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Standpunkt 15.05.2024
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Von „Wohlstand für Alle“ zum „Döner für Alle“

Wirtschaftspolitische Kolumne des Generalsekretärs des Wirtschaftsrates Wolfgang Steiger

Marcus Tullius Cicero wird das Zitat zugeschrieben: „Je näher der Zusammenbruch eines Imperiums rückt, desto verrückter sind seine Gesetze.“ Knapp 2000 Jahre später zieht die SPD mit der Forderung nach einer Dönerpreisbremse in den Europawahlkampf. Generalsekretär Kevin Kühnert geht mit der “Döner 3 Euro”-Kampagne nicht nur viral, sondern er schafft es in einem bemerkenswerten Video auch, in weniger als einer Minute eine Rekordzahl an volkswirtschaftlich absurden Falschaussagen unterzubringen. Es wird nicht einmal mehr versucht, den wirren Scheinzusammenhängen eine ökonomische Fundierung zu geben. Und so soll allen Ernstes der Mindestlohn erhöht werden, um den Dönerpreis zu senken. 

Diese Aktion ließe sich leicht als Klamauk und schrille Wahlkampfmusik abtun. Doch sie drückt eine Entwicklung aus, die längst nicht mehr zum Lachen ist. Unsere Lernkurve ist nicht steil genug und wir rennen weiter Konzepten und Ideen hinterher, die sich als völlig untauglich erwiesen haben: So etwa die immer wiederkehrende Forderung nach Preisbremsen – dem schlanken Einsteigermodell für Enteignungen. Überall sind solche Instrumente krachend gescheitert - im Wohnungsmarkt ebenso wie beim Strompreis. Das Preissystem transportiert wichtige Informationen über Knappheiten und Präferenzen. Wer in diesem Räderwerk rumpfuscht, ohne die Ursachen anzugehen, der verfälscht, begibt sich in Interventionsspiralen und sorgt am Ende jedes Mal für höhere Preise und neue Bürokratie. 

Die fehlende Selbstreflektion lässt sich gerade auch an den laufenden Haushaltsberatungen beobachten. Der „Jobturbo“ von Arbeitsminister Heil stottert gewaltig. Doch statt über falsche Anreizwirkungen des Bürgergeldes zu sprechen, werden einfach leichtfertig neue Ausgabenwünsche eingebracht – um 7,3 Milliarden Euro übersteigen Heils angemeldete Bedarfe den Haushaltsplan. Auch in den Klima- und Transformationsfonds muss der Bund wegen der Einspeisevergütung nach dem EEG einen zweistelligen Milliardenbetrag nachschießen. Mittelfristig sind die Dimensionen sogar noch viel größer. Die Kosten der Transformation hin zur Klimaneutralität werden bis 2045 auf bis zu 10 Billionen Euro geschätzt. Legt man diese gewaltige Summe neben das energiewirtschaftliche Zieldreieck, dann wäre längst eine viel grundsätzlichere Diskussion geboten. Die Energieversorgung ist durch die Energiewende unsicherer geworden. Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit ist im internationalen Vergleich nicht mehr gegeben. Und die CO₂-Emissionen pro Kopf sind hierzulande doppelt so hoch wie in Frankreich. Der Kurs stimmt nicht.

Ein schnelles Umdenken braucht es auch in der Sicherheitspolitik. Absehbar werden die Verteidigungsausgaben in Zukunft steigen und in den Kernhaushalt integriert werden müssen. In den letzten 30 Jahren lag der Verteidigungshaushalt bei durchschnittlich 1,3 Prozent des BIP. Es gilt die Daumenregel, dass 2 Prozent die Fähigkeiten erhalten, darunter Fähigkeiten verloren gehen und ab Ausgaben von etwa 3 Prozent, Fähigkeiten ausgebaut werden. Es wurden also knapp 30 Jahre Verteidigungsfähigkeiten abgebaut. Inklusive Sondervermögen liegt der Verteidigungshaushalt aktuell bei gerade einmal 2 Prozent des BIP – das ist zu wenig, um Sicherheitsinteressen zu wahren.

Diese Ausgaben werden sich nur aus dem Haushalt finanzieren lassen, wenn man an die gewaltigen staatlichen Konsumausgaben rangeht. Eine Aufweichung der Schuldenbremse ist dagegen eine weitere Scheinlösung, die Realitäten negiert. Der aktuelle Tragfähigkeitsbericht der Bundesregierung hat Deutschland bereits jetzt eine erhebliche Lücke diagnostiziert. Selbst im besten Szenario droht der Schuldenstand drastisch anzusteigen. Nun die Schuldenbremse aufzuweichen, würde künftige Handlungs- und Entscheidungsräume einengen und die dauerhafte Finanzierung von Sicherheits- und Transformationsausgaben nahezu unmöglich machen. Deshalb benötigen wir weniger Phrasen vom „Döner für Alle“, sondern wieder mehr politische Initiativen und konkrete Konzepte  hin zum „Wohlstand für Alle“.