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Standpunkt 22.05.2025
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Standpunkt Steiger: Der beständige Kampf gegen „schlechte Ideen“

Wirtschaftspolitische Kolumne des Generalsekretärs des Wirtschaftsrates Wolfgang Steiger

„Radikal sein“, „Eigentumsfrage stellen“, „Wirtschaftsform attackieren“, „Kapitalismus abschaffen“ - offen und unverblümt ruft die Linken-Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek zum Systemsturz auf und proklamiert den „demokratischen Sozialismus“ als Ziel. Der Inhalt und die Radikalität dieser Aussagen sind erschreckend. Die Entwicklungen, die zu diesem Punkt geführt haben und ein Großteil der verharmlosenden Reaktionen auf Reichinneks Parolen sind es ebenfalls. Ganz offensichtlich widersprechen Reichinneks Aussagen und Ziele in eklatanter Weise den freiheitlichen Inhalten des Grundgesetzes. Gleichwohl bleibt nicht nur der in der Sache gebotene Aufschrei der Empörung aus, sondern es wird in vielen Berichterstattungen sogar suggeriert, hier handele es sich um durchaus legitime politische Forderungen, die aus einer substantiellen Analyse abgeleitet seien. Das spricht für ein geschwächtes freiheitliches Immunsystem. Zu viele Bürger scheinen nicht nur die Schrecken vergessen zu haben, die der Sozialismus hervorruft, sie scheinen sich auch der zentralen Bedeutung und dem Wechselspiel von Freiheit, Demokratie und Marktwirtschaft als Mixtur einer gedeihlichen sozialen Ordnung nicht mehr in ausreichendem Maße bewusst - auch deshalb, weil dessen Unterstützer zu wenig intellektuelle Gegenwehr formieren. Doch der Kampf gegen schlechte Ideen muss gefochten werden.

Vielleicht erscheint einigen die anstrengende Überzeugungsarbeit für eine freiheitliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung überflüssig.  Zu oft und zu eindeutig ist der Sozialismus schließlich in seinen verschiedenen Spielarten gescheitert, als das diese unselige Idee wieder Wind unter die Flügel bekommen könnte. Zu substanzlos und realitätsfern wirken zudem die sozialistischen Heilsversprechen. Da wird schon mal die Verstaatlichung der Deutschen Bahn gefordert, die  sich bereits zu 100 Prozent im Besitz des Bundes befindet. Auch an vielen anderen Stellen hält schon die Problembeschreibung keinem Realitätscheck stand. So verlören nach Reichinnek etwa viele Menschen aufgrund der vermeintlichen Ausbeutung und Profitorientierung der Krankenhäuser viel zu früh ihr Leben. Dabei geht es uns als Gesellschaft besser als jemals zuvor.  Laut den Berechnungen des Max-Planck-Instituts werden 77 Prozent der neugeborenen Mädchen in Deutschland ihren 90 Geburtstag erleben. Mindestens jedes Dritte wird sogar 100. Sie werden statistisch länger leben, als ihre Eltern und Großeltern, in größerem Wohlstand, in einer sauberen Umwelt und in einer Welt in der weniger Menschen arm sind.

Doch, wenn die Schrecken des Sozialismus zunehmend verblassen und seine vermeintlichen Verheißungen dafür unwidersprochen  in glühenden Farben präsentiert werden, dann ist das längst keine harmlose Randerscheinung mehr. Heidi Reichinnek ist inzwischen die beliebteste Frau in der deutschen Spitzenpolitik. Bei den jüngsten Bundestagswahlen war die Linke die stärkste Kraft bei den unter 25-jährigen. Die häufig wohlwollenden medialen Reaktionen auf Reichinneks Umsturzphantasien sind ein Musterbeispiel für das, was die NZZ vor einiger Zeit als „die popkulturelle Verklärung des Sozialismus“ bezeichnete. Einige Medien feiern Reichinneks „frechste Auftritte“,  bezeichnen sie als „die Frau auf den Barrikaden“ oder „ die neue Queen“ im Bundestag und freuen sich, denn „Rotgesagte leben länger“ - dieses Entzücken ist exemplarisch für den unkritischen medialen Umgang mit antimarktwirtschaftlichen und antifreiheitlichen Populisten. 

