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Medienresonanz
23.07.2020
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Zurück zur Ordnung

Namensbeitrag von Wolfgang Steiger in der Frankfurter Allgemeine Zeitung
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Corona muss für vieles herhalten, was nicht notwendigerweise so geregelt werden müsste. Eklatante Beispiele sind neue Staatsbeteiligungen oder auch eine überhöhte Steigerung des Mindestlohnes. Deutschland muss zurück zur Ordnung. Nur durch die Soziale Marktwirtschaft und eine weitgehend solide Finanzpolitik ist unser Land zum Erfolgsmodell geworden — und kann besser auf diese Krise reagieren als die meisten Staaten in Europa. Die vergangenen Monate sollten uns eine Mahnung sein: So wie gesundheitlich vorbelastete Patienten stärker von Corona betroffen waren, verhielt es sich leider auch mit einigen europäischen Staaten. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft sollte in diesem Halbjahr ihre eigene Handschrift besitzen, die unsere positiven Erfahrungen mit einer marktwirtschaftlichen Ordnung vermittelt — und nicht nur moderiert.

 

Die Lage Deutschlands darf allerdings nicht beschönigt werden. Es war schon vor der Krise deutlich spürbar, dass die Konjunktur ins Stottern geraten ist. Es herrscht Reformstau in der Steuerpolitik und in den öffentlichen Verwaltungen. Wir haben uns zu sehr auf den Erfolgen der vergangenen zehn Jahre mit stetem Wachstum und  Beschäftigungsrekord ausgeruht. Unsere Wettbewerbsfähigkeit hat auf fast allen Feldern erheblich nachgelassen: Steuern, Energiepreise, Arbeits- und Sozialkosten sowie Bürokratieaufwand. Steuerpolitisch fällt Deutschland durch die innere Blockade der großen Koalition immer stärker gegenüber den wichtigsten Industrienationen zurück. Schon vor der Corona-Krise lag unser Land an der Spitze der OECD-Steuerbelastungsstatistik. Steuerreformen in den Vereinigten Staaten und Frankreich haben diese Nachteile verschärft. Ein Beispiel: In der zurückliegenden Dekade ist der Unternehmensteuersatz in Großbritannien von 28 auf 19 Prozent gesunken, während die Gesamtsteuerbelastung

hierzulande durch steigende Gewerbesteuerhebesätze auf durchschnittlich knapp 30 Prozent gestiegen ist. Diese Standortnachteile müssen durch eine umfassende Unternehmensteuerreform beseitigt werden. Deutschland braucht zudem die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlages und eine verbesserte Thesaurierung für den

Mittelstand.

 

Die kurzfristige Deckelung der EEG Umlage im Rahmen des Corona-Hilfspaketes täuscht darüber hinweg, dass die Industriestrompreise in Deutschland ein erhebliches Problem sind. Die unerlässliche EEG-Befreiung für energieintensive Unternehmen ist das eine, aber für die Breite der deutschen Industrie wird Energie zu einem immer größeren Kostenfaktor. Bei 54 Prozent staatlich beeinflusstem Anteil am Strompreis ist die Politik besonders gefordert. Nur durch Absenkung der Stromsteuer auf ein europäisches Mindestmaß und mehr marktwirtschaftliche Elemente beim Ausbau und der Integration der Erneuerbaren ist dies möglich. In der aktuellen Lage muss entschieden davor gewarnt werden, auf EU-Ebene durch eine Verschärfung der Klimaziele weiter draufzusatteln. Nur mit technologieoffenen innovativen Lösungen unserer Ingenieure können wir sowohl als Industriestandort als auch klimapolitisch zum weltweiten Vorbild werden und nachhaltig wachsen.

 

Wirtschaftswachstum ist die Grundlage für unseren Sozialstaat. In den fünf Jahren bis 2019 sind die Sozialausgaben schneller als die Wirtschaft auf mehr als eine Billion

Euro angewachsen. Unser Land lebt über seine Verhältnisse. Dieser Trend wird sich jetzt in der Krise nochmals verstärken.Das schränkt die Gestaltungsspielräume

künftiger Generationen drastisch ein. Ein neuer Generationenvertrag muss daher die Gießkannenpolitik eindämmen und den zügigen Wiedereinstieg in den Schuldenabbau beinhalten.

 

Bürokratieabbau wäre ein Konjunkturprogramm zum Nulltarif. Gerade jetzt sollte gelten: Weniger ist mehr! Die Abschaffung überflüssiger Regelungen und Statistikpflichten,

die Beschränkung auf einfachere Verfahren, die Beschleunigung von Genehmigungsprozessen kosten den Staat selten Geld, machen sich aber bezahlt: für Unternehmen, für Behörden und für den Standort Deutschland. Vor allem für unsere mittelständischen Familienunternehmen ist das eine Erleichterung, die sich nicht wie Konzerne große Abteilungen für die Bewältigung vielfältiger regulativer Auflagen leisten können.

 

National wie europäisch gilt: Anders als manche Ökonomen und Politiker glauben machen wollen, entsteht Wachstum nicht dadurch, dass Staaten möglichst viel Geld ausgeben. Wir müssen Europa gemeinsam wirtschaftlich, technologisch und auch sicherheitspolitisch voranbringen. Hier ist die EU-Kommission viel zu wenig ambitioniert.

 

Hoffentlich gewinnt wenigstens die Ratspräsidentschaft mehr Schwung. Denn wir brauchen auf europäischer Ebene eine klarere Definition, für welche gemeinschaftlichen

Projekte der größte Geldtopf der EU-Geschichte in den Mitgliedstaaten verwendet werden soll und wie eine effiziente Mittelverwendung mit strengen Richtlinien sicherzustellen ist. Wir können im globalen Wettbewerb nur mit Investitionen in eine digitalisierte, wissensbasierte Ökonomie aufschließen. So werden Europas Volkswirtschaften produktiver und innovativer, Wohlstand auch für kommende Generationen gesichert.