Standpunkt Steiger: Was wir aus dem verunglückten Vorstoß lernen können, Sozialbeiträge auf Kapitalerträge zu erheben
Die wirtschaftspolitische Kolumne des Generalsekretärs des Wirtschaftsrates Wolfgang Steiger
Wenn für einen Politiker ein Vorstoß nach hinten losgeht, dann ist der Schuldige meist schnell gefunden: die Kommunikation. Das ist eine elegante Erklärung, zumindest auf den ersten Blick: Man tut nicht so, als sei man fehlerlos. Und trotzdem findet die Diagnose in keinem Bereich statt, der so richtig weh tun würde: den Inhalten. Die seien schon richtig, man sei damit halt nur nicht richtig durchgedrungen, sei schlichtweg missverstanden worden. Die bösen Medien, die sozialen Netzwerke, Sie wissen schon.
Blöd nur, wenn Fehler bei Inhalten und der Kommunikation zugleich passieren. Ein Beispiel dafür lieferte am Sonntagabend Robert Habeck. „Warum sollte eigentlich Arbeit höher belastet sein als Kapitalerträge? Das leuchtet mir nicht ein“, sagte der Wirtschaftsminister in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“. Und plädierte dann dafür, Sozialbeiträge künftig auch auf Kapitalerträge zu erheben.
Es gibt viele inhaltliche Gründe, warum dieser Vorschlag falsch ist. Der vielleicht gravierendste: Er ist ein Schlag ins Gesicht aller Sparer, die die staatlichen Appelle beherzigt haben, die Altersvorsorge stärker in die eigene Hand zu nehmen. Dieses höhere Maß an Eigenverantwortung bei der Rente ist keine Frage der Ideologie – sondern schlichtweg eine demografische Notwendigkeit.
Doch nicht nur die Inhalte, auch die Kommunikation bei Habecks Vorstoß war verunglückt. Es wirkte so, als sei der Gedanke dem Wirtschaftsminister mal eben so rausgerutscht. Ohne diesen in all seinen Konsequenzen zu Ende gedacht und vielleicht auch selbst ganz durchdrungen zu haben. Das öffentliche Urteil in den vergangenen Tagen war schnell und hart: Nichts gelernt aus dem Heizungsgesetz-Desaster. Habecks Partei war derweil überrumpelt, versuchte zurückzurudern, Parteichef Banaszak sprach von großzügigen Freibeträgen, die es ja geben solle. Doch warum nur hatte Habeck das dann nicht gleich selbst gesagt?
Bleibt die Frage, was wir alle, was die nächste Bundesregierung daraus lernen kann. Ungeachtet der Absurdität des Vorschlags, Sozialbeiträge auf Kapitalerträge zu erheben: Natürlich kann und wird es Entscheidungen geben müssen, die erst mal weh tun – und trotzdem notwendig sind. In so einem Fall sollten Politiker das tun, was heute jedes seriös geführte Unternehmen im Vorwege unbequemer Entscheidungen tut: Einen genauen Plan entwerfen. Analysieren, wer wie betroffen ist. Einwände antizipieren. Gegenargumente zurechtlegen. Die eigenen Führungskräfte zuerst abholen. Den Kopf ansprechen und dabei den Bauch nicht vergessen.
Die Deutschen sind vorsichtig, wenn es um Veränderungen geht. Aber manchmal müssen sich Dinge ändern, um lieb gewonnenes in anderer Hinsicht zu verteidigen. Unser gesellschaftlicher Wohlstand wäre ein Beispiel dafür. Doch Reformen, die diesen Wohlstand sichern, gehen nie gegen die Menschen, sie gehen immer nur mit ihnen gemeinsam. Und dafür müssen durchdachte Inhalte mit einer überzeugenden Kommunikation zusammentreffen.