirklichkeit ausgeblendet und neue Hürden für Wechsel von
Vollzeit- in eine Teilzeitbeschäftigung und zurück errichtet.
Die Erhöhung des Mindestlohnes auf 12 Euro pro Stunde ist zudem nicht
nur ein harter Eingriff in die Tarifautonomie, der im unteren
Einkommensbereich wirkt. Auch Gehälter über dem Mindestlohn werden
steigen. So wird der Inflationsdruck erhöht und die Lohn-Preis-Spirale
angeheizt. Das scheint der Regierung völlig egal zu sein. Wenn die Ampel
nicht umgehend gegensteuert und ein mutiges Reformpaket für den
Arbeitsmarkt vorlegt, wird ihre verfehlte Politik die akuten Probleme
weiter verschlimmern. Wolfgang Steiger ist Generalsekretär des
Wirtschaftsrates der CDU e.V.