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Standpunkt 09.01.2025
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Standpunkt Steiger: Der Staat ist nicht der Weihnachtsmann

Die wirtschaftspolitische Kolumne des Generalsekretärs des Wirtschaftsrates Wolfgang Steiger

Mit dem Epiphaniasfest am 6. Januar endet die kirchliche Weihnachtszeit. Es ist nicht ungewöhnlich, dass in der politischen Sphäre versucht wird, den weihnachtlichen Geist auch nach dieser Zeit zu nutzen und zu beschwören. So schrieb im Jahr 1961 etwa ein kleines Mädchen aus der dritten Klasse einen Brief an John F. Kennedy und fragte besorgt, ob es dem Weihnachtsmann angesichts der sowjetischen Atomtests am Nordpol gut gehe. Kennedy antwortete, dass er mit dem Weihnachtsmann gesprochen habe, alles in bester Ordnung sei und dieser zu Weihnachten seine üblichen Runden drehen werde. Kennedys Antwort beruhigte nicht nur die achtjährige Michelle Rochon, die den Brief geschrieben hatte, sondern sie war auch eine Botschaft der Hoffnung an die vielen Menschen, die sich zu dieser Zeit vor einer Zuspitzung und Eskalation des kalten Krieges fürchteten. Das Bild des Weihnachtsmannes in dieser Weise als Werkzeug zur Verbreitung von Zuversicht zu nutzen, ist eine Kunst und kann eine Gesellschaft zusammenführen. Vollkommen ungeeignet dagegen ist es, den Weihnachtsmann zum Leitmotiv für die eigene Wirtschaftspolitik zu erheben. Genau das hat Deutschland jedoch in den letzten Jahren gemacht und muss nun dringend umsteuern. 

Der Weihnachtsmann ist eine wohlwollende Figur, die in der Lage ist, jeden Heiligabend Geschenke an die Kinder zu verteilen, ohne dass der Allgemeinheit dadurch Kosten entstehen. Ludwig Erhard hat stets betont, dass der Staat genau diese Funktion nicht übernehmen kann, da zu der Hand, die gibt, immer zwangsläufig auch die Hand gehört, die nimmt: „Kein Staat kann seinen Bürgern mehr geben, als er ihnen vorher abgenommen hat – und das auch noch abzüglich der Kosten einer immer mehr zum Selbstzweck ausartenden Sozialbürokratie.“ Diese administrativen Kosten sind dabei keineswegs zu unterschätzen. So liegen allein die von der Bundesregierung prognostizierten Verwaltungskosten der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Jahr 2025 bei 5,3 Milliarden Euro - das IW Köln hält selbst diese gewaltige Zahl noch für unrealistisch gering. 

Der herausragende Nationalökonom Ludwig von Mises hat deshalb - als damalige Replik auf die Umverteilungsideen von John Maynard Keynes - das Wunschdenken um unbegrenzte staatliche Großzügigkeit als "Weihnachtsmannprinzip" bezeichnet. Während die Wirtschaftswissenschaft und -politik sich also mit der Verteilung knapper Ressourcen befassen, impliziert das "Weihnachtsmannprinzip", dass es etwas umsonst gibt. Mises erkannte frühzeitig, dass die Philosophien und Denkschulen, die den Interventionismus rechtfertigen und glauben, der Staat sei der Weihnachtsmann, in Verzerrungen der Preis- und Kapitalstruktur, Verschwendung und wirtschaftlichem Rückschritt enden: „Ein wesentlicher Punkt in der Sozialphilosophie des Interventionismus ist das Vorhandensein eines unerschöpflichen Fonds, der ewig ausgepresst werden kann. Das ganze System des Interventionismus bricht zusammen, wenn diese Quelle versiegt: Das 'Weihnachtsmannprinzip' liquidiert sich selbst." 

Es ist erstaunlich, wie präzise Mises damit bereits vor vielen Jahrzehnten exakt jene Dynamik vorhersagte, die letztlich zum Scheitern der Ampelregierung führte. Der unerschöpfliche Fonds sollte der Klima- und Transformationsfonds sein. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes hat die Quelle versiegen lassen und das Kartenhaus ist drehbuchgetreu in sich zusammengefallen. Die Geschichte des "grünen Wirtschaftswunders" ist auserzählt und wir stellen mit Schrecken fest, dass Deutschland mit seinen Steuer-, Regulierungs-, Arbeits- und Energiekosten derzeit kein wettbewerbsfähiger Wirtschaftsstandort ist. 

Ökonomen wie Prof. Hans-Werner Sinn sehen die jetzige Strukturkrise sogar als noch gravierender an als die Misere, die Schröder einst mit seiner Agenda 2010 bewältigte. Entsprechend bedarf es auch ein Reformprogramm, das größer als Schröders damalige Agenda ist, um das Ruder wieder rumzureißen. Der Entwurf der Union für eine Agenda 2030 setzt dafür an vielen wichtigen Stellen an - Wettbewerb, Leistung und Eigenverantwortung sollen wieder in den Mittelpunkt rücken. Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass heute noch niemand wirklich beziffern kann, welche Anstrengungen notwendig sind.  Schon jetzt hängt Deutschland bei vielen Indikatoren Wirtschaftsräumen wie den USA hinterher und muss mit entschlossen marktwirtschaftlichen Reformen wieder seine Rahmendaten verbessern. Sollten die USA die von Donald Trump angekündigten Maßnahmen zur Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit durchführen - wie die Senkung der Unternehmenssteuern, eine radikale Entbürokratisierung und eine Ausweitung des Energieangebotes – dann müsste Deutschland nicht nur den bisherigen Rückstand aufholen, sondern zusätzlich mindestens ein Äquivalent zu den neuen Maßnahmen etablieren. 

Umso dramatischer ist es, dass die Grünen und die SPD weiterhin suggerieren, dass es eine Alternative dazu gebe, sich dem Leistungswettbewerb zu stellen und sich nahezu ausschließlich auf Umverteilungsfragen konzentrieren. Der nie versiegende Weihnachtsmann-Fonds heißt bei Scholz und Habeck jetzt einfach Deutschlandfonds und Bürger und Unternehmen sollen mit Preisdeckeln und Subventionen vor hochschießenden Preisen oder schwindender Wettbewerbsfähigkeit abgeschirmt werden. Reale Knappheiten kann man jedoch nicht mit Subventionen aus der Welt schaffen.  Und mit Verboten, Gängelungen und Technologievorgaben kann man auch kein wirtschaftliches Wachstum erzeugen. In genau diesem Unverständnis liegt der Kern dafür, dass sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck mit seinen Wirtschaftskonzepten der dirigistischen Industriepolitik, der transformativen Angebotspolitik und der sozial-ökologischen Marktwirtschaft immer wieder überrascht „von der Realität umzingelt“ sieht. Auch das hat Ludwig von Mises bereits vorhergesehen: „Wer die Knappheit der verfügbaren Kapitalgüter nicht berücksichtigt, ist kein Ökonom, sondern ein Märchenerzähler. Er hat es nicht mit der Realität zu tun, sondern mit einer fabelhaften Welt des Überflusses.“