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Standpunkt 27.03.2025
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Standpunkt Steiger: Die letzte Patrone?

Die wirtschaftspolitische Kolumne des Generalsekretärs des Wirtschaftsrates Wolfgang Steiger

„Dies ist tatsächlich die letzte Patrone der Demokratie“, betonte Ministerpräsident Markus Söder unlängst die gemeinsame Verantwortung von Union und SPD, einen grundlegenden Politikwechsel zu organisieren. Nachdem am vergangenen Freitag auch der Bundesrat das gewaltige Finanzpaket durchgewunken hatte, sahen einige Akteure und Berichterstatter diese Patrone bereits ins Zentrum der Zielscheibe versenkt und riefen einen Volltreffer aus. Die Abstimmung zeige - so wurde jubiliert - die politische Mitte in Deutschland hält den Druck stand und ist handlungsfähig. Doch Vorsicht: Ein Schuldenvehikel in Übergröße löst allein kein einziges Problem. Im Gegenteil: Fördert ein derartiger Schuldenexzess die Reformmüdigkeit, dann rettet „die demokratische Mitte" damit nicht die "freiheitliche Werteordnung", sondern beschädigt massiv ihre Grundlagen. Steigende Schulden kann man sich nur mit einer kraftvoll wachsenden Wirtschaft leisten, die Zins und Tilgung aufbringen kann. Ohne die Voraussetzungen für dieses Wachstum zu schaffen, bürden wir der Zukunft ungelöste Strukturprobleme und dazu noch einen gigantischen Schuldenberg auf.

 

Umso dringender braucht es bei den Partnern einer neuen Bundesregierung ein klares gemeinsames Problemverständnis dafür, dass die Patrone von der Ministerpräsident Markus Söder spricht, letztlich gleichbedeutend ist, mit der Schaffung von wettbewerbsfähigen Rahmenbedingungen für einen starken Wirtschaftsstandort. Denn von Beginn an ist in der Bundesrepublik Deutschland die Legitimität der politischen Ordnung eng mit der der wirtschaftlichen Prosperität verknüpft gewesen. Der Ist-Zustand lässt sich jedoch nur als dramatisch bezeichnen: Rezession, Kapitalabfluss, stagnierende Produktivität, alternde Bevölkerung. „Willst du Deutschland vorne sehen, musst du die Tabelle drehen“ – das gilt mittlerweile in zahllosen Kategorien von dem Abschneiden in Bildungsrankings über die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden bis zum Strompreis. Viel zu lange waren unterschiedlichen politischen Konstellationen kurzfristige Wohltaten oder wirkungslose Symbolpolitik wichtiger als der langfristige Wohlstand des Landes. Viele Schüsse zur strukturellen Genesung haben wir nicht mehr frei.

 

Immer neue politische Schuldenprogramme und vermeintlichen Bazookas haben in der Vergangenheit deutlich gezeigt, dass teure Geschenke eben keine Reformen ersetzen. Nicht zuletzt der europäische Wiederaufbaufonds Next Generation EU ist hierfür ein abschreckendes Beispiel geworden - die erhofften Wachstumseffekte blieben aus und viele Mittel wurden bis heute gar nicht abgerufen. Auch bei der Infrastruktur und den Verteidigungsausgaben in Deutschland gilt, dass die Höhe der Finanzmittel gar nicht der entscheidende Faktor sein wird. Nur einige Facetten: Schnelligkeit von Verfahren: Von dem „alten“ Sondervermögen Bundeswehr ist nicht einmal ein Drittel an Rüstungsunternehmen ausbezahlt. Eine Konjunkturwirkung ist deshalb erst mit erheblicher Verzögerung zu erwarten. Verfügbare Ressourcen: Im deutschen Tiefbau etwa herrscht eklatanter Arbeitskräftemangel. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer erwartet deshalb, dass ein beträchtlicher Teil der Mehrausgaben für Infrastruktur in höheren Baupreisen verpuffen könnte und der Multiplikator unter eins liegen wird.

 

Zwar sind Sondierungspapiere keine Steintafeln vom Berg Sinai und auch die bekannt gewordenen Zwischenergebnisse der Verhandlungsgruppen sollte man sicherlich noch nicht überbewerten, aber die Frage, ob überhaupt in die richtige Richtung gezielt wird, drängt sich unweigerlich auf. Maßnahmen wie E-Auto-Kaufprämien oder Gastro-Steuer werden keinen Beitrag dazu leisten, das Wachstumspotenzial langfristig zu stärken. Die strukturellen Probleme dagegen, die uns daran hindern, wieder auf einen nachhaltig höheren Wachstumskurs zu kommen, werden viel zu wenig erwähnt. In der Finanzpolitik wirken die grotesken Forderungen und Vorstellungen der SPD sogar so, als ob ein Kind unbeaufsichtigt mit einer geladenen Waffe spielt. Eine notwendige Unternehmenssteuerreform wird blockiert und ein Bekenntnis zur Haushaltskonsolidierung abgelehnt. Gleichzeitig sollen Leistung, Eigenverantwortung und Vorsorge bestraft werden - Spitzensteuersatz rauf, Ehegattensplitting weg, Abgeltungssteuer hoch, Immobilien-Steuer ausweiten, dazu neue Steuern einführen - etwa für Finanztransaktionen oder „für große Vermögen“.

 

Um das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit von Staat und Demokratie wiederherzustellen, muss ein Politikwechsel Priorität haben. Es ist unübersehbar, dass eine ungewöhnliche Schrittfolge es für die Union schwieriger gemacht hat, bürgerliche und marktwirtschaftliche Positionen selbstbewusst und glaubwürdig zu vertreten. Der Ankündigung eines Investitionsvolumens geht normalerweise die Ermittlung der Finanzbedarfe voraus. Die Politik stellt ihre Pläne vor und erläutert die Kosten und den erwarteten Nutzen. Bevor man über neue Schulden diskutiert, geht man den Haushalt nach möglichen Einsparungen durch. Diese Einsparliste gab es ebenso wenig, wie eine konkrete Beschreibung, wofür das Geld im Detail gebraucht wird. Um im Bild zu bleiben: Wir haben erst die Patrone abgefeuert und versuchen nun hektisch, die Zielscheibe in Schussrichtung zu werfen. Das hat für viel Frustration gesorgt. Doch auch auf dieser Grundlage lässt sich über bisherige Grenzen hinausdenken, um überzeugende Antworten und sinnvolle Lösungen zu finden. Beispielhaft dafür steht etwa der Vorschlag, die Mittel aus dem Klima- und Transformationsfonds für einen Wiedereinstieg in die Kernkraft zu nutzen. Das würde den vorgesehenen Beitrag zur Klimaneutralität erfüllen, schädliche Preisschwankungen am Strommarkt reduzieren und ein kraftvolles Signal für einen starken Industriestandort aussenden. 

 

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