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Standpunkt 08.05.2024
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Standpunkt Steiger: Sollbruchstelle Haushalt 2025

Wirtschaftspolitische Kolumne des Generalsekretärs des Wirtschaftsrates Wolfgang Steiger

Der Haushalt 2025 ist die letzte Gelegenheit für die Ampel, ihrem selbst formulierten Anspruch gerecht zu werden und mehr Fortschritt zu wagen. Doch alles deutet darauf hin, dass auch diese Chance vertan wird und sich der stil- und tonprägende unproduktive Dauerstreit der Koalitionäre fortsetzt. Teile der Ampel verschanzen sich hinter immer höheren Mauern der Realitätsverweigerung.  Der neue Etat droht damit zur Sollbruchstelle zu werden. 

Vorab gilt es, einen Punkt klar festzuhalten: Entgegen der Rhetorik von harten Einschnitten und Spardiktaten, geht es keineswegs um einen Sparhaushalt. Rund 425 Mrd. Euro soll der Haushalt umfassen, bis Juli soll die Einigung stehen. 2019 hatten wir noch einen Haushalt von 350 Mrd. Euro – das ist eine saftige Ausweitung und hat mit Sparen rein gar nichts zu tun. Gerade in Krisen bläht die Politik den Haushalt auf und richtet sich anschließend dauerhaft auf dem hohen Niveau ein. Es zeugt von einem ökonomischen Unverständnis von "Austerität" oder "rigider Sparpolitik" zu sprechen, wenn Staatsausgaben wieder auf ein Normalmaß zurückgefahren werden, nachdem sie in einer Krise kurzfristig sprunghaft angestiegen sind. Fakt bleibt: Noch nie hat der deutsche Staat seinen Bürgern und Unternehmen mehr Steuern abgenommen als heute. 

Rund 25 Milliarden Euro beträgt nun die Lücke im Haushalt 2025.  Anders als für den Haushalt 2024 sind alle Rücklagen aufgebraucht.  Finanzminister Lindner hat deshalb seine Kabinettskollegen aufgerufen, Sparvorschläge einzureichen. Gleich mehrere Kabinettsmitglieder haben diesen Appell jedoch nicht nur ignoriert, sondern obendrein auch noch gewaltigen Mehrbedarf angemeldet und dem Finanzminister Wunschlisten statt Kürzungsvorschläge gesandt.  Unter den Akteuren, die sich weigern ihr Budget zu stutzen und stattdessen mehr Steuergeld für sich beanspruchen, befindet sich etwa Entwicklungsministerin Svenja Schulze. Das ist aus mehreren Gründen bemerkenswert und ebenso bezeichnend. Seit Jahren erreichen die deutschen Entwicklungsausgaben einen Rekordwert nach dem anderen und liegen auf einem absoluten Allzeithoch. Ganz anders als bei Ausgaben etwa für Bildung, Verteidigung oder Infrastruktur liegt Deutschland hier weltweit in der Spitzengruppe und übertrifft die internationalen Zielmarken bereits heute deutlich. Deutschland hat 2022 mehr Entwicklungshilfe gezahlt als Großbritannien und Frankreich zusammen. Doch obgleich Deutschland einer der größten Finanzierer in den internationalen Entwicklungsorganisationen ist, verfügt es dort kaum über spürbaren Einfluss. 

Gerade in der Entwicklungspolitik ist es höchste Zeit für eine strategische Neuausrichtung. Nicht zuletzt die absurden Diskussionen über die Finanzierung von Radwegen in Peru haben Fragen zu Sinn und Effizienz der Ausgaben aufgeworfen. In Südafrika finanziert Deutschland den Kohleausstieg mit einer Milliarden Euro. Anschließend nehmen wir selbst etliche Kohlekraftwerke wieder ans Netz und importieren aus Südafrika so viel Steinkohle wie noch nie. Eine strategische Verzahnung von verschiedenen Politikfeldern, scheint es kaum zu geben. Besonders auffällig ist, dass eine Verknüpfung von Entwicklungshilfe und Außenwirtschaftsförderung in Deutschland nahezu nicht vorhanden ist. Länder wie Japan, Frankreich oder die USA vergeben 60 bis 85 Prozent des gesamten Auftragsvolumens ihrer Entwicklungshilfe an heimische Unternehmen. In Deutschland liegt dieser Anteil bei nur elf Prozent.

Die Frage, wie die Ampel ihren Haushalt aufstellt, wird auch ein klares Signal an die Bürger sein, ob sie verstanden hat, worum es gerade geht. Die deutsche Wirtschaft wächst nicht mehr. Sie verliert auch zunehmend das Potential dazu. Eine schrumpfende Erwerbsbevölkerung wird bei sinkender Produktivität den Wohlstand einer wachsenden Zahl von Rentnern nicht bewahren können – das ist ebenso grausame wie einfache Mathematik. Umfragen zeigen, dass die Bürger die ökonomische Lage längst als größtes Problem in Deutschland sehen. Diese berechtigte Sorge muss in der Haushaltsstruktur endlich politische Entsprechung finden. Es braucht deshalb jetzt niemanden, der die offensichtlichen strukturellen Standortprobleme beschönigt und suggeriert, die Lage sei besser als die Stimmung. Es ist stattdessen überfällig, eine glaubwürdige, auf Wachstum ausgerichtete Zukunftsagenda vorzulegen. Es braucht auch keine Rufer, die an Standortpatriotismus appellieren, sondern Entscheidungsträger, die die Standortbedingungen mit Entschlossenheit verbessern. Und ganz sicher braucht es nicht ambitionslose Reformbremser, die selbst mit Rekordhaushalten nicht hinkommen, jeden Tag nach der Aufweichung der Schuldenbremse rufen und gleichzeitig sämtliche Sozialausgaben für sakrosankt erklären.