Cookie-Einstellungen

Standpunkt 27.06.2024
Drucken

Standpunkt Steiger: Possenspiel Bundeshaushalt

Wirtschaftspolitische Kolumne des Generalsekretärs des Wirtschaftsrates Wolfgang Steiger


Lange schon wird kritisiert, dass die Ampelregierung sich weit von Ludwig Erhard und seiner Maxime entfernt hat, dass der Staat der Schiedsrichter und Rahmensetzer sein sollte. Die Beratungen über den Bundeshaushalt sind jedoch derart zu einem politischen Possenspiel verkommen, dass wir mittlerweile bei Heinz Erhardt angekommen sind. Sein  Diktum gilt: "Früher war alles gut, heute ist alles besser. Es wäre besser, wenn alles wieder gut wäre".

Schauen wir uns nur einige Schlaglichter an. Statt Vorschläge für Einsparungen zu unterbreiten, haben zahlreiche Kabinettsmitglieder saftige Mehrbedarfe angemeldet. Teile der SPD-Fraktion halten es offensichtlich ganz grundsätzlich für eine Zumutung einen verfassungskonformen Haushalt vorzulegen und versuchen den Bundeskanzler auf den letzten Metern in Richtung Notlage zu treiben, damit die Schuldenbremse erneut ausgesetzt werden kann. Sie positionieren lautstark: „Das Dogma der schwarzen Null bedeutet Stillstand und wirtschaftliche Unvernunft“. Damit offenbaren sie jedoch vor allem ein peinliches ökonomisches Unverständnis. Unterscheidet sich die Schuldenbremse doch gerade dadurch von der „schwarzen Null“, dass sie den Konjunkturzyklus einbezieht, Neuverschuldung insbesondere in schlechten Zeiten explizit zulässt und sich auf das strukturelle Defizit bezieht. Fakt ist: Die grundgesetzlichen Verschuldungsspielräume werden auch jetzt maximal ausgereizt - bisher ist für das laufende Jahr im Rahmen der Schuldenbremse eine Nettokreditaufnahme von 39 Milliarden Euro geplant. 

Genau diese Unterschiede zur „schwarzen Null“ führen zu der bizarren Situation, dass bei den Haushaltsberatungen schlechte Nachrichten zu guten werden und leider auch umgekehrt. Weil die Wirtschaft schwächer als erwartet läuft, lässt die Konjunkturkomponente in der Schuldenbremse eine größere Nettokreditaufnahme zu – es könnte um bis zu elf Milliarden Euro mehr Spielraum gehen. Andersherum führen die eigentlich guten Nachrichten der rückläufigen Strompreise zu erheblichen Mehrkosten. Viele Hersteller haben garantierte Strompreise. Früher wurden die Differenzen zum Börsenpreis von den Stromkunden finanziert. Die EEG-Umlage wurde abgeschafft, die Mittel kommen nun aus dem Bundeshaushalt. 

Zwar hatten die Übertragungsnetzbetreiber bereits im Januar vor zu knappen Mitteln für die Zahlung der EEG-Vergütung gewarnt. Doch das hat die Ampel-Regierung weder davon abgehalten, die eigentlich hierfür vorgesehenen CO₂-Einnahmen anderweitig zu verplanen, noch sie dazu bewegt, Vorsorge zu betreiben. 8,7 Milliarden Euro gilt es deshalb jetzt zusätzlich ausgleichen – die Gesamtkosten für die Öko-Stromförderung erhöhen sich damit in diesem Jahr auf rund 20 Milliarden Euro. Genau diese EEG-Umlageübernahme durch den Bund beschrieb Wirtschaftsminister Habeck kürzlich noch als Quasi-Klimageld mit dem jeder Bürger „ungefähr 200 Euro pro Jahr vom Staat zurück" bekomme. Doch ein Loch im Haushalt führt nicht zu Entlastungen, sondern zu Belastungen für die Steuerzahler. 

Ganz offensichtlich wurden auch die Folgen der Energiewende auf die Netzinfrastruktur dramatisch falsch eingeschätzt. Der Netzausbau hinkt aktuell der Planung um sieben Jahre hinterher. Die Verzögerungen beim Ausbau der Stromnetze führen zu unfassbaren Mehrkosten, weil Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen eine Entschädigung erhalten, wenn sie ihren Strom wegen Netzengpässen nicht einspeisen können. Beispiel Suedlink, eine der vier geplanten Stromautobahnen, die Windenergie aus Norddeutschland nach Baden-Württemberg und Bayern transportieren soll. Seit 2012 ist Suedlink Bestandteil des Netzentwicklungsplans der Energiewende. 17 Kilometer dieser Leitung sind bis zum heutigen Tag genehmigt, gebaut wurde noch kein einziger Kilometer. Dafür wächst täglich der Widerstand und entlang der Trasse werden mittlerweile über 50 verschiedene Bürgerinitiativen koordiniert, die sich gegen den Bau aussprechen. Die Leitung ist in 15 Abschnitte unterteilt und führt über 20.000 Grundstücke in sieben Bundesländern. Für jeden dieser Abschnitte braucht es einen Planfeststellungsbeschluss. Auch ein Aufweichen der Schuldenbremse wird schlechte Planungen, falsche Anreize und unrealistische Ziele nicht heilen können. 

Das gilt nicht nur für die Energiewende. Blicken wir etwa auf das Bürgergeld. Bundesarbeitsminister Heil hatte bei der Reform noch die kühne Theorie aufgestellt, die Zahl der Empfänger werde nun zurückgehen.  Die Entwicklung ist auch hier - ebenfalls absehbar - eine ganz andere. Trotz des Fach- und Arbeitskräftemangels steigt die Zahl der Empfänger von Bürgergeld auf ein Rekordniveau - über vier Millionen erwerbsfähige Arbeitslose beziehen Bürgergeld. Der „Job-Turbo“ hat sich längst als „Flop-Turbo“ herausgestellt.

Besonders augenscheinlich wird der sorglose Umgang mit Steuergeldern auch bei dem Thema Kindergrundsicherung. Es bleibt schlicht unfassbar, wie Bundesministerin Paus ohne jedwede konzeptionelle Fundierung oder fachliche Grundlage zwölf Milliarden Euro für eine Kindergrundsicherung fordert. Durchaus gäbe es gewaltigen Verbesserungsbedarf und Raum für Effizienzgewinne bei dem Thema. Es herrscht ein undurchdringbares Durcheinander an Leistungen und Zuständigkeiten. Eltern müssen bis zu acht verschiedene Institutionen kontaktieren, um zwölf unterschiedliche Leistungen zu beantragen. Einkommensgrenzen und Arbeitsanreize sind nicht aufeinander abgestimmt und vollkommen intransparent. Doch statt eines einheitlichen Systems der Grundsicherung ohne Schnittstellenprobleme zu schaffen, plant man eine Reform, die viel kostet und sogar noch mehr Bürokratie schafft. 

Bleibt festzuhalten: Es fehlt dem Staat nicht an Geld, sondern an Politikern, die damit verantwortungsvoll und effizient umgehen können. Wir müssen dringend eine viel offenere Debatte über Kosteneffizienz führen und brauchen auch den Mut unerreichbare Ziele sowie offensichtliche Fehlanreize zu korrigieren.