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Standpunkt 08.05.2025
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Standpunkt Steiger: Medien im Wandel: Vom Hofberichterstatter zum Höfling?

Wirtschaftspolitische Kolumne des Generalsekretärs des Wirtschaftsrates Wolfgang Steiger

Bereits im Jahr 1964 erkannten die US-Gesundheitsbehörden, dass Rauchen eine kausale Ursache für Lungen- und Kehlkopfkrebs darstellt. Den SPIEGEL konnten die vorgelegten Studien damals jedoch nicht überzeugen. Entgegen der eindeutigen Evidenzlage hieß es dort weiterhin, es sei nicht abschließend nachzuweisen, dass Rauchen wirklich die Krebsarten verursacht. Von den 58 Redakteuren rauchten damals 36 Zigaretten, vier Pfeifen und vier Zigarren. Ein eindrucksvolles Beispiel, wie eine fehlende Perspektivenvielfalt zu unausgewogener Berichterstattung führen und schließlich in einen Vertrauensverlust münden kann. Heute ist das Ungleichgewicht ein anderes. Die Linksverschiebung in der deutschen Medienlandschaft ist ein seit Jahren bestätigter Befund, der durch eine Vielzahl empirischer Analysen klar belegt ist. Laut einer aktuellen Studie der TU Dortmund sympathisieren 41 Prozent der deutschen Journalisten mit den Grünen - gefolgt von 16 Prozent SPD-Unterstützern. Bei einer Umfrage aus dem Jahr 2020 unter ARD-Volontären gaben sogar 57,1 Prozent der Befragten an, die Grünen zu wählen. Parteien rechts der Mitte finden sich in diesen Umfragen dagegen meistens deutlich unterhalb der 10-Prozent-Marke.
 
Fehlende Ausgewogenheit muss sich nicht zwangsläufig auf fehlende Objektivität niederschlagen. Und bei privaten Medien ist - anders als bei öffentlich-rechtlichen - eine klare politische Verortung sogar legitim. Gleichwohl gilt es, sich die offensichtlichen Risiken dieses Ungleichgewichtes bewusst zu machen. Ein solches Biotop von Gleichgesinnten führt zu Selbstbestätigungen und erschwert es, herrschende Narrative infrage zu stellen. Insbesondere aber droht zwangsläufig ein Verlust an Rückhalt und eine zunehmende Polarisierung des öffentlichen Diskurses, wenn sich ein erheblicher Teil des politischen Spektrums in der Bevölkerung in der herkömmlichen Berichterstattung nicht mehr repräsentiert sieht, sondern stattdessen eine realitätsferne Einseitigkeit und weltanschauliche Diskrepanz empfindet. Das gilt umso mehr für Themen, die hochgradig moralisch aufgeladen werden - wie es in den letzten Jahren etwa bei der Migrations- und der Klimapolitik der Fall war.
 
Wenn Donald Trump verächtlich von „fake news media“ und die AfD abwertend von „Systemmedien“ sprechen, dann sind das sicherlich groteske Übertreibungen und unredliche Zuspitzungen. Aber es wäre töricht, nicht anzuerkennen, dass sie damit lediglich die populistische Welle eines dahinterliegenden realen Trends reiten - dem zunehmenden Vertrauensverlust der Bürger in etablierte Medien. Dafür gibt es bereits zahlreiche erschreckende Indizien: 2023 glaubten zum ersten Mal seit Beginn der Erhebung zur Meinungsfreiheit eine Mehrheit der Menschen in Deutschland, dass man mit der offenen Äußerung seiner Meinung lieber vorsichtig sein solle, als dass man seine Meinung frei sagen könne. Ebenso halten Menschen journalistische Texte mittlerweile für politisch ausgewogener, wenn sie glauben, dass diese nicht durch einen Menschen, sondern durch einen Algorithmus automatisch erstellt wurden. Das sind ganz offensichtlich Wegmarken eines Vertrauensverlustes.
 
Zu dieser Entwicklung tragen die Medien in erheblichem Maße selbst bei. WELT-Autor Axel Bojanowski etwa kritisiert die alarmistische Berichterstattung zum Klimawandel und das in Deutschland  vor allem Katastrophenkommunikation in Verbindung mit der Verfechtung simpel klingender Pauschallösungen medial anschlussfähig seien: „Journalistische  Berichte über den Klimawandel ergründen häufig nicht den komplexen Sachstand, sondern spiegeln die Lagerzugehörigkeit der Autoren wider. Sich im rechten Spektrum Verortende tendieren zur Beschwichtigung des Klimawandels. Sich links Wähnende tendieren zu einer Dramatisierung des Klimawandels, um ihrem politischen Credo Nachdruck zu verleihen. Forschungsergebnisse, die nicht ins Weltbild passen, werden von beiden Seiten gerne ignoriert und häufig bekämpft.“ Die Folge ist, dass weniger Fakten die Klimadebatte bestimmen als vielmehr die politische Gesinnung. Bei fehlender Zur-Schau-Stellung des Bekenntnisses zum „Guten“ wird reflexhaft eine Ablehnung in der Sache unterstellt - entweder man ist "Leugner“ oder "Alarmist“.
 
