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Standpunkt 24.10.2024
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Standpunkt Steiger: Trümmer der Transformation

Die wirtschaftspolitische Kolumne des Generalsekretärs des Wirtschaftsrates Wolfgang Steiger

„Ich denke, dass es einen Weltmarkt für vielleicht fünf Computer gibt“, prognostizierte der damalige IBM-CEO Thomas Watson im Jahr 1943 spektakulär falsch. Charles H. Duell, Chef des US-Patentamtes, war sich 1899 ganz sicher: „Es gibt nichts Neues mehr. Alles, was man erfinden kann, ist schon erfunden worden.“ In diese Liste berühmter Irrtümer und fundamentaler Fehleinschätzungen hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz in dieser Legislatur nahtlos eingereiht: „Wegen der hohen Investitionen in den Klimaschutz wird Deutschland für einige Zeit Wachstumsraten erzielen können, wie zuletzt in den 1950er und 1960er-Jahren geschehen“, versprach er ein grünes Wirtschaftswunder. Die Realität sieht ganz anders aus. Wachstumsschlusslicht. Rekordkapitalabfluss. In internationalen Wettbewerbsfähigkeits-Rankings stürzt Deutschland immer weiter ab und die Unternehmen hierzulande leiden unter einer dramatischen Erosion der Standortqualität. Es droht ein beispielloser Wohlstandsverlust. Wir haben unsere Hausaufgaben nicht gemacht und machen sie weiter nicht. 

Die Ampelregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag einen dirigistischen Politikansatz als  sozial-ökologische Marktwirtschaft geframed und zum Leitmotiv ihrer Wirtschaftspolitik erhoben. Doch ein Wirtschaftswunder braucht Marktwirtschaft und nicht hunderte Milliarden Euro an Subventionen, die ein Land gegen die Kräfte des Marktes und die Bedürfnisse seiner Bürger  in ein System pressen, das Rahmendaten ignoriert und international nicht wettbewerbsfähig ist. Halbleiterindustrie, grüner Stahl, E-Mobilität, Energie- und Strompreise - in immer schnellerer Zeitfolge zerschellen die politischen Wunschträume und künstlichen Zielmarken an den harten Klippen ökonomischer Realität.

Es braucht dringend einen Kurswechsel. Es wird jedoch weder ausreichen die Symptome des Scheiterns mit immer mehr Geld zu überdecken, noch das bisherige Instrumentarium beizubehalten und bestenfalls die Zeitachsen der anmaßenden Transformationspläne leicht zu justieren. Doch genau das wird gerade vorgeschlagen. Die Sozialdemokraten bieten schlicht den gleichen Aufguss wie im Wahlkampf 2021 an. Mehr Staat. Mehr Steuern. Mehr Schulden. Mehr Umverteilung. Und Robert Habeck lockt eifrig mit Geldgeschenken. Unterstützung für klimafreundliches Produzieren, Zuschüsse für Elektroautos, Prämien fürs Arbeiten und als neueste Idee soll jede Investition über einen Deutschlandfonds mit 10 Prozent subventioniert werden. In der dazugehörigen Modernisierungsagenda wird sogar aufgeführt, wie selbst die Investitionen profitieren, die keine Gewinne erzeugen. Man muss es in aller Klarheit aussprechen: Die Idee, Investitionen zu fördern, die sich gar nicht rentieren, spricht Bände für den Verfall ordnungspolitischen Denkens. Steuergutschriften wären hier der viel unkompliziertere und zielführendere Weg. Abenteuerlich ist auch Habecks Begründung der Wachstums- und Investitionsschwäche: „Ein zentraler Grund dafür ist die restriktive Haushaltspolitik, die uns von den allermeisten anderen erfolgreichen Ländern unterscheidet.“ Aus der Schweiz hört man lautes Lachen.

Investitionsprämien ersetzen keine Strukturreformen und adressieren in keiner Weise die Ursachen der Standortschwäche. Im Bundeshaushalt klafft eine zweistellige Milliardenlücke und der Wirtschaftsminister fordert ein neues Sondervermögen, dass selbst beim groben Überschlag 37 Milliarden Euro jährlichen Zuschuss bedeuten würde – dafür ließe sich eine Unternehmenssteuerreform finanzieren, von der alle Unternehmen profitieren und welche die Standortattraktivität erhöhen würde. Hinzu kommt, dass es taktisch nicht ausgereift wirkt, einen solchen Vorschlag, der augenscheinlich nicht mit den Koalitionspartnern abgestimmt ist, wie eine tote Katze über den Zaun zu werfen. Nun gibt es für Unternehmen doch erst recht einen Anreiz etwaige Investitionen zu verschieben, um gegebenenfalls künftig von Subventionen zu profitieren.

Für eine Erholung unserer im Kern noch gesunden Wirtschaft braucht es keine realitätsfremden Scheinlösungen mehr, die auf der Illusion staatlicher Machbarkeit und Allmächtigkeit bauen. Es braucht stattdessen einen wirklichen wirtschaftspolitischen Neustart. Ein anderes Denken in der Regierung, das mit der Dominanz des subventionistisch-planwirtschaftlichen Geistes bricht, sich von der Wachstums- und Wettbewerbsverachtung verabschiedet und stattdessen den Kräften des Marktes wieder vertraut. Die sozial-ökologische Marktwirtschaft hat den Praxistest nicht bestanden – Experiment gescheitert. Von den vermeintlichen Verheißungen ist nichts eingetreten. Die leeren Transformationsfloskeln haben kein grünes Wirtschaftswunder erzeugt und keinen Beitrag zur substanziellen Reduktion der CO₂-Emissionen geleistet, dafür aber einen bürokratischen Alptraum erzeugt. Es ist höchste Zeit für eine Rückkehr zur bewährten Sozialen Markwirtschaft: zum Begriff und vor allem zum inhaltlichen Kern. Hier geht es nicht um kleine semantische Unterschiede. Nein, Interventionismus und Ordnungspolitik sind zwei widerstreitende Paradigmen in der Wirtschaftspolitik.