Cookie-Einstellungen

Standpunkt 22.05.2024
Drucken

Standpunkt Steiger: Können wir uns das leisten?

Wirtschaftspolitische Kolumne des Generalsekretärs des Wirtschaftsrates Wolfgang Steiger

Frontal, klar und ungeschminkt mahnte vor wenigen Tagen die Vorsitzende des Sachverständigenrates, Prof. Monika Schnitzer, eine Rentenreform an: „Wir können es uns nicht mehr leisten.“ Demografische Realitäten lassen sich nun Mal nicht dauerhaft durch geschickte Narrative verdecken. Maßnahmen, wie die Rente mit 63, verstärken diese Problematik noch zusätzlich und entziehen dem Arbeitsmarkt gleichzeitig wertvolle Fachkräfte - widersinnig ist für dieses Vorgehen noch wohlmeinend umschrieben. Die Frage, was wir uns leisten können, wurde in den letzten Jahren kaum gestellt. Null- und Negativzinsen haben den Blick für haushaltspolitische Grenzen lange verstellt. Jahre diverser Notstände haben eine regelgebundene Finanzpolitik zudem weit in den Hintergrund treten lassen. Hohe Defizite waren ein Ausdruck politischer Entschlossenheit und Handlungsfähigkeit. 

Durch die Erklärung der Klimakrise zum Dauerzustand schien der Schlüssel gefunden, um sich von störenden Fiskalregeln gänzlich zu befreien.  Die erheblichen Defizite sollten einfach aus dem Kernhaushalt ausgelagert werden und in bunte „Sondervermögen“ eingekleidet werden. Das Bundesverfassungsgericht hat diese riskante und verantwortungslose Finanzpolitik im November 2023 beendet. Die Schuldenbremse leistet exakt das, was sie soll: Sie erzwingt die Frage: Was können wir uns leisten? Diese Abwägung wird keineswegs auf die Rentenfrage beschränkt bleiben. Wir können uns absehbar keine Energie- und Klimapolitik leisten, die teuer und ineffizient ist, die auf Technologieoffenheit verzichtet und den Industriestandort gefährdet. Wir können uns in Deutschland und Europa keine absurde Regulierung mehr leisten, die Unternehmen bis ins kleinste Detail mit Dokumentations- und Berichtspflichten erstickt. Die Anzahl der Beamten in Deutschland steigt auf immer neue Höchststände und die Zahl der Selbstständigen notiert auf dem niedrigsten Stand seit über einem viertel Jahrhundert. Ein Land, das sich nur noch selbst verwaltet, büßt an Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit ein.

Und wir können uns auch keine Migrations- und Asylpolitik leisten, bei der mehr Asylbewerber abgelehnt als anerkannt werden und gleichzeitig für diese große Gruppe der Nicht-Schutzberechtigten eine beispiellos großzügige Leistungshöhe bereitgestellt wird, die es nirgendwo sonst gibt. Ganz sicher können wir uns die katastrophalen schulischen Entwicklungen, wie sie zuletzt durch die erschütternden Pisa-Ergebnisse deutlich wurden, nicht länger leisten. Die Lernverluste zerstören die Chancen der Einzelnen, etwa in Form von geringeren Beschäftigungsmöglichkeiten und Einkommen und sie verringern gleichzeitig das Wirtschaftswachstum und damit das zukünftige Wohlstandsniveau unserer Gesellschaft. Wir können uns keine Kombination aus Bürgergeld und Transfer-Entzugsraten leisten, die Fleißige bestraft und den absurden Anreiz schafft, nicht zu arbeiten. 

Doch! Wir können uns all das leisten – so rufen weiterhin rot-grüne Fiskalregelkritiker, die beständig fordern, dass es angesichts der Herausforderungen von Klimawandel und Transformation, verteidigungspolitischer Zeitenwende und dem Zuschnappen der Demografie-Falle gerade jetzt geboten sei, endlich die selbst angelegten Ketten von Stabilitätspakt und Schuldenbremse zu sprengen und schuldenfinanziert Zukunft zu gestalten. Sie diagnostizieren schnell Marktversagen und versichern gerne, dass mehr staatliche Ausgaben ja für mehr Wachstum sorgen würden. Beides ist fragwürdig. Dem angeblichen Marktversagen gehen fast immer staatliche Interventionen voraus. Doch selbst wenn es zu systematisch ineffizienten Ergebnissen kommt, folgt daraus keineswegs, dass der Staat es besser kann und selbst als Investor oder Unternehmer tätig werden soll. Seine Aufgabe in der Sozialen Marktwirtschaf ist es dann vielmehr, einen intelligenten Ordnungsrahmen zu setzen, der privatwirtschaftliches Kapital mobilisiert und Externalitäten einpreist.

Es gibt auch zahllose Beispiele, dass zusätzliche Ausgaben keineswegs ein Garant für Wachstum und auch nicht für bessere staatliche Leistungen sind. Gleichwohl wird zur Aufweichung der Schuldenbremse immer wieder mit dem Scheinargument gedrängt, staatliche Investitionen würden ja eine saftige Rendite einbringen, die künftigen Generationen dann leicht die Zahlung von Zins und Tilgung ermöglicht. Diese angeblich so renditeträchtigen Projekte werden allerdings nie konkret benannt. Es sollte jedoch zumindest skeptisch stimmen, dass sich private Investoren gerade in Scharen aus Deutschland verabschieden, wenn doch angeblich so attraktive und einfache Gewinne locken. Fakt ist: Ausgaben für Verteidigung, soziale Konvergenz und auch die grüne Transformation sind gut begründet – sie erhöhen jedoch nicht das Wachstumspotenzial und sollten deshalb auch nicht defizitfinanziert werden. Denn die Schuldenbremse verhindert nicht die wichtigen Ausgaben, sondern sie zwingt, sich von den unwichtigen zu trennen. Anders ausgedrückt: Die Schuldenbremse verstellt nicht die Möglichkeit für die Zukunftsgestaltung Deutschlands, sie stellt jedoch die Frage, ob die Fahrradwege in Peru künftig zweispurig sein müssen.