Diese Moralisierung und das Denken in „Gut-Böse-Schemata“ führen zu gefährlichen Pfadabhängigkeiten, für die es bereits zahlreiche abschreckende Beispiele gibt. So ist etwa die Kernkraft in Deutschland nicht technisch gescheitert. Sie ist diskursiv gescheitert, weil wir es als Gesellschaft einfach nicht geschafft haben, künstliche Tabus aufzubrechen und eine offene Debatte zu führen. Es muss uns alle nachdenklich stimmen, dass bei dieser für den Wirtschaftsstandort Deutschland so wichtigen Entscheidung, eine Mischung aus verengtem Diskussionsraum, aggressiver Negierung von Evidenz, von geistiger Trägheit und der Abwesenheit eines Korrektivs herrschte. Klimapolitik hat weitreichende Folgen für Bürger und Wirtschaft. Wenn es um grundlegende Eingriffe in die Gesellschaft und die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes geht, ist eine tiefgehende Debatte unbedingt erforderlich. Umso mehr, da Medienforscher längst nachgewiesen haben, dass erzwungener Korpsgeist, Moralisierung und Dramatisierung das Klimaschutzziel letztlich konterkarieren. Aufgabe eines ausgewogenen Journalismus wäre es, zwischen den "Kulturkämpfern" journalistisch zu vermitteln.
 
Doch anhand der Klimadebatte wird auch deutlich, wie sich ein neues Rollenverständnis entwickelt. Wenn eine Mehrheit der Journalisten offen angibt, weniger über die Unsicherheiten der Forschungsergebnisse informieren zu wollen, als vielmehr die Risiken des Klimawandels zu akzentuieren und daraus die Notwendigkeit ökologischer Reformen abzuleiten, dann wird der Schreiber einer Geschichte zum Handelnden einer Inszenierung. Die Trennlinie zwischen Journalismus und Aktionismus verschwimmt und der Hofberichterstatter wird als Höfling wahrgenommen. Ebenso destruktiv wie solche Nachrichten, die allzu unkritisch und regierungsfreundlich wirken, sind jene, die gänzlich fehlen. Die NZZ brachte dies unlängst im Kontext der Migrationspolitik treffend auf den Punkt: „Hätten die Leitmedien von Anfang an kritischer auf den Zustrom der kulturfremden jungen Männer aus Syrien und Nahost geblickt, hätten sie womöglich dazu beigetragen, früher eine ausgewogene Debatte über die Herausforderungen der Massenmigration führen zu können. Doch die einseitige Darstellung trug in Teilen der Gesellschaft zum Gefühl der Entfremdung bei. Von diesem Gefühl nähren sich die Profiteure der alternativen Medien noch heute.“
 
Wer, wie die SPD, selbst umfassende Medienbeteiligungen besitzt und gleichzeitig in den Koalitionsvereinbarungen vorschlägt, zuverlässige Medien künftig doch staatlich zu finanzieren, dem darf zumindest fehlende Sensibilität mit Blick auf die dargestellten Entwicklungen vorgeworfen werden. Die Doppelrolle - einerseits politische Partei in Regierungsverantwortung, andererseits Akteur auf dem Spielfeld der Meinungsbildung - erscheint ohnehin höchst problematisch. Insbesondere da dem Leser die SPD-Beteiligung im Regelfall verborgen bleibt und die SPD weiterhin die offene Ausweisung verweigert. Die Aufgabe und besondere Verantwortung der Medien liegt doch gerade in der unabhängigen Information und Kontrolle über Staat, Politik und Parteien. Der Verweis der SPD auf Minderheitsbeteiligungen, die ja überhaupt keinen bestimmenden Einfluss gewähren würden, kann das Störgefühl keineswegs abmildern. Zwar ist es richtig, dass die Beteiligungen keine klassischen Parteizeitungen im Sinne von Verlautbarungsorganen der SPD darstellen. Aber sie beeinflussen fraglos das allgemeine Meinungsklima und transportieren grundlegende weltanschauliche Sichtweisen. Gerade in Zeiten, in denen das Vertrauen in die Medien sichtbar schwindet, sollte die Frage nach dem Einfluss einer politischen Partei auf die Medien mit besonderem Feingefühl betrachtet werden.

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