Wohlstand durch Eigentum
Der Wohlstand in Deutschland ist ungleicher verteilt als in vielen anderen europäischen Ländern – vor allem wenn man die Vermögen betrachtet: Das oberste Zehntel der Haushalte darf hierzulande gut 55 Prozent des Gesamtvermögens sein Eigen nennen, das oberste Zehntel in Italien kommt nur auf 43 Prozent. Das zeigen Daten der Europäischen Zentralbank (EZB). Eine politische Antwort, für die vor allem SPD, Grüne und Linke werben, ist mehr Umverteilung durch Vermögen- und Erbschaftsteuern – Reiche sollen mehr abgeben. Es gibt aber auch ein anderes Rezept: Man könnte es der Mittelschicht erleichtern, selbst Vermögen zu bilden. Stiege ihr Anteil am Gesamtvermögen, würde auch das die statistische Ungleichheit senken.
Für diesen Ansatz wirbt der Wirtschaftsrat der CDU e.V. in einem neuen Konzeptpapier zur Bundestagswahl unter der Überschrift: „Wohlstand für alle“. Darin wirbt die Unternehmervereinigung unter anderem dafür, den Erwerb von Wohneigentum zur Selbstnutzung deutlich zu erleichtern. „Viele Menschen leisten in unserem Land jeden Tag Außergewöhnliches und tragen große Verantwortung – die Aussicht auf ein schuldenfreies Eigenheim ist dabei ein großer Ansporn“, heißt es darin. Diesen Menschen müsse deutlich werden, „dass sich ihr Einsatz lohnt und die Rahmenbedingungen nicht diejenigen bestrafen, die bereit sind, hart für ihren Traum zu arbeiten“.
Anstelle von mehr Subventionen nach Art des Baukindergelds mahnt der Wirtschaftsrat gezielte Steuerentlastungen an, um das Bauen billiger zu machen. Dazu zählt der Vorschlag, Baukosten von der Umsatzsteuer auszunehmen. Das sei im Übrigen umso mehr gerechtfertigt, als der Staat die Kosten durch immer strengere Auflagen etwa für Klimaschutz laufend hochtreibe. „Die Baukosten eines Einfamilienhauses in Höhe von 275 000 Euro beinhalten rund 52 250 Euro Umsatzsteuern“, heißt es in dem Papier, das der F.A.Z. vorliegt. „Die Befreiung von der Umsatzsteuer für Baukosten für selbst genutztes Wohneigentum führt zu einer Ersparnis in Höhe der bisherigen Umsatzsteuerlast.“
Im Vermögensvergleich zwischen Italien und Deutschland lässt sich der große Unterschied in der Tat sehr klar auf die Wohneigentumsquote zurückführen: Während südlich der Alpen laut EZB fast 69 Prozent der Haushalte in eigenen vier Wänden leben, sind es hier nur 44 Prozent. Im europäischen Durchschnitt liegt die Quote bei 60 Prozent.
Um hierzulande mehr Mittelschichthaushalten den Weg zu Eigentum zu ebnen, sei außerdem eine Entlastung bei der Grunderwerbsteuer nötig, mahnt der Wirtschaftsrat. Dies gelte umso mehr, als diese Steuer bisher besonders kräftig steige. Tatsächlich weist das Bundesfinanzministerium hier einen rasanten Anstieg aus: Im Jahr 2014 nahm der Fiskus – in diesem Fall vertreten durch die Länder – knapp 10 Milliarden Euro aus Grunderwerbsteuer ein, für 2021 werden 17 Milliarden Euro erwartet, gut zwei Drittel mehr.
„Das ist insoweit skandalös, als der Staat bereits am Bau von Wohnungen und Häusern kräftig mitverdient – über Umsatzsteuer auf Bauleistungen, Einkommens- und Lohnsteuer des bauausführenden Handwerks und Architektenleistungen sowie allgemein übliche Abgaben“, so die Analyse. „Die Grunderwerbsteuer ist folglich eine Doppelbesteuerung am Bau.“ Sie müsse abgebaut werden, um günstigen Wohnraum und Eigentumsbildung zu erleichtern – am besten, indem man Neubauten ganz von dieser Steuer ausnehme. Das Wahlprogramm von CDU/CSU schlägt hierzu vor, bau- oder kaufwilligen Haushalten Freibeträge je nach Größe der Familie einzuräumen.
„Gesellschaften mit einer höheren Eigentumsquote sind stabiler und verzeichnen weniger Altersarmut“, argumentierte vor einiger Zeit auch Michael Zimmer, Aufsichtsratschef des Wohnungskonzerns LEG, in einem Beitrag für die F.A.Z. Auch er schlug vor, Erstkäufer beherzt von der Grunderwerbsteuer zu entlasten. Zudem könnte der Staat gering verzinste Darlehen als Eigenkapitalersatz zur Verfügung stellen, um die individuellen Finanzierungshürden abzusenken, so sein Vorschlag.
Der Vorstoß „Wohlstand für alle“ zielt aber zugleich noch auf andere Aspekte: Es komme auch darauf an, Arbeitnehmer nicht durch steigende Sozialabgaben und Steuern zu belasten – wer mehr Nettoeinkommen habe, könne je nach Lebenslage mehr ansparen und investieren. „Umso wichtiger ist es, dass bei den Lohnzusatzkosten die 40-Prozent-Grenze hält“, mahnt der Wirtschaftsrat in seinem Papier. „Leider hat die Große Koalition bisher die gegenteilige Richtung eingeschlagen.“
Tatsächlich zeigten Studien, darunter eine des wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium und eine der Bertelsmann-Stiftung, dass die Beitragssätze der Sozialversicherung bis 2040 auf etwa 50 Prozent des Bruttolohns steigen könnten. Sozialpolitik folge bisher dennoch dem Impuls, Ungleichheit eher durch Umverteilung zu bekämpfen, anstatt Fleiß und Leistungsbereitschaft von Mittelschichthaushalten durch eine Begrenzung der Lohnabzüge zu ermutigen. Stattdessen drohten nun gerade ihnen auch noch Mehrbelastungen durch Folgekosten der Energiewende.
„Für die Fleißigen in der Mitte, die dieses Land tragen, bleibt nach allen Steuern und Abgaben kaum noch genug übrig, um dieselben materiellen Ziele wie frühere Generationen zu erreichen“, warnt Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrats. „Gerade bei jüngeren Menschen hören wir mehr Skepsis als Optimismus. Ohne positive Perspektiven können wir der jungen Generation aber keine Lust auf Zukunft machen. Deshalb braucht es jetzt einen neuen Aufbruch für die Mitte unserer Gesellschaft.“
Jenseits davon wird die gemessene Ungleichheit der Vermögen hierzulande noch durch einen weiteren Faktor verstärkt: die gesetzliche Rente. Sie erspart oder erschwert es Arbeitnehmern, selbst Vermögen zu bilden – während ihre Ansprüche an die Rentenkasse statistisch nicht als solches zählen. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat dazu jüngst neue Berechnungen vorgelegt: Würde man die Rentenansprüche kapitalisieren, ginge jeder versicherungspflichtige Arbeitnehmer im Mittel mit zusätzlichen 116 000 Euro Vermögen in die Statistik ein.