Standpunkt Steiger: Der Trump-Hammer und das neue Testament
Die wirtschaftspolitische Kolumne des Generalsekretärs des Wirtschaftsrates Wolfgang Steiger
Mit seinen Zollplänen hat der
amerikanische Präsident Donald Trump gewaltige Schockwellen ausgelöst. Der
Liberation Day könnte das Ende des globalen Freihandels markiert haben.
„Ruination Day“ titelte der „Economist“ entsprechend. Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff
sprach von einer „Atombombe“, die Trump auf das globale Handelssystem
geworfen habe. Die Märkte taumeln und versuchen, Risiken neu zu bepreisen. Für
Deutschland droht ein drittes Rezessionsjahr in Folge, denn die ohnehin
historisch mauen Exporterwartungen müssen nun noch weiter nach unten geschraubt
werden. Auch, wenn bereits nach wenigen Tagen ein Moratorium des Zollhammers
angekündigt wurde, bleibt die Unsicherheit. Gab es bislang zumindest noch die
positive Lesart nach dem Prinzip Hoffnung, Präsident Trump setzt nun mal auf
Disruption, ist spätestens jetzt nicht mehr wegzudiskutieren, dass er dafür
auch bereit ist, eine globale Wirtschaftskrise zu riskieren. Wir befinden uns
in einer Zeit, in der sich die Tektonik der Weltwirtschaft grundlegend
verschiebt.
Irrsinn, Wahnsinn, Willkür – das sind die Schlagworte, die beständig auf Donald Trumps wirtschaftspolitischen Kurs gemünzt werden. Doch auch, wenn viele Argumente ökonomisch auf Sand gebaut sind, lohnt es sich, das dahinter liegende Gesamtbild einmal zu betrachten. Denn nur so wird deutlich, Zölle sind lediglich ein Baustein der Trumponomics – für die weiteren Risiken ist Deutschland ebenfalls nicht gut gerüstet. Die Grundgedanken sind einfach: Das aktuelle System der Weltordnung benachteilige die USA. Das Handelsbilanzdefizit, das die USA gegenüber zahlreichen Staaten aufweist, sei eine Schwäche, die es auszumerzen gilt. Denn es führe zur immer weiteren Verlagerung der Industrie und somit amerikanischer Arbeitsplätze ins Ausland. Angesichts der gewaltigen US-Staatsschulden und den drückenden Zinslasten könne die USA auch nicht mehr die Sicherheit der Welt garantieren, weil sie das finanziell überfordert – insbesondere, weil andere Länder ihre zugesagten Pflichten nicht erfüllten. Zudem sei auch der starke Dollar eine unfaire Belastung für die USA. Dieser sei konstant überbewertet, weil die Welt den Dollar als Reservewährung nutzt. Andere Länder würden also von der Sicherheit und der Stabilität des Dollars profitieren, ohne sich an den Kosten zu beteiligen – mit vermeintlich fatalen Folgen für die USA: Billige Importe würden die USA überschwemmen und die heimische Industrie zerstören. Gleichzeitig verlören die eigenen Exporte an Wettbewerbsfähigkeit.
Zu all diesen Punkten gäbe es viel einzuordnen und zu widersprechen, doch darum soll es an dieser Stelle gar nicht gehen. Vielmehr soll verdeutlicht werden, dass die Neuordnung der Handels- und Zollpolitik nur ein Aspekt einer größeren Verschiebung ist. Dass auch die globale Sicherheitsarchitektur betroffen ist, wurde spätestens bei der Rede des amerikanischen Vizepräsidenten J. D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz deutlich. In München hat Europa tief in den Abgrund der eigenen Machtlosigkeit geblickt. Ein Kernanliegen der MAGA-Agenda ist zudem industrielle Produktion und Arbeitsplätze in die USA zurückzuholen und die Selbstversorgung sicherzustellen. Deshalb ist die Energiepolitik mit der konsequenten Ausweitung des Angebotes ein integraler Bestandteil der Wirtschaftspolitik. So besteht etwa der 3-3-3-Plan von Finanzminister Scott Bessent aus den Zielen, das Haushaltsdefizit auf drei Prozent zu reduzieren, das BIP-Wachstum auf drei Prozent zu steigern und täglich drei Millionen Barrel Öl zusätzlich zu fördern.
Auch die monetäre Ordnung und die Finanzmärkte stehen vor Erschütterungen und Umwälzungen: Trumps Chefökonom Stephan Miran veröffentlichte bereits im November 2024 sein Konzept mit dem kühnen Plan, den Dollar abzuwerten und gleichzeitig im Zentrum des internationalen Währungssystems zu halten. Dafür schlägt er nicht nur vor, dass große ausländische Besitzer von US-Anleihen, wie Notenbanken oder Staatsfonds, eine Nutzungsgebühr zahlen sollen, sondern auch, dass die USA mit ihren wichtigsten Handelspartnern eine koordinierte Währungsabwertung vereinbaren. Gleichzeitig sollten sich diese verpflichten, zinslose Staatsschulden der USA zu übernehmen.
Wie also aufstellen für den aufziehenden Sturm? Der führende deutschsprachige Handelsexperte Prof. Gabriel Felbermayr hat treffend ausgeführt, für einen Zollkrieg benötige es zwei Dinge: Das alte und das neue Testament! Um glaubwürdiges Drohpotential aufbauen zu können, brauche es ein glaubwürdiges alttestamentarisches „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Zölle würden also im Eskalationsfall mit schmerzhaften Gegenzöllen beantwortet werden. Diese Drohkulisse sei zur Abschreckung notwendig, würde aber bei einer wirklich einsetzenden wechselseitigen Dynamik allen Seiten schaden. Deshalb sei zunächst immer der versöhnende und verständnisvolle Weg des neuen Testaments vorzuziehen.
Nicht alle scheinen diese Schrittfolge zu beherzigen. So beklagte etwa Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge lautstark den wirtschaftlichen Schaden der Trump-Zölle und forderte reflexartig, es sei jetzt bereits Zeit für Europa, als Antwort die amerikanischen Tech-Riesen ins Visier zu nehmen. Hier rennt David auf Goliath zu, ohne Stein und Schleuder mitzunehmen. Auch, wenn die Lust an der Selbstzerstörung des eigenen Kapitalstocks in den letzten Jahren ein prägendes Attribut grüner Regierungsarbeit war, sollte die Besonnenheit und Selbstreflexion an erster Stelle stehen. Zur Wahrheit gehört, dass Dröge und ihre Grünen sich in der Vergangenheit massiv gegen jedes EU-Freihandelsabkommen gestemmt haben – von TTIP über CETA bis Mercosur.
Das ist ein großer Teil des Problems: Donald Trump macht genau das, was er lange angekündigt hat. Ähnliche Akzente in der US-Handelspolitik gab es bereits unter Obama und Biden, dessen Inflation Reduction Act keineswegs WTO-konform war. Doch während sich Länder wie China vorbereitet haben, haben die Europäer absehbare Entwicklungen weitestgehend verschlafen.
„Was siehst du den Splitter in deines Bruders Auge, aber den Balken im eigenen Auge nimmst du nicht wahr?“ heißt es in der Bergpredigt. Die Erosion der Wettbewerbsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandortes ist viel weniger das unvermeidliche Ergebnis weltpolitischer Entwicklungen und Zufälligkeiten als die logische und hausgemachte Konsequenz politischer Entscheidungen, deren katastrophale ökonomische Folgen fahrlässig ignoriert wurden. Hier muss der erste Ansatzpunkt liegen, hier kommt die erste Herausforderung auf die neue Bundesregierung zu.