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Standpunkt 17.04.2025
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Standpunkt Steiger: Bollwerk gegen die Renaissance der Staatswirtschaft

Wirtschaftspolitische Kolumne des Generalsekretärs des Wirtschaftsrates Wolfgang Steiger

Viel wird in diesen Tagen über mögliche Strukturen und maßgebliche Personen der neuen Bundesregierung spekuliert. Dabei bildet sich eine bedenkliche Lesart heraus: Das Bundeswirtschaftsministerium werde nicht aufgewertet, sondern geschwächt, wird bereits allenthalben als Fazit gezogen. Die unterstellte Konsequenz: Wirtschaftswende abgeblasen. Als Beleg dieser Entwicklung wird etwa genannt, dass der Vizekanzler künftig in einem anderen Haus angesiedelt sei und zudem eine inhaltliche Entkernung stattfinde. Das große Ziel einer umfassenden Sozialstaatsreform hätte ein machtvolles Wirtschaftsministerium erfordert, dass um die Arbeitsmarktthemen ergänzt wird. Nicht nur sei dies nicht geschehen, sondern der Trend laufe sogar in die entgegengesetzte Richtung.  So würde etwa die Klimaabteilung zurück ins Umweltministerium wandern und auch Digital- und Innovationsthemen sowie die Zuständigkeit für Raumfahrt befänden sich auf dem Abmarsch in das neue Digitalministerium bzw. in das aufgewertete Forschungsministerium. Doch Abgesänge auf eine „Verzwergung des Wirtschaftsministeriums“ verkennen fundamental die Möglichkeiten und die drängenden Handlungsnotwendigkeiten. Vielmehr ist die Unordnung dieser Tage eine Chance, falsche Weichenstellungen der letzten Jahre zu korrigieren und eine mutige Vorwärtsstrategie zu entwickeln. Gerade dem Bundeswirtschaftsministerium kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Dafür muss es allerdings wieder mit Überzeugungskraft und Klarheit für die Soziale Marktwirtschaft einstehen und als Bollwerk der Renaissance der Staatswirtschaft entgegentreten.

Otto Schlecht - der in seiner Zeit als Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium als marktwirtschaftliches Gewissen verschiedener Bundesregierungen galt - wusste wie kaum ein Zweiter, dass die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft immer wieder neu verteidigt werden müssen.  Seine Zuversicht für diesen beständigen Kampf bezog er insbesondere aus zwei Säulen: „Innerhalb der Bundesregierung das Bundeswirtschaftsministerium und extern der Sachverständigenrat haben als institutionalisierte ordnungspolitische Wächter eine unverzichtbare Aufgabe.“ Wir brauchen nicht daran vorbeireden: In der letzten Legislatur hat das Bundeswirtschaftsministerium keine ordnungspolitische Wächterrolle eingenommen, sondern war Hauptangreifer unserer freiheitlichen Wirtschaftsordnung. Das erste Mal seit Ludwig Erhard wurde offen und gezielt gegen marktwirtschaftliche Prinzipien gewirkt.

Im Koalitionsvertrag hatte sich die Ampelregierung damals dem Leitmotiv der „sozial-ökologischen Marktwirtschaft“ verschrieben, welches Robert Habeck dann mit seinem Ministerium ausbuchstabierte. Dieser Ansatz hat sich als interventionistisch-staatsgläubige Katastrophe mit einer sich immer schneller drehenden Subventionsspirale herausgestellt, der dem Klima nicht hilft und dem Wirtschaftsstandort schweren Schaden zufügt. Das Ergebnis lässt sich mit folgendem Bild vergleichen: Wenn Sie zum Arzt gehen und sagen: „Wenn ich auf mein Bein drücke, tut es weh. Wenn ich auf meiner Schulter drücke, tut es auch weh. Und wenn ich auf meine Stirn drücke, tut es ebenfalls weh. Was ist das nur?“ Dann wird der Arzt Ihnen wahrscheinlich sagen: „Ihr Finger ist gebrochen!“ Ähnlich ist es bei dem Wirtschaftsstandort – wenn die Energiekosten nicht wettbewerbsfähig sind, die Steuer- und Abgabenlasten alle anderen überragen, Millionen arbeitsfähige Bürger dem Arbeitsmarkt fernbleiben und die Bürokratie- und Regulierungskosten die Unternehmen erdrücken, dann stimmen die Rahmenbedingungen und die Wirtschaftsordnung nicht. Deutschland steckt in einer tiefen Strukturkrise.

