Cookie-Einstellungen

Pressemitteilung 23.11.2021
Drucken

Erfreuliche wie heikle Weichenstellungen im Koalitionsvertrag

Wolfgang Steiger: Wichtiges Bekenntnis zur finanzpolitischen Solidität durchhalten

Der Wirtschaftsrat der CDU e.V. nimmt eine erste anerkennende wie auch kritische Bewertung des Koalitionsvertrages der „Ampel“-Partner vor. „Deutschland kann sich keine lange Übergangszeit leisten. Deshalb ist die zügige Bildung der neuen Regierung jetzt wichtig und es ist ihr zu wünschen, dass sie nach dem Krisen-Modus der Corona-Pandemie wieder Zukunftsprojekte anpacken kann. Dabei müssen auch Handlungsspielräume für Unternehmen geschaffen werden. Wir sind als deutsche Wirtschaft sehr gut und krisenfest aufgestellt. Das müssen wir jetzt nutzen, um weiter wettbewerbsfähig zu sein und Industriestandort zu bleiben“, betont Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates.  

Wolfgang Steiger: „Das wichtige Bekenntnis zur finanzpolitischen Solidität muss diese Koalition auch durchhalten. Fast jedes Mal, wenn über nachhaltige Staatsfinanzen geschrieben wird, stehen sie gemeinsam in einer Aufzählung und auf gleicher Ebene wie klimafreundliche Investitionen. So soll  der Stabilitätspakt bezeichnender Weise die Schuldentragfähigkeit erhalten und für klimafreundliche Investitionen sorgen. Das zeugt von einem klassischen Formelkompromiss.“

Diese Ziele könnten sich schnell als gegenläufig erweisen, was dann eine klare Entscheidung über die Priorisierung der politischen Ziele erfordern würde. Ähnlich ist es bei Investitionsgesellschaften. Diese können durchaus ein wichtiges Instrument sein, sofern private Investoren einbezogen, das Haftungsprinzip eingehalten und Preissignale zugelassen werden. Als Regierungs-Beiboot, mit dem  Ziel die Schuldenbremse zu umschiffen, sind sie dagegen untauglich.

Ein positives Zeichen ist die bewusste Betonung, dass der EU-Wiederaufbaufonds zeitlich und in der Höhe begrenzt ist. SPD und Grüne wollten dieses Instrument bislang zu einer Dauereinrichtung machen, was die gemeinsame europäische Schuldenaufnahme perpetuiert und die Stabilitätskultur geschwächt hätte. Auch die ausdrückliche Sorge vor der steigenden Inflation wird nunmehr genannt. Das Plädoyer der „Ampel“-Koalitionäre an die europäischen Partner, dass die Preisstabilität sich nur dann sichern lässt, wenn die Mitgliedstaaten ihrer Verantwortung in der Haushaltspolitik nachkommen, ist vollkommen richtig. Allerdings hat es nur einen Mehrwert, wenn diese Koalition hier auch eine glaubwürdige Vorbildfunktion einnimmt.

Einige Kernforderungen des Wirtschaftsrates haben Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden und konnten im Vergleich zu dem Sondierungspapier noch nachgeschärft werden. An anderen Stellen drohen jedoch falsche Weichenstellungen.   

  • Es ist erfreulich, dass die „Ampel“-Partner mit dem Bürokratieabbau, der Ausweitung der Abschreibungsmöglichkeiten zur Unterstützung der anhaltenden Nachhaltigkeits- und Digitalisierungstransformationen, der Verlängerung und den zeitlichen Ausbau der Verlustverrechnungsmöglichkeiten sowie der Evaluierung und möglichen Nachbesserung des Optionsmodells und der Thesaurierungsbesteuerung zahlreiche Empfehlungen des Wirtschafsrates in den Koalitionsvertrag einfließen lassen -  die liberale Handschrift der FDP ist in diesen Aspekten deutlich erkennbar.

 

  • Die politisch festgesetzte Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro je Stunde ist ein eklatanter Verstoß gegen die Tarifautonomie wie die Soziale Marktwirtschaft insgesamt. Leidtragende werden die Beschäftigten sein, die ihre Stellen verlieren, ebenso die Arbeitslosen, denen der Sprung in Arbeit erheblich erschwert wird. Ansätze für flexiblere Arbeitszeiten bleiben in Ansätzen stecken. Letztlich fällt die Einschätzung der arbeitsmarktpolitischen Vereinbarungen damit insgesamt negativ aus.

 

  • Die Koalitionsvereinbarungen zur Alterssicherung negieren die Herausforderungen des demografischen Wandels völlig, indem ein Mindestrentenniveau genannt und zugleich die Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters ausgeschlossen wird. Positiv ist das Bekenntnis zur betrieblichen und privaten Altersvorsorge zu werten. Es fehlen allerdings das Bekenntnis zur Riester-Rente als erfolgreichster privater Altersvorsorge weltweit sowie Reformvorschläge für die Riester-Rente.

 

  • Die EEG-Umlage soll abgeschafft werden. Das ist ebenso positiv wie die weitere Abkehr von nationalen Alleingängen, die durch den auf europäischer Ebene angesiedelten CO2-Grenzausgleichsmechanismus und der Initiative zur Gründung eines internationalen Klimaclubs zum Ausdruck kommt. Der angepeilte Kohleausstieg bis 2030 dagegen gefährdet die Versorgungssicherheit. Bei der Transformation der Automobilindustrie widerspricht der Fokus auf rein elektrische Antriebstechnologien dem Prinzip der Technologieoffenheit.

 

  • Entgegen aller Befürchtungen hat auch der grüne Teil der „Ampel“ ausdrücklich die Bedeutung von Mobilität – insbesondere einer funktionierenden Infrastruktur – für den Wirtschaftsstandort bekannt. Das lässt hoffen, dass das künftige FDP-geführte Bundesverkehrsministerium nicht durch Störfeuer aus der eigenen Koalition behindert wird. Besonders zu begrüßen ist, dass die neue Bundesregierung auf das vor gut zehn Jahren vom Wirtschaftsrat entwickelte Modell einer Finanzierungsvereinbarung Bundesfernstraße zurückgreift, um der jungen Autobahn GmbH des Bundes endlich Finanzierungssicherheit zu geben. Die Investition nach Kassenlage hatte der Wirtschaftsrat als Geburtsfehler von Anbeginn kritisiert und für sein Modell geworben.  

 

  • Sehr bedauerlich hingegen ist, dass die zukünftige Koalition mit ihrer Bahnpolitik die Chance verstreichen lassen wird, eine neutrale Bewirtschaftung des Schienennetzes durch Herauslösung aus dem Konzernverbund des Monopolisten zu ermöglichen. Damit wird das Geld der Steuerzahler auch weiterhin in den Strukturen der DB versickern, ohne die erhoffte Wirkung für das emissionsarme Gesamtsystem Schiene zu entfalten. Hier sabotiert die Ampel ihr Klimaschutzprogramm selbst, mussten FDP und Grüne offenkundig vor den in dieser Frage mauernden Sozialdemokraten zurückstecken.