Umso wichtiger ist es,  sich mit den Illusionen auseinanderzusetzen, die viele Menschen in Arme der sozialistischen Heilsversprecher treiben und die aufgemalten Traumschlösser zu demaskieren. Der Sozialismus hat überall wo er eingeführt wurde, eben nicht zu einer Anhebung des Lebensstandards, sondern zu einer Angleichung nach unten geführt. In Osteuropa etwa haben sozialistische Experimente ihre unmenschliche Natur und ihre wirtschaftliche und kulturelle Zerstörungskraft unter Beweis gestellt. Aber, so schallt es von Reichinnek reflexartig zurück, die Missstände, die im real existierenden Sozialismus bestanden, würden sich beim nächsten Versuch  doch sicher vermeiden lassen. Immerhin habe eine historische Kommission der Linken die Fehler der SED umfassend aufgearbeitet. Ein paar Schräubchen hier, ein bisschen Adjustierung dort, frische Gesichter und dann werde es mit dem „demokratischen Sozialismus“ dieses Mal schon klappen. Dass auch dieses Modell bereits vielfach gescheitert ist und etwa Hugo Chávez mit genau solchen Utopien Venezuela vom reichsten Land Südamerikas durch den Sozialismus zum Ärmsten gemacht hat, soll hier gar nicht das Thema sein. Auch, wenn Venezuela eindrucksvoll zeigt, was passiert, wenn im Sozialismus versäumt wird eine Mauer zu bauen - ein Drittel der Bevölkerung ist bereits geflohen.

Das wiederkehrende Scheitern des Sozialismus liegt eben nicht in der personellen Sphäre oder dem organisatorischen Feintunig begründet. Es trägt den Ursprung dafür vielmehr in seinem intellektuellen Kern. Ludwig von Mises erbrachte bereits 1920 den wissenschaftlichen Beweis für die Unmöglichkeit des Sozialismus. Seine Begründung: Im Sozialismus ist eine Wirtschaftsrechnung nicht möglich. Preise leiten Unternehmer in der Marktwirtschaft bei der effizienten Ressourcenallokation und stellen sicher, dass die Produktion den Präferenzen der Verbraucher entspricht. Völlig anders verhält es sich dagegen im Sozialismus. Hier werden die Produktionsmittel verstaatlicht. Es gibt kein Privateigentum und keinen Markt an dem sich Preise auf Basis von Angebot und Nachfrage bilden könnten. Ohne Marktpreise befindet sich das System jedoch im Blindflug – was zu Fehlallokation, Verschwendung, Willkür und letztlich zum wirtschaftlichen Zusammenbruch führt. Denn ohne Wirtschaftsrechnung wird es unmöglich eine rationale Auswahl aus der Vielzahl der Produktionsmöglichkeiten zu treffen - es kommt zu einem Zustand den Mises „geplantes Chaos“ nennt. In den letzten hundert Jahren ist es keinem sozialistischen Heilsverkünder gelungen Mises Theorie zu widerlegen.

Ludwig von Mises wusste, dass sich das freie Marktsystem nur dann bewahren lässt, wenn die Einsichten in die Unmöglichkeit des Sozialismus Gehör und Akzeptanz finden: „Ideen können nur durch Ideen überwunden werden. Nur im Kampfe der Geister kann die Entscheidung fallen.“ Umso mehr kommt es darauf  an, die Überlegenheit der Sozialen Marktwirtschaft stärker herauszustellen. Die Eigentumsordnung nimmt dabei eine besondere Schlüsselrolle ein. Privateigentum ist ein Kernelement der Sozialen Marktwirtschaft und wird von Walter Eucken zu einem der konstituierenden Prinzipien erhoben. Es ist wie beschrieben gerade die Mischung aus Eigentum und Gewinnmotiv, die in  der Marktwirtschaft über Marktpreise sicherstellt, dass Unternehmer die Verbraucher mit den Gütern versorgen, die am drängendsten benötigt werden. Der unbedingte Respekt des Privateigentums ist deshalb nicht nur im Interesse der Eigentümer, sondern auch im Interesse der Gesellschaft insgesamt. 

Sozialismus dagegen ist Aggression gegen Eigentum. Hinter dem Feigenblatt der sozialen Gerechtigkeit schimmern schnell unappetitlichere Ziele durch wie die Unterdrückung von Freiheiten und die Erniedrigung derjenigen, die überdurchschnittlich erfolgreich und besitzend sind. So ruft Reichinnek zur Eröffnung des Bundesparteitags. „Aber jetzt haben sie Angst: diese ganzen Superreichen, diese ganzen Macker, diese Rechten, diese Wirtschaftsbosse und die Springer-Presse. Die zittern“.


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