Umso dringender braucht es jetzt eine konsequente Rückbesinnung auf die Soziale Marktwirtschaft Ludwig Erhards mit den bewährten Prinzipien Wettbewerb und Technologieoffenheit, Freiheit und Verantwortung, Eigentum und Haftung! Viel zu wenig wird beachtet, dass im Koalitionsvertrag dieser Wechsel zumindest semantisch bereits vollzogen wurde. Der Irrweg der „sozial-ökologischen Marktwirtschaft“ wird zu Grabe getragen und es gibt wieder ein Bekenntnis zum Status ex ante: „Wir erneuern das Versprechen der Sozialen Marktwirtschaft – Chancen und „Wohlstand für alle“ Dafür schaffen wir die Bedingungen für eine wettbewerbsfähige und wachsende Volkswirtschaft.“ Wem, wenn nicht dem Bundeswirtschaftsministerium, kommt nun die zentrale Aufgabe zu, eine Grundphilosophie zu entwickeln, die wieder Leistung, Eigeninitiative und Anstrengung in den Vordergrund rückt. 

Dieser Mentalitätswandel muss von dem Bundeswirtschaftsministerium ausgehen und von dort aus in sämtliche Ministerien Einzug erhalten. Das ist viel wichtiger als alle Finanzpakete. Keineswegs darf sich dagegen in der kommenden Regierung das Bild ausbreiten, mit dem gewaltigen Infrastrukturprogramm habe man bereits die wirtschaftliche Schwäche ausreichend adressiert. Zum einen ist die Infrastruktur in allen Umfragen zur fehlenden Wettbewerbsfähigkeit nur ein nachgelagerter Punkt und keineswegs die Hauptursache. Zum anderen gilt auch hier Otto Rehhagels Maxime: „Geld schießt keine Tore.“ Selbst wenn das Kriterium der Zusätzlichkeit erfüllt ist, sagt das noch nichts über Produktivitäts- und Kapazitätseffekte aus. So wird statistisch etwa auch der Straßenrückbau als öffentliche Investition verbucht, der jedoch ebenso wie neue Radwege oder Lärmschutzwälle nicht zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit beiträgt. Es bleibt dabei: Gute Schulden ermöglichen Investitionen, aus denen Renditen entstehen. Schlechte Schulden dagegen werden verkonsumiert. Ausgaben und Investitionsprojekte des neuen Sonderfonds für Infrastruktur sollten deshalb vorab einer strengen Kosten-Nutzen-Analyse unterworfen und als rentabel eingestuft worden sein.

Es gibt einen weiteren entscheidenden Punkt für die zentrale Bedeutung des Bundeswirtschaftsministeriums. Gerade in diesen Tagen wird besonders deutlich:  Wirtschaftspolitik ist heute Außenwirtschaftspolitik. Absehbar wird bei der Außen- und Europapolitik künftig eine stärkere Koordinierung aus dem Kanzleramt erfolgen. Die Ratsarbeit in Brüssel wird maßgeblich in den beiden Ausschüssen der Ständigen Vertreter (AStV I und AStV II) vorbereitet. Die Koordinierung Deutschlands beider AStV erfolgt aus Auswärtigem Amt und Bundeswirtschaftsministerium. Wesentliche Fragen des Binnenmarktes, der EU-Wettbewerbsfähigkeit, der Deregulierung und der Handelspolitik liegen damit künftig in Unionshand und ermöglichen - anders als zuletzt - einen stringenten und kraftvollen deutschen Antritt in Brüssel.  Eine starke Persönlichkeit als Bundeswirtschaftsminister weiß diese Chance zu nutzen.


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